Der Mörder, der sich “Siegfried Klose” nannte 15. November 2017 blogxy.de Alte Fälle 0
Günter-Wilhelm Detjen war mit seinen 25 Jahren bereits Filialleiter einer kleinen Sparkasse im Buxtehuder Stadtteil Hedendorf und verheirateter Familienvater. Am 1. März 1979 wurde er brutal ermordet und das Leben seiner kleinen Familie zerstört. Wer war der Mann, der sich als Polizist “Siegfried Klose” ausgab und angebliches Interesse an einem Wertpapiergeschäft zeigte? Für 33.500 DM wurde er zum Mörder. Verdächtigungen gab es viele, einige führten zu dramatischen persönlichen Konsequenzen, doch abschließend geklärt werden konnte die Tat nie.
Auch nicht durch die vergleichsweise schnelle Ausstrahlung als Filmfall bei Aktenzeichen XY … ungelöst am 7. September – ein knappes halbes Jahr nach dem Mord. Günter Detjen stünde heute kurz vor der Pensionierung. Möglich also, dass sein Mörder, der 1979 wohl etwa Anfang 30 war, noch lebt. Bis heute konnte er sich seiner Strafe entziehen. Dennoch ist es still geworden um das tragische Schicksal von Günter Detjen – ein guter Grund also, sich diesem Fall näher zu widmen und an dieser Stelle an ihn zu erinnern.
Der 1. März 1979 war ein kalter spät-winterlicher Tag. Bei Höchsttemperaturen von 3°C waren die Schneemassen, die über Norddeutschland in jenem Winter 1978 / 1979 hereingebrochen und zeitweise für Katastrophenalarm gesorgt hatten, immer noch nicht gänzlich getaut, die Temperaturen stiegen aber allmählich wieder. Günter Detjen lebte mit seiner Ehefrau, die er im Dezember 1978 geheiratet hatte, im etwa 20km von seiner Arbeitsstelle entfernten Wohnste im Landkreis Rotenburg (Wümme). Er war erst vor kurzem Vater eines Sohnes geworden. Und auch beruflich stand Günter Detjen mit beiden Beinen fest im Leben. 10 Jahre zuvor hatte er seine Ausbildung bei der Stadtsparkasse Buxtehude begonnen und war dann – durch Fleiß und sein sympathisches Auftreten – recht schnell beruflich aufgestiegen. Im Winter 1978 / 1979 war er mit seinen 25 Jahren der jüngste Filialleiter der Buxtehuder Sparkasse. Er leitete die Zweigstelle in Neukloster-Hedendorf, die als “Ein-Mann-Betrieb” geführt wurde. Das bedeutete, dass Günter Detjen Kontoführer, Kassierer und Anlageberater in einer Person war. Hierdurch hatte er ein spezielles Verhältnis zu seinen Kunden und kannte beinahe jeden Kontoinhaber in dem ländlichen Stadtteil Buxtehudes persönlich.
Den Mann, der am 27. oder 28. Februar 1979 zum ersten Mal die Filiale betrat, kannte er jedoch scheinbar nicht. Der vermeintliche Kunde, der sich als “Siegfried Klose” ausgab, hatte einen für Günter Detjen und seine kleine Zweigstelle nicht ganz alltäglichen Wunsch: Der angeblich neu zugezogene Polizist, der vorgab, im rund 1,5 km entfernten Nottensdorf zu leben, wollte ein Wertpapierkonto eröffnen. Da Detjen sich über das weitere Vorgehen erst mit der Zentrale abstimmen wollte, bat er den Mann am 1. März 1979 erneut vorstellig zu werden. Bis dahin hatte der 25-jährige Filialleiter und leidenschaftliche Fußballspieler letzte Details geklärt. Am Morgen des 1. März hatte er noch mit dem Innenrevisor der Buxtehuder Stadtsparkasse telefoniert, weil “Siegfried Klose” wünschte, sich täglich den aktuellen Kurszettel in der Filiale abholen zu dürfen.
Wie so oft ging Günter Detjen auch an diesem Donnerstag zum Mittagessen in das Restaurant “Klosterkrug”, unweit der Sparkassenfiliale, an der Cuxhavener Straße. Er hatte es eiliger als sonst und verließ die Gaststätte bereits gegen 13:25 Uhr wieder, um in der eigentlichen Mittagspause noch einen Kunden zu treffen. Zeugen sahen ihn kurze Zeit später – offensichtlich wartend – vor der Sparkassenfiliale stehen. Um 14.10 Uhr rief Günter Detjen dann erneut in der Zentrale an und ließ sich mit der Wertpapierabteilung verbinden. Wahrscheinlich wollte er – wie vorher abgesprochen – eine Kontonummer erfragen. Doch zu einem Gespräch mit der Abteilung kam es nicht mehr. Vermutlich hatte Günter Detjens Mörder die Verbindung unterbrochen.
Der brutale Raubmord wurde schnell entdeckt: Um 14.30 Uhr trafen die ersten Kunden an der Sparkassenfiliale ein und fanden die Tür unverschlossen vor. Vor dem Tresor lag der leblose Günter Detjen. Er war mit 9 Stichen in Brust und Rücken und einem 30 Zentimeter langen Schnitt durch den Hals ermordet worden. Sein Mörder war mit 33.500 DM aus der Tageskasse entkommen. Auf dem Schreibtisch des Mordopfers lag noch der Zettel, auf dem Günter Detjen sich über seinen vermeintlichen neuen Kunden Notizen gemacht hatte: Siegfried Klose, geboren am 1. Januar 1948, wohnhaft in Nottendorf.
Und auch im Papierkorb fand sich eine Notiz mit dem handschriftlichen Vermerk “Klose”, die eindeutig von Günter Detjen geschrieben worden war. Erste Ermittlungen ergaben direkt, dass es einen Mann oder gar Polizist solchen Namens nicht gab. Vermutlich hatte Günter Detjens Mörder vielmehr versucht, sich das Vertrauen seines späteren Opfers zu erschleichen. Dieses war ihm anscheinend gelungen, hatte ihn Detjen doch zur Eröffnung seines Wertpapierkontos in den Sicherheitsbereich der Bank gebeten.
Eine erste heiße Spur erhielten die ermittelnden Beamten durch eine wichtige Zeugin, die gegen 14:25 in ihrem Wagen an der Sparkassenfiliale vorbeigefahren war. Im Rückspiegel sah sie einen grün-weiß lackierten VW Passat aus Richtung der Bank auf die Straße abbiegen, den sie für ein Polizeifahrzeug hielt. In diesem Zusammenhang wurden sämtliche VW Passat der Polizei in der Umgebung überprüft. Es ließ sich ausschließen, dass ein echtes Polizeiauto für die Begehung der Tat verwendet wurde. Somit gingen die Ermittler davon aus, dass das Fahrzeug lediglich in Polizei-Optik lackiert war.
Mit diesen und weiteren ersten Erkenntnissen wandten sich die ermittelnden Beamten um Hauptkommissar John dann schon kurz nach der Tat im Frühsommer 1979 an Eduard Zimmermann und Aktenzeichen XY … ungelöst. Bereits am 7. September 1979, also ein gutes halbes Jahr nach dem Mord, wurde der Fall Günter-Wilhelm Detjen im ZDF ausgestrahlt. Ein besonderes Augenmerk legten Hauptkommissar John und Eduard Zimmermann im anschließenden Studiogespräch nicht nur auf den auffälligen VW Passat, vielmehr ging es auch um den verwendeten Falschnamen des Täters und die Angaben zu seiner Person:
Der Name Siegfried Klose, den der Filialleiter notiert hat, ist natürlich falsch. Aber er könnte uns im Zusammenhang mit dem ebenfalls festgehaltenen Geburtsdatum doch auf die Spur des Täters führen. Aus der allgemeinen kriminalistischen Erfahrung wissen wir nämlich, dass Rechtsbrecher bei der Auswahl falscher Personalien sehr oft Anleihen bei ihren echten Personendaten oder bei ihrem Bekanntenkreis nehmen. Es ist somit denkbar, dass in dem Namen “Klose” und vor allem auch in dem Geburtsdatum 1.1.48 eine uns bisher nicht bekannte Verbindung zum Täter steckt.
– Hauptkommissar John am 7. September 1979 im ZDF
Eduard Zimmermann wies darüber hinaus darauf hin, dass man vermutlich davon ausgehen könne, dass zumindest das Geburtsdatum annähernd richtig sei, da es dem späteren Opfer sonst wohl nicht glaubwürdig erschienen sei. Man könne also daher davon ausgehen, dass der Täter um die 30 Jahre alt sei. Außerdem sei anzunehmen, dass “Siegfried Klose” in der Umgebung Ortskenntnis besitze. So habe er Günter Detjen offensichtlich davon überzeugt, in Nottensdorf – nur wenige Kilometer von der Bankfiliale entfernt – zu wohnen.
Doch auch die rasche Ausstrahlung bei Aktenzeichen XY … ungelöst brachte die ermittelnden Beamten nicht auf die Spur des Täters. Ein weiteres knappes halbes Jahr später, am 20. Februar 1980, fiel einer Polizeistreife dann ein VW Golf auf, der mit stark überhöhter Geschwindigkeit durch das Buxtehuder Stadtgebiet raste. Bei der anschließenden Verfolgungsjagd verlor der Fahrer die Kontrolle über den Wagen und fuhr in einen Straßengraben. Als sich die Beamten dem verunfallten Wagen näherten, richtete der Fahrer eine Maschinenpistole auf die Polizisten und eröffnete sofort das Feuer. Beide Verfolger wurden von Kugeln getroffen, einer der beiden Polizisten erlitt einen lebensgesfährlichen Steckschuss in der Herzgegend. Der andere Beamte konnte das Feuer erwidern und traf den Angreifer tödlich. Bei der anschließenden Überprüfung des Wagens fand die Polizei dann unter anderem zwei weitere Waffen und eine grüne Gesichtsmaske. Es stellte sich weiterhin heraus, dass mit der Uzi, mit der die Polizisten beschossen worden waren, in den Jahren 1965 und 1967 zwei Morde begangen worden waren.
Von besonderem Interesse war für die Ermittlungen hierbei vor allen Dingen der erste Mord am 9. Februar 1965. Gegen 3 Uhr nachts war an jenem Tag in die Räumlichkeiten einer Sparkassenfiliale in Neuenkirchen im Kreis Stade eingebrochen worden. Die Ehefrau des Filialleiters, die 44-jährige Thea A., überraschte den Einbrecher dabei und wurde mit drei Schüssen aus ebenjener Uzi ermordet. So kamen die ermittelnden Beamten auf den Gedanken, dass der “Masken-Mörder” für den Tod Günter Detjens verantwortlich sein könne. Doch auch diese Spur verlief negativ: Kurt H. arbeitete zeitweise auf einer Ölbohrinsel im persischen Golf. Am 1. März 1979 war er in Abu Dhabi gewesen. Der Tote hatte somit ein wasserdichtes Alibi.
Der brutale Raubmord an Günter Detjen blieb ungeklärt. Er beendete nicht nur das Leben des Filialleiters, er zerstörte darüber hinaus auch eine junge Ehe und die kleine Familie des von allen geschätzten 25-Jährigen. Doch auch für andere hatte der Fall dramatische Konsequenzen: Bereits im April 1979 geriet der 33-jährige Zollbeamte Jürgen R. in den Fokus der Ermittlungen. Völlig unbegründet, wie sich später herausstellen sollte. Doch die Ermittlungen rund um seine Person waren für den unter Depressionen leidenden Mann zu viel.
Noch bevor die ermittelnden Beamten ihm mitteilen konnten, dass der Verdacht gegen ihn sich nicht erhärtet hatte, nahm sich der Zollobersekretär, der kurz zuvor seine Eltern bei einem Autounfall verloren hatte, das Leben. Erschüttert mussten die Beamten den Abschiedsbrief des Mannes lesen. Er hatte mit dem Mord an Günter Detjen nichts zu tun, konnte mit dem Makel, dass man ihn verdächtigte, aber nicht leben.
Günter Detjen wäre heute ein Mittsechziger, sein Mörder dürfte nur wenig älter gewesen sein. Gut möglich also, dass er noch lebt – für den Mord ist er bis heute nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Hinweise nimmt auch heute, 38 Jahre nach der Tat, jede Polizeidienstelle entgegen.
Quellen:
Aktenzeichen XY … ungelöst (Filmfall 3) vom 7. September 1979 Der Mörder, der sich als Polizist tarnte, Friedhelm Werremeier, Hörzu Filialleiter lag tot vor dem Tresor, Hamburger Abendblatt vom 2. März 1979 War ein “Polizist” der Mörder?, Hamburger Abendblatt vom 3. März 1979 Mordverdacht trieb Zollbeamten in den Tod, Hamburger Abendblatt vom 25. April 1979 Sparkassen-Mord: Kripo ohne Spur, Hamburger Abendblatt vom 28. September 1979 Mit Hs. MPi wurden zwei Menschen getötet, Hamburger Abendblatt vom 22. Februar 1980