Ein Restrisiko bleibt Sexualtäter wegsperren für immer?
Wenn ein Sexualstraftäter rückfällig wird, stellt sich immer die Frage: Hätten die Sicherheitsbehörden dies verhindern können? So wie jüngst bei einem Fall in Köln. Da sagt der Staatsanwalt allerdings: Der Täter hatte seine volle Strafe verbüßt.
Köln (dpa) – Ein nach zwölf Jahren Haft frei gelassener Sexualstraftäter soll in Köln binnen weniger Wochen erneut versucht haben, zwei Frauen zu vergewaltigen. Der Mann hatte in der Haft eine Therapie verweigert und war deshalb als «höchster rückfallgefährdeter Straftäter» eingestuft worden. Der 41 Jahre alte Deutsche habe seine Haft bis zum letzten Tag verbüßt, betonte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer in Köln. «Da hat die Justiz dann keine Handhabe, diesen Zustand zu verlängern.»
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte, er habe bisher keine Hinweise, dass die Behörden in dem Fall Fehler gemacht hätten. Der stellvertretende Leiter der Kölner Kriminalpolizei, Andreas Koch, erklärt, der Mann sei nach seiner Freilassung am 12. April im Rahmen von Präventivmaßnahmen intensiv begleitet worden.
Modus operandi genau wie früher Nach der versuchten Vergewaltigung von zwei jungen Frauen am 31. Mai und am 2. Juni war er dann schnell ins Visier der Polizei geraten und nach der Sicherstellung von DNA-Spuren bei einer Durchsuchung seiner Wohnung festgenommen worden. Das Amtsgericht hat erneut Haftbefehl erlassen. Nun wird geprüft, ob die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung vorliegen, sagte Bremer. Der Beschuldigte schweigt zu den Tatvorwürfen.
Zu der zwölfjährigen Haftstrafe war der Mann wegen Vergewaltigung eines zwölf Jahre alten Mädchens und dreier Frauen verurteilt worden. Die Frauen hatte er jeweils in den frühen Morgenstunden überfallen – eine Parallele zu den beiden aktuellen Fällen: Hier waren die Frauen im Alter von 23 und 20 Jahren ebenfalls früh morgens auf dem Heimweg attackiert worden. Sie wehrten sich jedoch und schrien, so dass Anwohner aufmerksam wurden und der Täter floh, bevor es zur Vergewaltigung kam.
«Kurs» sprach nicht an Der Mann war ein sogenannter «Kurs-Proband». Das Programm «Kurs» – «Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern» – gibt es in Nordrhein-Westfalen seit acht Jahren für rückfallgefährdete Sexualstraftäter, die ihre Strafe verbüßt haben. Jeder Täter wird dabei in eine Gefährdungsstufe eingeteilt. Danach unterscheidet sich die Intensität der Beobachtung. Maßnahmen reichen von einer Gefährderansprache bis zur Observation. Nach Angaben des Landeskriminalamts gibt es derzeit über tausend Kursteilnehmer. Die Rückfallquote betrage 3,1 Prozent.
«Wir sind mit dem Programm schon vergleichsweise gut in der Bundesrepublik Deutschland», bilanziert Innenminister Reul. «Das Problem ist, das sind Menschen, die schon auffällig sind, die gefährlich sind und es auch bleiben. Das weiß jeder.»
Doppeltes Trauma für Opfer Nach Worten des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in NRW, Michael Mertens, senkt das Programm das Rückfallrisiko deutlich: «Von 20 Prozent unter allen entlassenen Sexualstraftätern auf drei Prozent bei den Teilnehmern des Kurs-Programms.» Für die Opfer sei es doppelt traumatisierend, wenn sie von einem rückfällig gewordenen Täter vergewaltigt würden. «Aber wenn wir Menschen nicht auf Dauer wegsperren wollen, gibt es ein Restrisiko, mit dem wir leben müssen», sagte Mertens.