"Wann ist das Opfer gestorben?" fragen Ermittler in fast jedem Krimi. Eine Bestimmung des Todeszeitpunkts ist jedoch nur bis zu 36 Stunden nach Auffinden eines Toten möglich und dann erst wieder nach etwa zehn Tagen. Salzburger Forscher haben eine neue Methode entwickelt: dank Skelettmuskeln, sieben Proteinen - und der Fleischwirtschaft.
Von Michael Stang
Die Rechtsmedizin sei für ihn eigentlich ein völlig neues Gebiet, sagt Zellbiologe Peter Steinbacher von der Universität Salzburg. Aber sein neues Projekt sei ja eigentlich auch reine Grundlagenforschung, wenn auch sehr praxisorientiert. "Man kann den Todeszeitpunkt sehr eingrenzen in einem Bereich bis zu 36 Stunden in etwa, wo die Körperkerntemperatur noch einen Unterschied zur Umgebungstemperatur aufweist."
Anschließend wird es schwieriger. Erst nach rund zehn Tagen könnten Forscher über den Insektenbefall den Todeszeitpunkt wieder exakt bestimmen. Das bedeutet, dass es für die Zeit zwischen 36 und 240 Stunden nach dem Tod bisher keine präzise Methode gibt, um das Ableben einer Person zeitlich zu rekonstruieren. Das wollten Peter Steinbacher und seine Kollegen ändern. "Wir haben jetzt versucht, zu untersuchen, wie die Skelettmuskelproteine zerfallen, und ob wir das nutzen können, um den Todeszeitpunkt in diesem fragwürdigen Bereich näher eingrenzen zu können."
Die Fleischwirtschaft macht es vor
Die Idee für diese Methode stammt – für Manchen mag es makaber klingen - aus der Fleischwirtschaft. Dort ermitteln Produzenten, wie lange Fleisch abhängen muss, bis bestimmte Enzyme Muskelfaserstrukturen zersetzen. Peter Steinbacher machte sich dieses Prinzip zunutze. Skelettmuskeln von Säugetieren bestehen aus sehr großen Proteinen, etwa Titin. Und im Muskelgewebe bleiben die Eiweiße länger erhalten als in einer Nervenzelle.
Sieben Proteine wählten die Salzburger Forscher für ihre Studie aus. Danach besorgten sie sich sechs Schweinebeine, denn die Tiere gleichen sehr dem menschlichen Körper in Struktur und Masse. An diesem tierischen Muskelgewebe haben sie den Abbau der Proteine vom Zeitpunkt des Todes bis 240 Stunden später untersucht. "Was wir dann feststellen ist, dass manche dieser Proteine sich abbauen und zwei Spaltprodukte vorhanden sind. Und dieses Spalten passiert interessanterweise immer zu einem relativ konstanten Zeitraum oder in einem konstanten Zeitraum, sodass beispielsweise Desmin immer zwischen 36 und 60 Stunden sich abgebaut hat."
Auch die Abbauprodukte verschwinden wieder und neue Spaltprodukte entstehen, bis das Protein vollständig abgebaut ist. Allein mithilfe des Abbauweges dieser sieben Proteine lassen sich sehr konkrete Zeitfenster ablesen, also ein konkreter Todeszeitpunkt bestimmen. Das funktioniert nicht nur bei Schweinen. "Wir haben jetzt begonnen schon an Menschen zu arbeiten und wir finden da haargenau dieselben Spaltprodukte. Das einzige Problem, das wir jetzt am Menschen haben ist, dass wir noch nicht genug Leichen haben, um die ganzen Zeitpunkte genau abzudecken. Das heißt, man bekommt vom Menschen bei einer Autopsie ja nur einen Punkt, weil in den meisten Fällen bekommen wir Leichen oder Muskelproben von Leichen aus dem Bereich zehn Stunden bis zu 40 Stunden."
Ein wichtiger Faktor sei die Umgebungstemperatur, so Peter Steinbacher. Die Liegebedingungen eine Leiche seit dem Tod müssen die Rechtsmediziner für ihre Bestimmung kennen. Denn: "Wenn jemand stirbt, dann kommt er in die Kühlkammer und bei vier Grad Celsius ist die Abbaugeschwindigkeit eine andere als bei Raumtemperatur."
Aktuell untersuchen die Salzburger Forscher auch Schweinemuskelgewebe nicht mehr nur bei 21, sondern auch bei vier und 30 Grad Celsius. Unterschiede gibt es auch aufgrund von Körpergröße und Gewicht. Wichtig sei ihm auch, so Peter Steinbacher, dass die Methode einfach sei. "Die Kosten sind sehr niedrig, weil es eine Standardmethodik in jedem Labor ist." Von daher sei er optimistisch, dass zukünftig Rechtsmediziner einfach anhand einer Muskelprobe den Todeszeitpunkt konkret einordnen können. Und so den echten Kommissaren helfen und vielleicht auch denen im Fernsehkrimi.