Solingen. Einen schockierenden Fund machten die Anwohner des Mehrfamilienhauses Neustraße 32 am Montag morgen. Um 9 Uhr fanden sie in seiner Wohnung im zweiten Obergeschoß die Leiche des 79jährigen Rudi Wilhelm Mistele. "Die Nachbarn waren aufmerksam geworden, weil die Eingangstür zur Wohnung offenstand", so Polizei-Pressesprecher Jürgen Brenne.
Der 79jährige Höhscheider ist nach ersten Ermittlungen Opfer eines Gewaltverbrechens geworden. Seit 30 Jahren lebte der alleinstehende und schwer sehbehinderte Mann - nach Aussagen der Nachbarn sehr zurückgezogen - in der Wohnung an der Neustraße. Die Obduktion des Leichnams, die gestern in der Gerichtsmedizin in Düsseldorf vorgenommen wurde, ergab, daß Rudi Wilhelm Mistele an schweren inneren Verletzungen gestorben ist - die Folge von massiven Gewalteinwirkungen. Der Zustand der Wohnung läßt auf ein Verbrechen schließen. Auch gibt es Anzeichen dafür, daß ein Kampf stattgefunden hat. Sämtliche Schränke und Schubladen waren geöffnet.
Ob etwas fehlt, steht nach dem bisherigen Stand der Ermittlungen noch nicht fest. Die Mordkommission in Wuppertal sucht jetzt Zeugen, die das Opfer nach Sonntag mittag noch gesehen haben oder wissen, wo Rudi Wilhelm Mistele sich aufgehalten hat. In den letzten Wochen suchte der 79jährige über Kleinanzeigen eine Haushaltshilfe oder Betreuerin. Interessenten, die sich daraufhin unter der Telefonnummer 870550 bei dem Rentner gemeldet haben, werden ebenfalls gebeten, sich mit der Polizei Wuppertal unter 0202/ 284-0 oder per e-Mail: pp@wtal.de in Verbindung zu setzen.
Auch 14 Tage nach dem brutalen Mord an dem Höhscheider Rentner Rudi Mistele (79) tappt die inzwischen auf 15 Mann erweiterte Mordkommission im Dunkeln. Deshalb hat die Staatsanwaltschaft nunmehr 4.000 Mark für Hinweise ausgelobt, die zur Ergreifung des Täters führen.
1.000 Mark davon kommen von einem Tageblatt-Leser, der sich spontan bereit erklärte, die Belohnung aufzustocken. "Ich gehöre auch zur älteren Generation, und mir hätte das wohl genauso passieren können", so erklärt der ST-Leser sein Motiv. Die Mordkommission wendet sich zudem mit 800 Handzetteln und Plakaten, die heute im Raum Höhscheid verteilt werden, an die Bevölkerung. Sie hofft damit auf Hinweise, wer zuletzt mit dem Rentner zusammen war. So sucht die Polizei neben Frauen, die sich auf Annoncen des Getöteten bewarben, auch einen Mann, der sich morgens am 18. Januar auf der Neustraße in Tatortnähe aufgehalten hat und möglicherweise Hinweise geben kann. Der rund 170 cm große, schwarzhaarige Mann trug eine graue Jacke, ein Kapuzenshirt, eine verwaschene blaue Jeans und helle Sportschuhe. Er hatte einen Rucksack und Einkaufstüten bei sich. Hinweise erbittet die Mordkommission "Mistele" unter 0202/2840 oder an jede andere Polizeidienststelle.
Tatort Solingen - mysteriöse Kriminalfälle im Visier
17. Juni 2018 um 17:52 Uhr
Solingen. Eine LKA-Gruppe nimmt sich alte Verbrechen vor. Auch Solinger Fälle wurden von der Polizei zuletzt in die Datei eingegeben. Die Hoffnung beruht vor allem auf DNA-Spuren.
Von Martin Oberpriller
Der Fall gehört zu den mysteriösesten in der Solinger Kriminalgeschichte der vergangenen Jahrzehnte. In den letzten Augusttagen des Jahres 2011 machte sich die damals 51-jährige Anett Carolin Kaiser zu einer Urlaubsfahrt nach Spanien auf. Nach wenigen Tagen wollte die zierliche Frau eigentlich wieder zuhause sein. Doch es wurde eine Reise ohne Wiederkehr. Bis zum heutigen Tag fehlt von der Solingerin jede Spur.
2011 verschwand Anett Carolin Kaiser
Ortswechsel: Das Landeskriminalamt NRW residiert in einem schmucklosen Bau an einer Ausfallstraße im Düsseldorfer Süden. Doch hinter der eher tristen Fassade des LKA steckt jede Menge Technik. Und dazu der Wille, Verbrechen unter allen Umständen aufzuklären - auch wenn es viele Jahre dauert. Aus diesem Grund wird seit einigen Monaten beim Landeskriminalamt eine neue Einheit aufgebaut, die das Ziel hat, ungelöste Fälle doch noch zu entschlüsseln.
Etwa jenen der verschwundenen Anett Carolin Kaiser. Wobei diese Vermisstensache beileibe nicht das einzige kriminalistische Rätsel in Solingen ist. So haben die Sachbearbeiter des unter anderem für die Klingenstadt zuständigen Polizeipräsidiums Wuppertal in den zurückliegenden Wochen gleich eine ganze Reihe von ungeklärten Verbrechen in die entsprechende LKA-Datei für Cold Cases (Kalte Fälle) eingestellt.
Sexualverbrechen, Raubmord - noch immer ungeklärt
Denn immerhin könnten sich ja immer mal wieder neue Ansatzpunkte ergeben, sagte eine Sprecherin der Polizei am Freitag auf Anfrage. Tatsächlich sind es einige Ermittlungsakten zu feststehenden beziehungsweise vermuteten Kapitalverbrechen, die trotz intensiver Arbeit nie geschlossen werden konnten. Beispielsweise ereignete sich im Jahr 1995 am Frankfurter Damm ein Sexualverbrechen an einer jungen Frau, bei dem der bis heute unbekannte Täter nach der eigentlichen Tat noch mit einem Auto über sein Opfer fuhr. Oder der Fall eines 79-jährigen Rentners, der ein paar Jahre später, 1999, in seiner eigenen Wohnung an der Neustraße ermordet wurde.
Vermutlich ein Raubmord, waren seinerzeit doch sämtliche Räume und Schränke des Mannes durchsucht worden. Aber ganz genau vermögen das die Fahnder erst dann zu sagen, wenn sie den Täter haben. Womit das Landeskriminalamt mit seiner neuen Ermittlungsgruppe ins Spiel kommt.
Mord verjährt nie
So ist es durchaus denkbar, dass sich die dortigen Beamten den Fall des getöteten Rentners demnächst noch einmal vornehmen. Denn Mord verjährt nie - aber im Zuge neuer Untersuchungen könnte sich ja herausstellen, dass es doch "nur" Totschlag war. Und dies würde bedeuten, dass der Täter nach 20 Jahren, also 2019, straffrei bleiben würde.
"Vielfach ruhen die Hoffnungen der Polizei auf verfeinerten DNA-Methoden", sagte jetzt ein Sprecher des LKA, der parallel betonte, die Fahnder seiner Behörde würden auch vor Ort ermitteln. "So können sich unsere Profiler eines Falles annehmen", verdeutlichte der Sprecher. Denn schließlich führe ein neuer Blick auf Sachen bisweilen zu neuen Erkenntnissen.
Auch im Fall von Ann Carolin Kaiser ? Nicht auszuschließen, wobei bei der vermissten Solingerin noch nicht einmal zu 100 Prozent klar ist, ob sie wirklich Opfer eines Verbrechens wurde. Theoretisch ist es denkbar, dass die Frau vor fast sieben Jahren freiwillig mit ihrem alten Leben ausgebrochen hat.
Was für Monika Byrne-Weesbach in keinem Fall gilt. Am 30. März 2010 wurde die Leiche der 63-jährigen ehemaligen Lehrerin in ihrer Wohnung am Neumarkt gefunden. Was zunächst wie ein gewöhnlicher Todesfall aussah, entwickelte sich Wochen später zu einem der spektakulärsten Verbrechen der zurückliegenden Jahre. Es ist bis heute ungeklärt.
Ein Bekannter der Toten brachte die Polizei Tage nach dem Verbrechen auf die Spur. Der Mann hatte eine SMS erhalten, in der behauptet wurde, Monika Byrne-Weesbach sei umgebracht worden. Eine nachträgliche Obduktion bestätigte am Ende den Verdacht - nur der Mörder läuft bis zum heutigen Tag frei herum.
Ungelöste Mordfälle: Rentner lag tot in seiner Wohnung Aktualisiert: 13.12.18 18:37
Zum Auftakt der ST-Serie über ungeklärte Tötungsdelikte erinnern wir an den Fall des damals 79-jährigen Rudi Mistele.
Von Kristin Dowe
Es war ein schockierendes Bild, das sich Bewohnern eines Mietshauses in der Neustraße in Höhscheid an jenem Montag des 18. Januar 1999 bot: Stutzig geworden über die geöffnete Wohnungstür, wollten sie bei ihrem Nachbarn, dem damals 79-jährigen Rudi Mistele, vorsorglich nach dem Rechten schauen – und fanden die grausam zugerichtete Leiche des Rentners dort auf dem Boden liegend. Schubladen und Schränke waren durchwühlt; ob sich zuvor Bargeld oder andere Wertgegenstände in der Wohnung befunden haben und gestohlen wurden, kann die Polizei bis heute nicht sagen.
Überhaupt ist die Informationslage im Fall Mistele unverändert dürftig, sein Schicksal zählt zu den wohl mysteriösesten Fällen der Solinger Kriminalgeschichte. Wie genau der Höhscheider ums Leben kam, teilt die Polizei nicht mit, um kein Täterwissen preiszugeben.
Fest steht aber, dass es Hinweise auf ein Kampfgeschehen gab und man Spuren massiver Gewalteinwirkung am Körper des alleinstehenden Mannes fand. „Verwertbare Fremd-DNA hat man damals nicht am Tatort gefunden“, sagt Patrick Wensierski, Sachbearbeiter bei der Polizei Wuppertal, der auf ST-Anfrage noch einmal die Akten durchforstet hat. Den genauen Todeszeitpunkt konnte man nicht feststellen, doch soll der Mann erst wenige Stunden tot gewesen sein, nachdem die Anwohner ihn leblos aufgefunden hatten.
Der Fall Rudi Mistele ist einer von sechs Fällen, die sich in den Jahren von 1990 bis 2015 in Solingen ereignet haben und im Rahmen einer vom Landeskriminalamt (LKA) Düsseldorf geplanten, digitalen Datenbank für ungeklärte Tötungsdelikte zurzeit systematisch erfasst werden. Weitere vier „Cold Cases“ mit Tatort Solingen hatte die Polizei in den Jahren 1970 bis 1989 zu verzeichnen.
Rudi Mistele führte ein zurückgezogenes Leben, sehnte sich wohl nach einer Partnerin, wie Bekannte zu Protokoll gaben. Auch hatte der Rentner über ein Inserat in der Zeitung kurz vor seinem Tod eine Haushälterin gesucht, wovon die Beamten sich damals brauchbare Ermittlungsansätze versprochen hatten. Vergeblich, alle Spuren liefen ins Leere.
Ermittelt wurde vor allem im persönlichen Umfeld des Opfers Bei der Polizei hatte sich außerdem anonym ein Anrufer gemeldet, dessen Hinweis die Ermittler aber auch nicht weiterbrachte. „Man kann davon ausgehen, dass Rudi Mistele seinen Mörder kannte, da er sonst keine Fremden in die Wohnung ließ“, sagt Wensierski. So gab es keine Einbruchsspuren an der Wohnungstür, die Mistele offenbar freiwillig geöffnet hatte. Auch soll der Rentner in seinem Umfeld öfter mit angeblichen Vermögenswerten geprahlt haben, was ihm womöglich zum Verhängnis geworden ist.
ST-SERIE
UNGEKLÄRTE??FÄLLE Vor dem Hintergrund der vom LKA geplanten „Cold-Case“-Datenbank stellt unsere Redaktion ungeklärte versuchte und vollendete Tötungsdelikte sowie Vermisstenfälle aus Solingen vor, bei denen von einem Gewaltverbrechen auszugehen ist. Für Hinweise zu einem Fall können Bürger sich telefonisch unter Tel. (02?02) 2?80-11?99 oder per Mail mit der Polizei Wuppertal in Verbindung setzen.
Sonst ist wenig über das Opfer bekannt. Mistele war zwei Mal verheiratet, hatte zwei leibliche Söhne aus erster und einen Adoptivsohn aus zweiter Ehe, zu denen er wenig Kontakt pflegte. Seine letzten direkten Angehörigen, zwei Schwestern, sind inzwischen beide verstorben.
Für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen, hatte die Staatsanwaltschaft damals eine Belohnung von 3000 DM ausgelobt. Ein Leser des Solinger Tageblattes hatte noch 1000 DM aus eigener Tasche draufgelegt, um die Ermittlungen voranzutreiben. „Es wurde vor allem im persönlichen Umfeld von Rudi Mistele ermittelt“, sagt Wensierski. „Hinweise auf eine Raubserie, die man mit dem Fall in Verbindung hätte bringen können, gab es nicht.“
Auch wenn die Hoffnung schwindet, nach fast 20 Jahren Rudi Misteles Mörder noch zu fassen, hält Wensierski den Begriff „Cold Case“ eigentlich für unzutreffend. „Zwar sendet die Polizei irgendwann die Akte zurück an die Staatsanwaltschaft, wenn alle Spuren und Hinweise aus Sicht der Ermittler hinreichend überprüft wurden.“ Allerdings nähmen sich die Sachbearbeiter des für Tötungsdelikte zuständigen Kriminalkommissariats 11 bei der Polizei Wuppertal die Altfälle sporadisch wieder vor und überprüften sie etwa im Hinblick auf neue kriminaltechnische Untersuchungsmethoden. Wensierski: „Mord verjährt eben nie.“
Auf Spurensuche im Mordfall Mistele Solingen · Werden alte Fälle doch noch aufgeklärt ? Im Städtedreieck werden jetzt elf Tötungsdelikte intensiver beleuchtet. Den Anfang macht der Mord an Rudi Mistele 1999. Verantwortlich dafür ist Cold-Case-Ermittler Martin Kieczka.