Rheinbach - Zwei Tage nach dem Fund eines toten neugeborenen Jungen auf der Raststätte Peppenhoven an der Autobahn 61 gibt es von der Mutter weiterhin keine Spur. Bei der Bonner Mordkommission sind nach Mitteilung der Polizei erst wenige Anrufe eingegangen. Neue Hinweise erhoffen sich die Ermittler durch Plakate, die seit gestern an Raststätten entlang der Autobahnen in Nordrhein-Westfalen ausgehängt werden.
Mit den Flugblättern wird die Bevölkerung erneut um Mithilfe gebeten. Die Polizei fragt: Wer hat am Sonntag, 15. Juli, bis 17.30 Uhr, auf der Raststätte Rheinbach-Peppenhoven an der A 61 in Fahrtrichtung Norden verdächtige Personen oder Fahrzeuge gesehen? Wem ist eine Frau aufgefallen, die sich in den vergangenen Monaten körperlich oder im Wesen verändert hat, die plötzlich weitere Kleidung trug oder Sport und anstrengende Tätigkeiten vermieden hat? Wer kennt eine Frau, die schwanger war und nun aber kein Kind hat?
Hinweise bitte an die Polizei Bonn, Tel: (0228) 150.
Rheinbach - Dutzende von Taschentüchern wurden mit Tränen benetzt bei einer zu Herzen gehenden Trauerfeier, mit der gestern Nachmittag mehr als 120 Menschen im Bestattungshaus Ferdinand Pfahl in Rheinbach Abschied nahmen von Adam, dem Säugling, der am 15. Juli getötet unter einem Lastwagen auf der Raststätte Peppenhoven-Ost aufgefunden worden war. Männer und Frauen, jüngere und ältere Menschen, Normalbürger und Prominente wie Bürgermeister Stefan Raetz saßen und standen in der überfüllten Trauerhalle und blickten schmerzvoll auf den winzigen weißen Kindersarg, der an der Stirnseite aufgebahrt war.
Weiße und hellblaue Bänder um den Sarg, ein schwarzer Mond und goldene Sterne im Hintergrund sowie ein Teddy mit blauer Latzhose aus Blumen zu seinen Füßen – das liebevolle Arrangement legt Zeugnis davon ab, dass die Mitarbeiter des Bestattungsinstitutes dem kleinen Jungen einen würdevollen Abschied verschaffen wollten. Sein Schicksal war ihnen so nahe gegangen, dass sie ihm einen vorläufigen Namen gaben und ihm so die Würde und Menschlichkeit zuteilwerden ließen, die ihm in seinem kurzen Leben nicht vergönnt war.
„Adam – dies ist in der Bibel der Name des ersten männlichen Menschen. Dieser Name erinnert uns daran, dass wir aus Erde gemacht sind, denn Adam bedeutet im hebräischen Erdling, Mensch. Und Mensch bedeutet Leben. Deshalb habe ich diesem Kind den Namen Adam gegeben.“ Diplom-Theologe Alexander Kirfel gab in seiner Traueransprache zu, „der grausame Tod von Adam führt mich an die Grenzen unserer Sprache.“ Lieber würde er unter den Trauernden sitzen und stumm seiner Ohnmacht und Trauer Ausdruck geben. „Denn was immer ich sagen werde, ist ein kläglicher Versuch, in Worte zu fassen, was einfach nicht fassbar ist.“
Resonanz auf Todesanzeige war enorm
Ihm gelang dennoch eine bewegende Ansprache, die den Anwesenden ein wenig dabei half, in Gesten, Symbolen und Worten ihren Schmerz, ihre Trauer, ihre Wut und ihren Zorn zu teilen. Mit Geigen- und Klaviermusik sowie dem Lied „Mein Stern“ von der Band „Unheilig“ stimmungsvoll untermalt, widmete sich Kirfel der quälenden Frage nach dem Warum. Warum musste Adam sterben? Diese Frage bleibe derzeit unbeantwortet, „doch wir gehen nicht zur Tagesordnung über. Dadurch, dass wir hier sind, zeigen wir, dass es uns nicht egal ist, dass ein Menschenleben einfach so ausgelöscht wurde.“ Damit, dass Adam beerdigt und nicht anonym beigesetzt werde, gebe man ihm einen Teil seiner Würde zurück. „So zeigen wir, dass die Menschlichkeit in unserer Gesellschaft noch vorhanden ist.“
Die Resonanz auf Adams Todesanzeige in der Zeitung sei enorm groß gewesen, berichtete Kirfel weiter. Die Firma Samulewitz habe sich bereit erklärt, einen Grabstein zu spenden, Blumen Rheinbach und die „Neuen Pfade“ wollten sich künftig um die Grabpflege kümmern, viele Bürger hätten Geld für Blumen oder das Aufstellen einer Kerze gespendet. Sie alle hätten damit zum Ausdruck gebracht, „dass wir Adam nicht vergessen wollen“. Hebamme Christine Hebel-Hahn ergriff ebenfalls das Wort und erklärte, Mütter und Väter, die ein Kind erwarteten und sich dadurch in einer verzweifelten Situation befänden, könnten in einer Hebamme eine Vertrauensperson finden, die sich liebend gerne daran wage, alle auftretenden Probleme aus dem Weg zu räumen.
Gemeinsam setzte sich die Trauergemeinde in Bewegung, um hinter einem goldenen, sternförmigen Luftballon mit Adams Namen seine sterblichen Überreste zum Kindergrab auf dem Friedhof St. Martin zu geleiten. Am Rande machten Polizeibeamte unauffällig Fotos von den Trauergästen in der vagen Hoffnung, dass die Mutter vielleicht unter ihnen sein könnte. Die meisten Trauergäste gaben ihrem Mitgefühl dadurch Ausdruck, dass sie frische Blüten auf den Sarg streuten.
Bei der Suche nach der Mutter des Säuglings hat die Polizei bislang keine heiße Spur. Fahndungsplakate wurden nicht nur an deutschen Autobahnen, sondern auch in Holland und Belgien aufgehängt, weil der Rastplatz Peppenhoven von vielen Niederländern und Belgiern angefahren wird. Das belgische Fernsehen hat über den Fall ebenso berichtet wie das ZDF in seiner Sendung „Aktenzeichen xy ungelöst“. Insgesamt hat die Bonner Polizei nach Angaben einer Sprecherin Hinweise „im zweistelligen Bereich“ erhalten. „Es war keine Spur darunter, die uns weiter geholfen hat.“ Die Polizei bittet um Informationen an die Mordkommission unter der Telefonnummer (0228) 150. (dbr)