Nach dem Mord in Jengen: Wo ist die kleine Laila (5)?
Abendzeitung, 15.11.2009 - 16:59 Uhr
JENGEN - Erst verlor Laila ihre Mama - und dann ihre Heimat: Der Vater des Mädchens aus dem Ostallgäu soll seine Ehefrau getötet und seine Tochter nach Ägypten entführt haben. Seitdem gibt es kein Lebenszeichen mehr von ihr.
Laila weiß es wohl nicht. Dass sie gar nicht im Urlaub ist – dass sie vielleicht nie nach Hause kommt. Wahrscheinlich sitzt die Fünfjährige in einem Dorf in Ägypten und vermisst ihre Mutter, die nicht da ist. Sie hat nur ihren Papa – den Mann, der mit hoher Wahrscheinlichkeit ihre Mama getötet hat.
Die Polizei sucht Ahmed H. (35) per internationalem Haftbefehl. Wegen Mordes. Der Ägypter soll seine Frau Andrea W. (36) umgebracht haben. Am Samstag, 17. Oktober, fand sie die Leiche von Andrea W. im Garten ihres Hauses im kleinen Dorf Jengen bei Buchloe (Ostallgäu). Sie lag in der alten Sickergrube hinterm rosa gestrichenen Haus im Tulpenweg, unter einem Haufen Betonplatten. Die Polizei notiert: „Gewalteinwirkung gegen den Hals.“ Die Ermittler sind sicher: Ahmed H. hat nicht nur ein Leben ausgelöscht. Er hat auch die gemeinsame Tochter Laila (5) mit nach Ägypten verschleppt.
An ihrem Geburtstag verschwindet die Mutter plötzlich
Der große, breite Mann mit der fast schwarzen Haut war etwa sechs Jahre mit Andrea W. verheiratet, mit ihr zeugte er Laila. 2007 kamen die beiden nach Jengen und renovierten das rosa gestrichene Einfamilienhaus. Er arbeitete im Burger King in Landsberg am Lech, sie gab stundenweise Englischkurse für Kinder in der Gegend. Wenn Andrea arbeitete, war Laila im Kindergarten im drei Kilometer entfernten Weinhausen. Die Familie kam gut mit ihren Nachbarn aus, besucht die Feste im Dorf – bis zum 8. September, Andreas 37. Geburtstag.
An diesem Tag holt Ahmed Laila gegen 10.30 Uhr im Kindergarten ab, setzt sie in seinen schwarzen Hyundai und fährt nach Buchloe. Dort stellt er sein Auto auf dem Kundenparkplatz der Firma Stammel gegenüber vom Bahnhof ab und steigt mit seiner Tochter in den Zug nach München und weiter zum Flughafen. Das Auto lässt er einfach stehen, es wird erst zweieinhalb Wochen später abgeschleppt. Von München aus fliegt Ahmed H. mit Laila nach Ägypten.
Andrea W. ist zu dieser Zeit ziemlich sicher tot. Ihre Mutter aber glaubt, dass ihre einzige Tochter Ahmeds Verwandte im Städtchen Kom Ombo am Oberen Nil besucht. So denken auch die Nachbarsleute D.: „Laila hat am 7. September zu meiner Frau gesagt, dass sie am nächsten Tag einen Ausflug nach München machen“, sagt Thomas D. Andrea W. hatte sie sogar abgemeldet. Dann kam Laila doch – mit dem Bus, wie immer.
Starb Andrea W., weil sie die Scheidung wollte?
Mitte September ruft Ahmed die Mutter an. Alles sei in Ordnung, sie hätten nur einen Autounfall gehabt. Er brauche etwas Geld. Sonst ahnt niemand was – bis auf Sabine K. (Name geändert). Andrea reagiert nicht auf ihre Anrufe und SMS – dabei sind sie alte Freundinnen. Ende November 2008 vertraute sich Andrea ihr an: Ahmed verzocke sein Geld im Spielsalon – wenn er nicht aufhöre, würde sie ihn verlassen. Dass die Eheleute sich oft wegen des Geldes streiten, wissen auch die Nachbarn – ein mögliches Motiv?
Am 22. September hat Sabine K. ein ganz mieses Gefühl. Ein Kollege von Andrea hat ihr gesagt, dass sie seit Tagen nicht mehr in der Arbeit war. Urlaub habe sie nicht angemeldet. Sabine K. fährt nach Jengen, klingelt, lugt durch die Fenster: Auf dem Wohnzimmertisch steht Essen, auf dem Boden liegen überall Papiere. So verlässt keiner vor dem Urlaub das Haus, denkt sie – vor allem nicht die ordentliche Andrea. Am 16. Oktober meldet sich Ahmed zum letzten Mal: Andrea ist entführt worden, er braucht dringend viel Geld. Die Polizei ist alarmiert. Und misstrauisch. Einen Tag nach dem Anruf durchsuchen Beamte das Haus – und finden Andreas Leiche.
Ahmed H. werden sie wohl nie fassen – zwischen Deutschland und Ägypten gibt es kein Auslieferungsabkommen, ein Polizeisprecher sagt auf Anfrage der AZ: „Es gibt nichts Neues.“ Sabine K. will trotzdem weiter um Laila kämpfen: „Sie muss zurück, sie gehört doch hierher!“ Das Amtsgericht Kaufbeuren hat Ahmed H. am 6. November das Sorgerecht entzogen, ein Anwalt ist jetzt Lailas Vormund. Sie weiß von all dem nichts – sie wartet nur weiter auf ihre Mama.
Er tötete die Mutter und enführte die Tochter nach Kairo: Jetzt soll der Allgäuer bei den Unruhen in Ägypten ums Leben gekommen sein. Wo ist Laila?
Jengen/Kairo - Ahmed H. ist schwer zu fassen – und vielleicht kriegt ihn die Allgäuer Polizei nie wieder zu Gesicht: Der gesuchte Mordverdächtige ist angeblich tot. Das melden ägyptische Behörden.
Im Oktober 2009 erwürgte der 36-jährige Ägypter seine Ehefrau Andrea W. († 37), versteckte ihre Leiche im Garten seines Hauses in Jengen (Ostallgäu) und floh gleich nach der Tat mit der gemeinsamen kleinen Tochter Laila (6) nach Ägypten – das glaubt jedenfalls die Kemptener Staatsanwaltschaft.
Ahmed H. wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht und Anfang 2010 in Ägypten festgenommen. Dort wartete er in einem Gefängnis in Kairo auf seinen Prozess – nun soll er während der politischen Unruhen im Januar und Februar getötet worden sein.
Lailas Schicksal ist unklar – wie die ganze Geschichte. „Wir müssen das bewerten. die Prüfung ist nicht abgeschlossen“, sagte Kemptens Oberstaatsanwalt
Staatsanwaltschaft Mordverdächtiger wohl bei Unruhen in Ägypten getötet
Autor: Allgäuer Zeitung aus Kempten (Allgäu)
Mutmaßlicher Täter soll 2009 seine Frau in Jengen umgebracht haben
Ein in Ägypten inhaftierter Mann, der 2009 im Ostallgäuer Jengen seine damals 36-jährige Frau umgebracht haben soll, ist höchstwahrscheinlich tot. Damit gab der Leitende Kemptener Oberstaatsanwalt Herbert Pollert bei der Jahrespressekonferenz in Kempten bekannt, was die Deutsche Botschaft in Kairo mitgeteilt hatte.
Der Mann (37) sei während der Unruhen im März dieses Jahres ums Leben gekommen. Wie berichtet, waren damals zum Teil die Gefängnisse in Kairo geöffnet worden und viele Strafgefangene auf freien Fuß gekommen. Die Deutsche Botschaft in Ägypten beruft sich wiederum auf Informationen der ägyptischen Behörden. Laut Pollert prüft die Kemptener Anklagebehörde, ob die Information stimmt. Wenn ja, würde der Fall zu den Akten gelegt.
Die Kemptener Kripo und Staatsanwaltschaft sind davon überzeugt, dass der Ägypter vermutlich am 8. September 2009 oder davor seine Frau umgebracht und die Leiche in der Sickergrube des gemeinsamen Hauses versteckt hatte. Gegen 10.30 Uhr an diesem Tag soll er die Tochter vom Kindergarten abgeholt haben und sich mit ihr über München nach Ägypten abgesetzt haben. Lange hatten Verwandte und Bekannte der Getöteten geglaubt, die Familie sei in Ägypten im Urlaub.
Am 17. Oktober 2009 fand die Polizei dann die Leiche der Frau. Zuvor hatte sich der Ägypter noch telefonisch bei der Mutter der Getöteten im Ostallgäu gemeldet. Er brauche Geld, weil seine Frau in einen Autounfall verwickelt sei. Letztmals rief er am 16. Oktober an. Er bat erneut um viel Geld, da seine Frau entführt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt aber war sie längst tot, so die Ermittler.
Das Kaufbeurer Amtsgericht hatte dem Vater nach der Flucht das Sorgerecht entzogen und dieses einem Rechtsanwalt übertragen. Ob sich das Kind jetzt noch bei Verwandten des Mannes in Ägypten aufhält - wie bisher vermutet - ist unklar. Die Frage, wo das Mädchen jetzt lebt, sei für die Kemptener Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde kein Thema, bekräftigte Pollert.