Cold Cases NRW baut Datenbank für ungeklärte Mordfälle auf
Von Gerhard Voogt p18.02.18, 13:17 Uhr
Düsseldorf - Das Grab von Claudia O. ist stets perfekt gepflegt. Am 9. Mai 1987 war die damals 23-Jahre alte Gastwirtstochter in Lohmar erdrosselt in ihrem Badezimmer aufgefunden worden. Der Fall erschütterte die Menschen, auch weil der Täter nicht ermittelt werden konnte. Nach 30 Jahren aber scheint es jetzt, als bleibe der Mord doch nicht ungesühnt. Durch die verbesserte Analysetechnik bei der Auswertung der DNA-Spuren wurde der heute 61-jährige Detlef M. als dringend Tatverdächtiger ermittelt. Die Profiler des Landeskriminalamts (LKA) in Düsseldorf hatten sich den „kalten Fall“ („Cold Case“) zusammen mit den Ermittlern aus Bonn noch einmal vorgenommen.
Die Aufklärungsquote von Kapitalverbrechen ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Delikten bemerkenswert hoch. Laut Statistik konnten im Jahr 2016 genau 93,2 Prozent aller Fälle geklärt werden. Der Fortschritt in der Kriminaltechnik fördert fast in allen Fällen verwertbare Spuren zu Tage. Inzwischen müssen sich auch jene Täter, die jahrzehntelang unentdeckt blieben, darauf einstellen, dass die Polizei doch noch vor der Tür steht.
„Wir sind dabei, eine Cold-Case-Datenbank einzurichten“, sagt Andreas Müller, Chef des Profiler-Teams im Düsseldorfer LKA, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Wir wollen erstmals alle Fälle, die in der Vergangenheit nicht aufgeklärt wurden, zusammenstellen und systematisch abarbeiten. Geplant ist, dass wir bis in die 70er Jahre zurückgehen. Wir gehen davon aus, dass zunächst 900 Fälle in die Datenbank aufgenommen werden.“
Zunächst werden Fälle mit DNA-Spuren untersucht
Das LKA will dabei gezielt zunächst jene Alt-Fälle untersuchen, bei denen DNA-Material gefunden wurde. „Wir müssen eine Prioritätenliste erstellen“, sagt Chefprofiler Müller. Im Focus stehen Delikte, bei denen zum Beispiel mehrere unterschiedliche DNA-Spuren an der Leiche gesichert wurden. „Wir nutzen unser Instrument der »Operativen Fallanalyse« (OFA), um das Spurenensemble dahingehend zu deuten, zu welchem Zeitpunkt der Tat die Spuren entstanden sind, welche vom Täter stammen dürften und welche Rückschlüsse zum Tathergang und zur Motivlage zu ziehen sind.“
Früher benötigten die Kriminaltechniker mehrere Hautschuppen, um einen DNA-Strang identifizieren zu können. Heute reicht dafür ein einziger Zellkern aus. Es kann sich also für die Ermittler durchaus lohnen, einen alten Pullover noch mal auf Spuren anzusehen. Die Aufklärung von alten Fällen ist laut Müller ein Schwerpunkt im Aufgabengebiet des LKA. In der Landesoberbehörde ist das Know How für kriminaltechnische und erkennungsdienstliche Untersuchungen gebündelt. Die Profiler sind langjährige Kripo-Ermittler, die sich über viele Jahre mit Sexual- und Tötungsdelikten befasst haben.
Diese Erfahrung bringt das Team jetzt mit ein, wenn es um die Suche nach den Tätern geht, die bislang davonkamen. Die Zeiten, in denen nicht erwischte Mörder ruhig schlafen konnten, dürften in NRW vorbei sein. NRW-Innenminister Herbert Reul sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Mord verjährt nicht. Wir sind es nicht nur den Opfern schuldig, solche Verbrechen zu sühnen. Deshalb ist die Cold-Case-Datenbank ein wichtiges Signal: Diese Akten werden nicht einfach geschlossen.“ Der CDU-Politiker ist sicher: „Irgendwann fassen wir die Täter.“
Kripo: Mordermittler sind völlig überlastet
Bei der Kripo kommt der Vorstoß des LKA gut an. Oliver Huth, stellvertretender Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die Mordermittler in den Polizeibehörden seien völlig überlastet mit aktuellen Vorgängen und müssten sich zum Teil gar mit gefährlichen Körperverletzungen befassen. „Da bleibt den Kollegen keine Zeit, sich mit alten Fällen zu befassen“, so Huth. Auf den Tischen türmten sich jeden Tag neue Akten. „Da fragt keiner: »So, was machen wir denn heute mal?«“, sagt der Gewerkschafter.
Die Mordkommissionen, die nach einem Leichenfund gebildet werden, würden meist nach ein paar Wochen wieder aufgelöst, wenn es keine heiße Spur gibt. „Aus den Augen heißt aber nicht immer auch aus dem Sinn“, betont Huth. „Wenn Mordfälle nicht aufgeklärt werden können, ist das nicht nur für die Angehörigen, sondern auch für die Fahnder eine große Belastung.“
Der mutmaßliche Mörder von Claudia O. sitzt schon seit langem in der JVA-Rheinbach ein. Er hatte 1988, ein Jahr nach dem Tod der jungen Frau, eines der spektakulärsten Verbrechen der deutschen Nachkriegsgeschichte begangen. Detlef M. tötete einen 15 Monate alten Jungen und dessen Großmutter und täuschte eine Entführung vor. Dafür wurde er wegen zweifachen Mordes, Entführung, Erpressung und schweren Raubes zu lebenslanger Haft verurteilt.
M. hatte sich auf seine mögliche Haftentlassung vorbereitet. Daraus wird wohl nichts. Das Siegburger Amtsgericht erließ auf Grundlage der neuen Erkenntnisse einen Haftbefehl.