Es sind "Cold Cases", Tötungsdelikte, die die Polizei bisher noch nicht gelöst hat. Die Ermittlungsakten liegen je nach Fall im Landeskriminalamt in Wiesbaden, im Frankfurter Polizeipräsidium oder in der Hofheimer Polizeidirektion Main-Taunus. Hin und wieder gibt es aber auch nach Jahrzehnten eine neue Spur – Mord verjährt nicht.
Flörsheim/Eppenhain. Beide Mordfälle sind wohl nicht zu vergleichen. Dennoch gibt es verschiedene Parallelen. Zum einen handelt es bei den Getöteten um ältere Menschen, die alleine lebten. Zum anderen waren ihre Mörder ohne Probleme in die Häuser ihrer Opfer gelangt. Und zum dritten ist nach wie vor nicht ganz klar, was alles geraubt wurde. Die beiden Morde, die chronologisch die letzten beiden ungelösten Fälle im Main-Taunus-Kreis darstellen, wurde im Jahr 2003 sowie 2011 verübt.
Der erste dieser beiden Morde an Senioren wurde am Freitag, 15. August 2003, begangen. Der zurückgezogen lebende Opel-Pensionär Josef Hellinger war nach den Ermittlungen der Polizei tagsüber noch am Leben. Was sich aber nach 18 Uhr im Haus des Flörsheimers in der Heinrich-Heine-Straße 15 abspielte, ist bis heute ein Geheimnis. Sicher ist nur, dass ein oder mehrere Täter den 86-Jährigen überfallen, an Händen und Füßen fesseln und anschließend mit einem Fleischermesser mit brutaler Gewalt erstechen.
Die oder der Mörder wurden von ihrem späteren Opfer anscheinend arglos in die Wohnung eingelassen. Die Kriminalisten finden nämlich keine Aufbruchspuren an Türen oder Fenstern. Deshalb geht die Polizei davon aus, dass Josef Hellinger seine Mörder selbst in den Hausflur gelassen hat. Dass es sich bei dem Verbrechen um einen Raubmord handelt, ist schnell klar. Es fehlen Geld, eine Scheckkarte sowie Sparbücher des Opfers, meldet die Kriminalpolizei einige Tage nach dem Mord in der Heinrich-Heine-Straße. Aufgefunden wird Josef Hellinger von einem DRK-Helfer. Der Senior nutzte seit einigen Jahren einen Rot-Kreuz-Hausnotruf. Weil der Mann aber bis Samstag nicht beim DRK meldet, dass alles in Ordnung ist, wird ein Rot-Kreuz-Helfer zur Adresse von Josef Hellinger geschickt. Als der DRK-Mann das Haus betritt, findet er die Leiche des Pensionärs.
Wo sind die Sparbücher?
Die Kripo rätselt, warum der 86-Jährige seinem Mörder die Tür geöffnet hat. Denn der Rentner galt als misstrauisch und verschlossen. Normalerweise macht der alte Mann unbekannten Besuchern nicht die Haustür auf. Das Wissen um den Grund für das Verhalten von Josef Hellinger am 15. August 2003 wäre wohl ein großer Schritt in Richtung Aufklärung. Doch es ist wie verhext. Es gibt zwar über 20 Hinweise von Nachbarn und Bekannten, aber keine Zeugen, die einen oder mehrere unbekannte Personen in den Abendstunden auf dem Anwesen von Hellinger beobachtet haben. Um alle in Frage kommenden Tatverdächtigen zu überprüfen, wird auch der Enkel des Mordopfers vernommen. Doch der junge Mann hat ein Alibi und mit dem Mord nachweislich nichts zu tun. Bei einem weiteren Tatverdächtigen endet mit der Vernehmung ebenfalls das Polizeigewahrsam. Auch er ist unschuldig, stellen die ermittelnden Beamten fest.
So hofft die Polizei auf andere Hinweise. Zum Beispiel auf Hinweise, die zu den geraubten Dingen aus dem Haus de Rentners stammen. Die gestohlenen Sparbücher von Josef Hellinger tauchen nicht wieder auf. Was der oder die Täter damit gemacht haben, ist unbekannt. Ob sie diese für sie wertlosen Unterlagen weggeworfen oder ob sie versucht haben, die Sparbücher weiter zu verhökern, ist weiterhin unklar.
Weil der Mordfall viele Rätsel birgt, die Ermittler aber nach wie vor nicht weiterkommen, wird die Belohnung von privater Seite von 5000 zwischenzeitlich auf stattliche 20 000 Euro erhöht.
Acht Jahre nach dem Mord an Josef Hellinger gibt es immer noch keine neue oder heiße Spur. Dennoch geben die Ermittler nicht auf. Sie hoffen, eines Tages den Täter überführen zu können.
Der letzte Besucher
Ähnlich brutal ist der Mord an der 69 Jahre alten Rentnerin Ingrid Zoll. Die Frau lebt in ihrem Haus an der Hainkopfstraße in Kelkheim-Eppenhain. Die Witwe wohnt seit dem Tod ihres Mannes alleine in dem stattlichen Anwesen. Die Nachbarn schildern sie als sehr nette und freundliche Frau. In der Nacht vom 13. auf den 14. August 2011 wird sie ermordet. Sie war vorher gefesselt und geknebelt worden. Außerdem weist die Leiche Verletzungen am Hals und am Kopf auf. Als Todesursache wird nach der Obduktion von den Medizinern Ersticken angegeben. Der Täter geht auf jeden Fall sehr brutal gegen sein Opfer vor. Auf welche Weise der oder die Täter in das Haus der 69-Jährigen gelangten, ist noch nicht ganz genau geklärt. Es gibt auf jeden Fall keine Ein- oder Aufbruchspuren an Türen oder Fenstern – ebenso also wie bei Mordfall Josef Hellinger.
Am Samstagabend war bei Ingrid Zoll eine Bridge-Runde zu Gast, die sie bewirtet. Was nach der Verabschiedung der Gäste gegen 23 Uhr geschah, weiß niemand. Als sich die Rentnerin am Sonntag nicht wie gewohnt bei Bekannten meldet, mit denen sie einen festen Termin vereinbart hatte, schauen diese bei ihr vorbei. Sie entdecken, dass die Haustür offen steht. Als sie in das Gebäude gehen, liegt Ingrid Zoll tot auf dem Boden.
Die Ermittler gehen auch in diesem Fall akribisch vor. Sie wollen herausfinden, was der Rentnerin geraubt worden ist. Doch der Versuch, eine genaue Aufstellung darüber anzufertigen, was der oder die Täter gestohlen haben könnten, ist nicht so einfach. Denn wenn es um finanzielle Dinge ging, war die Ermordete verschlossen. Auch ihren Bekannten gegenüber. Was sich alles an Wertgegenständen oder gar Bargeldbeständen im Haus von Ingrid Zoll befunden hat, kann mit letzter Sicherheit nicht herausgefunden werden.
Die Polizei hat nur dünne Hinweise. Einer davon beschäftigt sich mit der Beobachtung von Bewohnern, die am Tatabend einen circa 1,80 bis 1,85 Meter großen Mann in der Nähe des Hauses von Ingrid Zoll gesehen haben. Der Mann hatte kurze, dunkle Haare, trug dunkle Kleidung und trug eine Sporttasche bei sich. Gegen 21.50 Uhr soll dieser Mann in der Nähe des späteren Tatortes unterwegs gewesen sein. Einige Tage später werden Fahndungsplakate in der Region verteilt. Auf den Plakaten sind unter anderem das Foto des Mordopfers sowie verschiedene Angaben abgedruckt. Doch neue Hinweise, die zum Durchbruch in diesem Mordfall führen, gibt es nicht. So ist bisher nur Gewissheit, dass Ingrid Zoll noch lebte, als die Bridge-Runde ihr Haus verließ. Dies war nachweislich gegen 23 Uhr. Was danach in der Wohnung der allein lebenden Frau geschieht, konnte bis heute noch nicht aufgeklärt werden.
Weil dieser Mordfall – ebenso wie bei der brutalen Ermordung von Josef Hellinger vor über acht Jahren – noch viele Fragen aufwirft, setzte die Staatsanwaltschaft Frankfurt eine Belohnung von 5000 Euro für Hinweise aus, die zur Ergreifung des Täters führen.
Hinweise zu den beiden Mordfällen nimmt die Kriminalpolizei in Hofheim, Rufnummer (0 61 92) 96 52 92, entgegen.