Späte Sühne: Frauenmord ist nach 26 Jahren geklärt
Kein Opfer ist je vergessen - wie in der bekannten amerikanischen TV-Krimiserie "Cold Case" ließen auch die Ermittler in Niederösterreich in einem Mordfall um eine Witwe aus dem Jahr 1991 nicht locker. Mit Erfolg: 26 Jahre später sitzt nun ein Verdächtiger auf der Anklagebank! Der einstige Zusteller einer Bäckerei soll die damals 69-jährige alleinstehende Frau in ihrem Haus erschlagen und am Tatort dann Feuer gelegt haben.
Rückblick in den Juni 1991: Als eine besorgte Bekannte von Maria Hiesel das Haus Nummer 13 in der "Bonna" im niederösterreichischen Pressbaum betrat, roch es verbrannt. In der Küche prallte die Freundin entsetzt zurück: Auf der Sitzbank lag die Leiche der 69-Jährigen. Das Opfer hatte seinem Mörder die Türe geöffnet. Der Täter hatte die verwitwete Landwirtin zuerst besinnungslos gewürgt und dann mit einer Mineralwasserflasche erschlagen.
Der Fall "erkaltete" über die Jahre langsam. Doch die Mordermittler des Landeskriminalamtes Niederösterreich hatten das Opfer nie vergessen - jetzt, 26 Jahre danach, die späte Sühne! Wie Vizepräsidentin Andrea Humer vom Landesgericht St. Pölten der "Krone" bestätigte, geht der spektakuläre Mordprozess am Montag in einer Woche über die Bühne. Die Aufklärung des mehr als ein Vierteljahrhundert zurückliegenden Kriminalfalls liest sich in den Justizakten wie das Drehbuch einer "Cold Case"-Folge.
Fingerabdruck mit modernster Methode sichtbar gemacht
Spezialisten konnten einen Fingerabdruck auf einem Wasserglas mit modernsten fototechnischen Methoden praktisch wieder sichtbar machen. Beim Durchjagen durch den Computer dann ein Treffer: Ein heute 55-jähriger Österreicher war schon wegen diverser Delikte registriert. Mittlerweile arbeitslos und alkoholsüchtig, wurde der Obdachlose - er leugnet - verhaftet. Er hatte damals Maria Hiesel immer wieder mit Brot und Semmeln aus einer nahen Bäckerei beliefert, die Witwe war deshalb arglos, als ihr Killer anklopfte ...
"Ich dachte, der Täter wird nie gefasst"
Beim "Krone"-Lokalaugenschein deutet nichts mehr auf die Bluttat von 1991 hin: Haus 13, in dem Hiesel getötet wurde, ist längst abgerissen worden. Nur noch eine rüstige Pensionistin aus der Nachbarschaft erinnert sich an den Mord: "Ich dachte, dass der Täter nie gefasst wird."
Kein Beweis 18.12.2017 15:38 Prozess um Mord vor 26 Jahren endet mit Freispruch
Vor 26 Jahren wurde eine Witwe in ihrem Haus im niederösterreichischen Pressbaum ermordet. Am Montag stand nun ein Verdächtiger vor Gericht. Nachdem der Fall kürzlich aufgerollt wurde, geriet der Zusteller einer Bäckerei unter Verdacht. Der Fall schien geklärt. Im Prozess am Montag kam es jedoch zur überraschenden Wende: Der 55-Jährige wurde freigesprochen.
Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten vorgeworfen, im Juni 1991 die 69-Jährige in deren Haus in der "Bonna" getötet zu haben. Der Witwe wurde laut Sachverständigengutachten mit einer Mineralwasserflasche und mit einem Glas auf den Kopf geschlagen, zudem wurde sie gewürgt. Sie erstickte an ihrem Erbrochenen. Außerdem soll das Haus erfolglos nach Wertsachen durchsucht worden sein. Dann wurde versucht, in mehreren Räumen Feuer zu legen, das aufgrund von Sauerstoffmangel jedoch erlosch.
Eine Zeugin, die die Witwe damals jeden zweiten Tag besucht und sich auch um die Katze der 69-Jährigen gekümmert hatte, hatte das Opfer tot aufgefunden. Der heute 67-Jährigen war ein an der Schnalle des Hauseingangs hängendes Sackerl aufgefallen. Daher sperrte sie die Tür mit einem Schlüssel auf, den sie seit einem Krankenhausaufenthalt der Witwe hatte. "Die Wände waren schwarz vor Ruß und sie ist in der Küche gelegen", sagte die Frau.
Fingerabdruck auf Trinkglas belastete Zusteller
Im Zuge von Cold-Case-Ermittlungen hatte die Auswertung eines Fingerabdrucks auf einem am Tatort sichergestellten Trinkglas aufgrund eines Datenbanktreffers zum 55-Jährigen geführt. Der Mann, der als letzte Wohnadresse eine Obdachlosenunterkunft in Wien angab, wurde heuer festgenommen.
Der Beschuldigte war 1991 bis Ende März als Zusteller einer Bäckerei tätig gewesen und hatte die Witwe regelmäßig beliefert. Die Frau habe ihn einige Male bewirtet, sagte der 55-Jährige aus. Später habe er die 69-Jährige nicht mehr aufgesucht. Der Angeklagte bekannte sich nicht schuldig - zum Tatzeitpunkt hatte er seinen Angaben zufolge wie immer zu Hause auf seine Tochter aufgepasst.
Das Glas sowie die Flasche wurden inzwischen vernichtet. Auf dem Heurigenglas wurde ein verwertbarer Fingerabdruck gesichert - dieser stammte vom rechten Zeigefinger des Angeklagten, führte der Gutachter aus. Wann die Spur entstanden war, ließ sich nicht feststellen. Danach sei das Glas nicht mehr gewaschen worden, so der Sachverständige.
Abdruck eindeutig beim Trinken entstanden
Anhand von damals angefertigten Fotos wurde während der Gerichtsverhandlung auch rekonstruiert, wie der 55-Jährige das Glas gehalten hatte, als der Abdruck entstand. Das Ergebnis war, dass es in normaler Trinkhaltung ergriffen wurde. Verteidiger Anton Hintermeier meinte im Schlussplädoyer, es sei nicht unwahrscheinlich, dass der Fingerabdruck über Monate auf dem Glas geblieben sei. Er beantragte einen Freispruch.
Nach kurzer Beratung entschieden die Geschworenen einstimmig auf Freispruch. Der Staatsanwalt verzichtete auf Rechtsmittel, somit ist das Urteil rechtskräftig.