Schwere Vorwürfe erhebt die Volksanwaltschaft gegen die Verantwortlichen einer Wohngemeinschaft im burgenländischen Bezirk Neusiedl am See. Ältere Jugendliche sollen mehrfach jüngere Kinder sexuell belästigt haben. In dem Bericht ans Land ist von inakzeptablen Zuständen die Rede. Das Landeskriminalamt ist eingeschaltet.
"Die Einrichtung scheint mit der Aufgabe der Betreuung, Versorgung und dem Schutz der Kinder völlig überfordert zu sein", so Volksanwalt Günther Kräuter. Bei einer unangekündigten Überprüfung der Wohngemeinschaft hätten die befragten kleineren Kinder unter Tränen gebeten, die Einrichtung verlassen zu dürfen, und zum Teil von Übergriffen älterer Kinder und einem Klima der Angst berichtet.
Jüngere Mädchen und Buben belästigt
Die Vorwürfe von Kräuter sind massiv. Denn obwohl die Bezirkshauptmannschaft und das Land von den Missständen gewusst hätten - ganz konkret von einem 15-Jährigen, der immer wieder jüngere Mädchen und Buben sexuell belästig habe - sei nichts unternommen worden. "Dass jetzt endlich am 1. Dezember der Bursche in eine andere Einrichtung verlegt werden soll, ändert nichts an dem Behördenversagen", ist der Volksanwalt empört.
Dem widerspricht nun die leitende Sozialarbeiterin im Land, Bettina Horvath: "Es sind von den Behörden bereits vor einiger Zeit Schritte unternommen worden, um die offenbar auftretenden grenzüberschreitenden Handlungen der Jugendlichen zu beenden. Natürlich hat uns der Bericht der Volksanwaltschaft sehr betroffen gemacht."
"Fehler in der Betreuung unterlaufen"
Im Auftrag des zuständigen Landesrates, Norbert Darabos, werden durch die Abteilung für Soziales weiterhin alle notwendigen Maßnahmen gesetzt, um die betroffenen Kinder vor weiteren Übergriffen zu schützen. "Zur Klärung der im Raum stehenden Vorwürfe, wonach seitens der Betreiber der Wohngemeinschaft Fehler in der Betreuung und Beaufsichtigung der Jugendlichen unterlaufen sind, arbeiten die Sozialarbeiter und Juristen des Landes intensiv mit dem Landeskriminalamt zusammen, das derzeit in dieser Angelegenheit ebenfalls ermittelt", so Horvath.
Die Sozialarbeiterin weist zudem darauf hin, dass es bei vorangegangenen Überprüfungen der Wohngemeinschaft bis Juni 2016 keine Beanstandungen gegeben habe. Jetzt habe der Schutz der betroffenen Kinder für alle Beteiligten aber oberste Priorität.
Nachdem erst Ende November ein Sex-Skandal rund um ein Kinderwohnheim im Burgenland aufgeflogen war, sieht sich nun auch eine Jugendwohneinrichtung in Niederösterreich mit Vorwürfen konfrontiert. In der Wohngemeinschaft im Bezirk Krems-Land soll es zu "Selbstmord-Versuchen, Sexualdelikten, Sachbeschädigungen, Körperverletzungen und Diebstählen" gekommen sei. Jeder Vorwurf werde geprüft, so Landesrat Franz Schnabl (SPÖ).
Das Nachrichtenmagazin "profil" berief sich auf ein ihm vorliegendes Schreiben des örtlichen Polizeiinspektors an die Bezirkshauptmannschaft Krems. 2016 habe die Polizei 33 Mal in das Heim mit sechs Kindern und Jugendlichen ausrücken müssen. Der Träger, Therapeutische Gemeinschaften (TG), wollte auf die 33 polizeilichen Maßnahmen aus "datenschutzrechtlichen Gründen" nicht näher eingehen.
Ermittlungen mit "Akribie und Gewissenhaftigkeit"
Bisher hatten Jugendliche und ehemalige TG-Mitarbeiter öffentlich von Erniedrigungen durch Betreuer berichtet. Alle angeblichen Missstände sollen von einer vor wenigen Tagen eingerichteten Sonderkommission untersucht werden. "Egal welche Vorwürfe im Raum stehen, jedem einzelnen wird mit 100 Prozent Akribie und Gewissenhaftigkeit nachgegangen", erklärte Landesrat Schnabl am Samstag. Jeder einzelne Missstand werde abgestellt und verfolgt werden. Ein Zwischenbericht der Sonderkommission soll laut Schnabl voraussichtlich am 18. Dezember präsentiert werden.
Beschwerde-Hotline eingerichtet
Schnabl verwies auch auf die neu eingerichtete Hotline für Beschwerden im Zusammenhang mit privaten Einrichtungen der vollen Erziehung der Kinder- und Jugendhilfe. Diese ist seit Donnerstag unter der Nummer 0800/100 353 werktags von 8 bis 17 Uhr erreichbar.
Konnte Beamtin keinen Termin anbieten?
Laut "profil" soll sich zudem ein hochrangiger Ex-Mitarbeiter der TG im Spätsommer 2016 mit einem E-Mail an eine Beamtin der zuständigen Abteilung des Landes Niederösterreich gewandt haben und von seiner Kündigung bei der TG berichtet haben: "Ich konnte für mich die Reißleine ziehen, lasse aber Kinder und einen Berg an ungelösten Problemen und nicht korrekten Vorgängen zurück", schrieb er in dem E-Mail. Der Mann wollte demnach seine Beobachtungen der Kinder- und Jugendaufsicht persönlich vorbringen. Die Beamtin soll geantwortet haben, sie könne ihm "leider keinen Gesprächstermin anbieten".