Weyarn - Der Prozess um den Tod der zehnjährigen Ursula Herrmann hat das schreckliche Verbrechen an Karin Würz vor 39 Jahren in Erinnerung gerufen. Möglicherweise gibt es eine Verbindung zwischen den Fällen. Der Mörder der 18-Jährigen ist bis heute nicht gefasst.
Dort, wo ein Urlauberpaar am 3. Juni 1970 die geschundene, fast nackte Leiche von Karin Würz gefunden hat, wuchert noch heute Gestrüpp. Rund um den Pfeiler der Autobahnbrücke Weyarn (Landkreis Miesbach), neben dem die Tote mit 30 Messerstichen lag, hat sich in 39 Jahren kaum etwas verändert. So wenig, wie sich in all den Jahren bei den Ermittlungen getan hat. Bis heute ist der Mord an der Sekretärin aus München ungeklärt. Ein Verbrechen, das beinahe in Vergessenheit geraten ist.
Nun sorgen Werner M.s Verteidiger im Prozess um Ursula Herrmanns Tod dafür, dass der Fall Würz wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerät. Wie berichtet, haben die Anwälte Walter Rubach und Wilhelm Seitz im Prozess vor dem Landgericht Augsburg beantragt, Gen-Spuren auf Asservaten des Falls Würz auszuwerten und mit der vorhandenen DNA des Ex-Polizisten Harald W. zu vergleichen.
Den 1995 verstorbenen Harald W. halten Rubach und Seitz für einen möglichen Täter: Nicht nur im Fall der zehnjährigen Ursula aus Eching am Ammersee (Landkreis Landsberg), die am 15. September 1981 entführt wurde und in einer im Waldboden eingelassenen Holzkiste erstickte, sondern auch im Fall Karin Würz. Sie soll eine intime Beziehung zu Harald W. gehabt haben. Angeblich aber hatten seine damaligen Kollegen von der Polizei sich nicht allzu viel Mühe damit gegeben, sein wackeliges Alibi zu überprüfen.
Andere Bekannte von Karin Würz schieden nach und nach als Täter aus. Doch der große Bekanntenkreis des Opfers erschwerte die Suche. „Wird ein Bekannter vernommen, weiß er dutzendweise Adressen von anderen Freunden des lebenslustigen Mädchens“, schrieb etwa die tz im Juni 1970. Und die Polizei erklärte damals: „Der Bekanntenkreis von Karin Würz geht quer durchs Münchner Branchenverzeichnis!“ Eine Freundin verriet: „Karin vertraute sich praktisch jedem an. Sie war unglaublich naiv und vermutete bei niemandem etwas Böses.“ Doch sie sei nicht mit jedem intim geworden, wusste außerdem ein Freund zu berichten.
Als die Polizei am 3. Juni 1970 von der Toten unter der Mangfallbrücke erfuhr, ging es zunächst nicht um die Suche nach dem Täter. Zuerst mussten die Beamten die Identität des Opfers klären. Dies gelang durch Zeitungsberichte mit einem Foto der Leiche. Der Münchner Merkur berichtete damals: „Von einem Arbeitskollegen war der Vater der Ermordeten auf die Presseveröffentlichung hingewiesen worden. Kurze Zeit später waren sich die Eltern sicher: ,Das abgebildete Mädchen ist unserer Tochter’.“
Vermisst hatten die beiden Karin Würz zunächst nicht. Denn die Tochter lebte nicht mehr bei ihren Eltern. Bis Mai hatte sie in einem Apartment an der Aidenbachstraße in Solln gewohnt. Dort kündigte sie, nachdem sie die Frau eines ihrer Intimpartner dort aufgesucht und bedroht hatte. Nach ihrem Auszug lebte Karin Würz bei einem jungen Mann in Milbertshofen. Dieser hatte ein Alibi für die Tatzeit.
Ermordet wurde Karin Würz offenbar am 1. Juni. Am Abend zuvor hatte die sehr lebenslustige, junge Frau noch ausgiebig gefeiert. Gegen 21 Uhr hatte sie sich am Münchner Hauptbahnhof von einem befreundeten Pärchen verabschiedet. Bis fünf Uhr morgens jedoch soll sie sich in Gesellschaft auf einer Party befunden haben. Traf sie dort auf ihren Mörder?
Augsburg/Eching – lm Prozess um die Entführung und den Tod der kleinen Ursula Herrmann haben die Verteidiger des angeklagten Werner M. erneut einen verstorbenen Ex-Polizisten als möglichen Täter benannt. Denn dieser habe womöglich auch mit dem gewaltsamen Tod seiner Geliebten 1970 zu tun.
Einmal mehr versuchen Werner M.s Verteidiger im Prozess vor dem Landgericht Augsburg, den Verdacht von ihrem Mandanten und dessen Frau Gabriele – angeklagt wegen Beihilfe – abzulenken. Nicht Werner M. habe 1981 die damals zehnjährige Schülerin Ursula Herrmann aus Eching am Ammersee (Landkreis Landsberg) entführt und in einer im Waldboden eingelassenen Holzkiste ersticken lassen, sondern ein anderer. Vermutlich Harald W., ein inzwischen verstorbener Polizist, den die Verteidiger Walter Rubach und Wilhelm Seitz schon mehrfach als Hauptverdächtigen angeführt haben.
Nun bringen sie den Mann auch mit einem anderen Verbrechen in Verbindung: 1970 wurde Karin Würz, die 18 Jahre alte Stieftochter eines Münchner Polizisten und angeblich die Geliebte des Polizisten Harald W., ermordet. Am 3. Juni, einem Mittwoch, entdeckte ein Urlauber-Ehepaar gegen 19 Uhr die blutverschmierte Leiche der Münchner Sekretärin hinter einem Busch unter der Autobahnbrücke Weyarn (Landkreis Miesbach). Der nackte Körper unter einem dunkelblauen Popelinemantel war durch unzählige Messerstiche entstellt.
Den Ermittlungen zufolge handelt es sich bei dem Fundort nicht um den Tatort. Offenbar wurde Karin Würz bereits am 1. Juni ermordet. Vermutlich sei die Frau an einem Genickbruch gestorben, berichtet Verteidiger Rubach außerdem. Die Messerstiche sollen Karin Würz post mortem zugefügt worden sein, unter anderem im Brust- und Genitalbereich – vielleicht, um eine Sexualstraftat vorzutäuschen.
Bis heute ist der Fall Würz ungeklärt. Die Polizei hatte damals eine Parallele zum Mord an dem 21 Jahre alten Call-Girl Karoline Maschkowa gezogen. An beide Leichen fände sich die Handschrift eines Sadisten, eines bestimmten Täter-Typs, wenn nicht sogar desselben Täters, hieß es.
Verteidiger Rubach denkt an Harald W., ein Polizist, der gerne Stadtstreicher quälte, ihre Köpfe zu seiner Belustigung unter Wasser getaucht haben soll. Außerdem habe sich der Geliebte von Karin Würz damals auffällig für die Mangfallbrücke und deren Umgebung interessiert. Ein ehemaliger Ermittler habe sogar behauptet: Das Alibi des Polizisten Harald W. genauer zu überprüfen, das hätten dessen Kollegen unterlassen. Eben diese Kollegen hätten später auch den Fall Herrmann „vergeigt“, meint der Kriminaler.
Rubach hat nun beantragt, noch vorhandene Spuren zum Fall Karin Würz auf Gen-Material zu untersuchen und dieses mit den DNA-Spuren von Harald W. zu vergleichen. Der Polizist habe damals „möglicherweise einen Mord begangen“. Dies sei bedeutend für den Fall Herrmann, denn auch für dieses Verbrechen käme Harald W. in Frage.
Beim Angeklagten Werner M. jedenfalls wertet die Staatsanwaltschaft den „groben Charakter“ als wesentlichen Bestandteil ihrer Indizienkette, moniert Rubach. Wie berichtet, hatte Werner M.s Ex-Frau den Angeklagten als grausamen Tierquäler beschrieben: Ihr Ex-Mann habe einmal den Hund in eine Gefriertruhe gesperrt, in der das Tier verendet sei. Werner M. hatte sich darüber geärgert, dass „Susi“ in der Küche den Abfalleimer durchwühlt hatte.
Freilich gibt es mehr, das für Werner M. als möglichen Täter im Fall Herrmann spricht. Etwa seine desolate finanzielle Situation. Allein in den Jahren 1979 bis 1981 liefen fast 30 Vollstreckungsverfahren gegen ihn. Von gut 150 000 Mark Schulden ist die Rede.
Ein sehr belastendes Indiz, wie die Augsburger Staatsanwaltschaft meint. Denn immerhin hatten die Entführer von Ursula Herrmann nach deren Verschwinden am 15. September 1981 von deren Eltern zwei Millionen Mark Lösegeld gefordert, sich dann aber nicht mehr gemeldet. Anfang Oktober wurde die Zehnjährige im Wald bei Eching gefunden. Das Mädchen war in ihrem Kistengrab erstickt. Der Prozess gegen Werner M. geht im Mai weiter.