Zahlen haben sich verfünfacht Immer mehr Sex-Attacken am Kölner Neumarkt Von Adnan Akyüz Oliver Meyer
08.11.17, 09:49 Uhr
Es ist eine spürbare Angst und Unsicherheit, die die Kölner an einigen Brennpunkten spüren. Das subjektive Gefühl deckt sich jedoch nicht immer mit den tatsächlichen Zahlen der Kriminalitätsstatistik.
Denn nach dieser ist die Stadt seit den Vorfällen an Silvester 2015 insgesamt etwas sicherer geworden. Aber: Am Neumarkt ist eine gegenläufige Entwicklung zu beobachten: Die Sex-Attacken nehmen zu.
Immerhin: Bislang gab es bei der Polizei keine sogenannten Angsträume. Jedoch, so Polizeisprecher Lutz Flaßnöcker: „Wir haben im Zuständigkeitsbereich der Polizei für Köln und Leverkusen Örtlichkeiten identifiziert, an denen die Wahrscheinlichkeit künftiger strafbarer Handlungen besonders hoch ist.“
Brennpunkte: Ebertplatz, Dom, Eigelstein, Ringe
Die sind vor allem der Ebertplatz, das Dom-Umfeld (Roncalliplatz), Breslauer Platz, Wiener Platz, Eigelstein, Ringe oder Brüsseler Platz.
Nach den Silvestervorfällen vor zwei Jahren hatte der damals neue Polizeipräsident Jürgen Mathies mit massiven Kräften für deutlich mehr Sicherheit in der Stadt gesorgt.
Auch sein Nachfolger Uwe Jacob fährt diese Linie. Jedoch gibt es inzwischen zu viele Brennpunkte, an denen Polizei benötigt wird.
Probleme vom Rheinboulevard verlagerten sich
Beispiel: Im Sommer war plötzlich der Rheinboulevard ein Brennpunkt für nordafrikanische Taschendiebe. Zig Körperverletzungsdelikte wurden angezeigt. Polizei und Stadt gingen rigoros gegen die Szene vor, die daraufhin verschwand.
Ein Beamter erklärt: „Egal, wo wir ansetzen, wir verdrängen die Täter nur. Denn die wenigsten landen dann hinter Gitter. Wir müssen also ständig im Auge haben, wo sich ein neuer Brennpunkt bildet.“ Und nicht immer kann man sagen, wie es zum Anstieg der Fallzahlen kommt.
Geändertes Anzeigeverhalten?
Beispiel: Der Neumarkt. Nach diversen Aktivitäten der Polizei haben naturgemäß die festgestellten Zahlen der Drogendelikte zugenommen. Warum die Sexualdelikte um das Fünffache im Vorjahreszeitraum gestiegen sind, ist aber unklar.
Vermutung der Polizei: Immer mehr Frauen erstatten Anzeige, wenn sie belästigt werden.
Ein Blick auf die Kölner Brennpunkte
Wiener Platz in Mülheim Am Wiener Platz sind bis auf die Drogendelikte und bei Wohnungseinbruchdiebstahl (drei Fälle im gesamten Jahr 2017) alle Zahlen rückläufig. Markant ist lediglich der Rückgang beim Autodiebstahl (Rückgang um 50 %). Die dortige Szene sorgt jedoch für Angst.
Kalk: Mehr Drogendelikte
In Kalk decken sich die Zahlen aus 2017 mit denen aus dem Vorjahr, wobei ein leichter Anstieg zu verzeichnen ist. Dies vor allem bei den Sexualdelikten und beim Taschendiebstahl. Mehr Kontrollen sorgen auch für gestiegene Zahlen bei den Drogendelikten.
Ebertplatz
Anstieg der Straftaten bei Körperverletzungs-, Sexual- und Drogendelikten. Rückgang nur bei Diebstahlsdelikten.
Lisa stoppt Vergewaltiger
Lisa S. (26) kennt offenbar keine Angst: Auf dem Weg zur Arbeit beobachtete die Kölnerin am 12. August um kurz nach 6 Uhr, wie ein Mann auf der Johannisstraße in der Innenstadt eine Frau vergewaltigen wollte. Ihre blitzschnelle Reaktion verhinderte Schlimmeres.
„Ich habe eine Frau laut Schreien gehört, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte. Ich habe den Mann angeschrien, die Frau loszulassen. Dann bin ich sofort in mein Büro gelaufen, um Hilfe zu holen. Während meine Kollegen den Täter festhielten, habe ich die Polizei gerufen“, berichtete sie.
Der einschlägig vorbestrafte Mann konnte durch ihre Hilfe festgenommen und in U-Haft geschickt werden. Für ihren mutigen Einsatz erhielt sie mit acht weiteren Bürgern, die bei anderen Straftaten der Polizei geholfen hatten, eine Urkunde von Polizeipräsident Uwe Jacob (61). Er bedankte sich bei den Bürgern für ihr vorbildliches Handeln. Polizei bittet um Mithilfe Der Polizei-Chef kritisierte aber eine „Unkultur des Wegschauens“ in der Gesellschaft. Er stellte klar: „Wir sind auf die Hilfe der Bürger angewiesen. Wählen Sie die 110, wenn sie eine Straftat sehen.“ Und: „Stellen Sie sich mal vor, Sie sind selbst in einer Notsituation und alle schauen weg.“