30 Jahre nach der Tat – Kripo Aschaffenburg klärt Sexualverbrechen und Mordversuch 24. Oktober 2017
Knapp 30 Jahre nach der Tat ist es Kripo und Staatsanwaltschaft gelungen, ein schweres Gewalt- und Sexualverbrechen zum Nachteil einer damals 22-Jährigen aufzuklären. Der 55-jährige Tatverdächtige sitzt seit Montag in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen, ob der Beschuldigte auch für weitere Sexual- oder Gewaltstraftaten in Betracht kommen könnte, dauern noch an.
Die Tatsache, dass Mord strafrechtlich nicht verjährt, ist auch für die Ermittler der Kripo Aschaffenburg immer wieder Anlass für sogenannte „Cold Case“ Ermittlungen. Dabei geht es darum, die Unterlagen und Beweismittel dieser zum Teil Jahrzehnte zurückliegenden Fälle immer wieder einer neuen Betrachtung zu unterziehen, um neue Ermittlungsansätze zu gewinnen. Regelmäßig werden im Zuge dessen auch Asservate erneuten Spurensicherungsmethoden nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft unterzogen.
So nahmen sich Anfang Januar 2015 Beamte der Kripo Aschaffenburg in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg eines ungeklärten Sexual-und Gewaltverbrechens aus dem Jahr 1988 erneut an:
An jenem Montag, den 04. Januar 1988, hatte eine damals 22-Jährige aus dem Raum Offenbach eine Diskothek in der Aschaffenburger Innenstadt besucht. Als sie gegen 02.00 Uhr das Lokal verlassen hatte und in ihren in der Heinsestraße geparkten Mitsubishi einsteigen wollte, wurde sie von dem Täter mit einem Stichwerkzeug bedroht und überwältigt. Der Mann zwang die junge Frau in der Folge in ein abgelegenes Waldstück in Richtung Haibach zu fahren. Dort vergewaltigte sie der Täter über mehrere Stunden und stach letztlich mit einem Stichwerkzeug mehrfach auf sie ein. Sich des Todes der Frau sicher, verscharrte er das Opfer oberflächlich und flüchtete mit deren Pkw.
Die 22-jährige Schwerstverletzte rettete sich zur Haibacher Straße und wurde dort kurz nach 05.00 Uhr von einem Autofahrer gefunden. Sie wurde in eine Klinik eingeliefert, notoperiert und überlebte das Kapitalverbrechen nur knapp. Der Aufenthalt dauerte mehrere Wochen. Die Kriminalpolizei Aschaffenburg übernahm die weiteren Ermittlungen.
Unverzüglich war eine Großfahndung mit zahlreichen Einsatzkräften eingeleitet worden. Mit Hochdruck fahndete die Polizei nach dem Tatverdächtigen, der auf circa 25 Jahre geschätzt worden war. Außerdem suchte man unter anderem am Tatort, im Wald am Hasenkopf, intensiv nach den Kleidungsstücken und anderen verschwundenen Gegenständen des Opfers. Am Morgen des Tattags, gegen 10.30 Uhr, konnte der Mitsubishi der Frau am Wittelsbacher Ring sichergestellt werden.
Trotz intensiver Fahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen gelang es der Sonderkommission damals nicht, einen Tatverdächtigen zu ermitteln. Zahlreiche Presseveröffentlichungen, u.a. mit einem Phantombild und der Auslobung von 5.000 DM, führten zwar zu mehreren Hinweisen, jedoch keinem entscheidenden. Auch Anwohnerbefragungen im Bereich der Heinsestraße und das Verteilen von Flugblättern in über 40 Gaststätten verliefen ergebnislos. Letztlich musste das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Aschaffenburg zunächst wegen unbekannter Täterschaft eingestellt werden.
Die äußerst brutale Vergewaltigung und der Mordversuch ließen die Ermittler allerdings – wie in allen noch ungeklärten Verbrechen – nicht ruhen. So schließt sich der Kreis wieder zur Gegenwart:
Auch mit Unterstützung der Operativen Fallanalyse (OFA Bayern) und des Bayerischen Landeskriminalamtes wurde der Fall erneut aufgerollt. Letztgenannte führten umfangreiche und intensive Nachuntersuchungen von Asservaten hinsichtlich DNA-Spuren durch. Tatsächlich erhärtete das Ergebnis dieser Untersuchungen dann den dringenden Tatverdacht gegen den jetzt 55-Jährigen mit Wohnsitz im Landkreis Aschaffenburg.
Auf Grundlage der Ermittlungen der 15-köpfigen Ermittlungskommission „Hasenkopf“ beantragte die Staatsanwaltschaft Aschaffenburg am 19.10.2017 einen Untersuchungshaftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts des versuchten Mordes. Der Tatbestand der Vergewaltigung ist zwar seit 2008 verjährt, kann aber sehr wohl im Falle einer Verurteilung wegen Verdeckungsmordes bei der Strafzumessung berücksichtigt werden.
Am 22.10.2017 wurde der Beschuldigte im Rahmen einer Durchsuchungs- und Verhaftungsaktion, an der neben zwei leitenden Staatsanwälten über 35 Polizeibeamte teilnahmen, aufgrund des erwirkten Haftbefehls in seiner Wohnung widerstandslos festgenommen und in einer Haftzelle untergebracht. Gesprächsweise räumte er gegenüber dem Leitenden Oberstaatsanwalt die Vergewaltigungstat ein, nicht aber den versuchten Mord. Zu einer förmlichen Beschuldigtenvernehmung war er nicht bereit.
Am 23.10.2017 wurde der Beschuldigte dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Aschaffenburg vorgeführt, der die Aufrechterhaltung des Haftbefehls wegen versuchten Mordes anordnete. Bei der Haftbefehlseröffnung machte der nunmehr durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschuldigte keine Angaben zur Sache.
Der 55-Jährige ist bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten. So wurde er im Jahr 2005 vom Amtsgericht Aschaffenburg wegen Vergewaltigung, versuchter sexueller Nötigung und Körperverletzung zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt, die er nach Bewährungswiderruf bis zum 10.06.2008 verbüßte. Seitdem ist er wegen Eigentumsdelikten und Sachbeschädigung verurteilt worden.
Die Ermittlungen, auch ob der 55-Jährige für weitere bislang nicht aufgeklärte Sexualstraftaten und Tötungsdelikte als Täter in Frage kommt, dauern an. Diesbezüglich werden auch nach der Verhaftung des Tatverdächtigen sichergestellte mögliche Beweismittel überprüft.
(Quelle: Polizeipräsidium Unterfranken)
Admin und Foren Moderatorin Hinweise zu den hier aufgeführten Fällen bitte an die zuständige Polizeidienststelle
Danke @Christine, dass Du den Fall gepostet hast. Ich habe vorhin im Auto im BR1 von dem Fall gehört, und dachte: klasse Arbeit der bayerischen Ermittler, die nicht aufgegeben haben.
Der Fall passierte 1988. Im Januar 2015 nahmen sich die Beamten den Fall erneut vor. Asservate wurden auf DNA-Spuren untersucht und man wurde fündig.
Der TV stand im Jahr 2005 wegen Vergewaltigung, versuchter sexueller Nötigung und Körperverletzung vor Gericht und verbüßte daraufhin seine Strafe bis 2008 im Gefängnis.
"Die DNA-Analyse-Datei wurde 1998 geschaffen, nachdem mit Hilfe der DNA-Analyse verschiedene Sexualmorde aufgeklärt werden konnten. Die DNA-Analyse-Datei ist Teil des zentralen Informationssystems der Polizei (INPOL) [Link zu Unsere Aufgaben – Ermittlungsunterstützung – Elektronische Fahndungs- und Informationssysteme]. Das heißt, sie steht allen deutschen Polizeibehörden zu Verfügung. Gespeichert werden Daten von Beschuldigten, Verurteilten und am Tatort aufgefundenes Spurenmaterial." https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Erm...alyse_node.html
Für mich sieht das so aus, als ob man sehr viel schneller den Schuldigen aus 1988 hätte festnehmen können. Aber gut, dass man ihm noch auf die Spur gekommen ist.
Zitat von MissMillLeider kommt von mir etwas Kritik.
Der Fall passierte 1988. Im Januar 2015 nahmen sich die Beamten den Fall erneut vor. Asservate wurden auf DNA-Spuren untersucht und man wurde fündig.
Der TV stand im Jahr 2005 wegen Vergewaltigung, versuchter sexueller Nötigung und Körperverletzung vor Gericht und verbüßte daraufhin seine Strafe bis 2008 im Gefängnis.
Für mich sieht das so aus, als ob man sehr viel schneller den Schuldigen aus 1988 hätte festnehmen können. Aber gut, dass man ihm noch auf die Spur gekommen ist.
Ich stimme Dir absolut zu. Offenbar gibt es keinen automatischen Abgleich, der viel früher zu dem Täter hätte führen können. Und offenbar werden Asservate aus Geld- und Zeitmangel nicht immer auf DNA-Spuren untersucht.
Da müsste ein Staat mal etwas Geld in die Hand nehmen, um es sinnvoll einzusetzen.