Im März 1996 verschwand der 17-jährige Nicky Kobach aus Altenberg. Lebt er heute illegal als Graffiti-Künstler?
Von Thomas Schade
Als Heidemarie Kobach am 28. März 1996, einem Donnerstag, von der Arbeit kommt, ist ihr Sohn gerade aus der Badewanne gestiegen und hängt über den Schulbüchern. Der 17-Jährige besucht das Gymnasium und büffelt für eine Deutsch-Klausur. Die vierköpfige Familie lebt in Altenberg in einem der Neubaublöcke der Erzgebirgsstadt. Gegen 18.30 Uhr sagt Nicky zu seiner Mutter: „Tschüss, ich bin in zwei Stunden wieder da.“ Der junge Mann mit dem schmalen Gesicht, dem spitzen Kinn und den schulterlangen Haaren verlässt die Wohnung und nimmt keinen Ausweis mit, kein Geld, keine Klamotten. Aber es ist das letzte Mal, dass die Mutter ihren Sohn sieht. Der junge Mann verschwindet über Nacht. Seine Familie hat bis heute kein Lebenszeichen von ihm.
Als der 17-Jährige in der Nacht nicht wieder heimkommt, rufen die Eltern den Freund an, zu dem er wollte. Doch der hat Nicky an diesem Abend nicht gesehen. Nachdem feststeht, dass ihr Sohn auch keinen anderen seiner Freunde besucht hat, wenden sich Kobachs an die Polizei. Die Beamten leiten eine Fahndung ein, suchen das Gebiet um Altenberg den Tag danach mit einem Hubschrauber ab – erfolglos.
Für die Polizei ein Rätsel
Für die Polizei ist das Verschwinden von Nicky Kobach bis heute ein Rätsel. Zunächst tauchte die Vermutung auf, der Teenager sei ausgerissen. Er wirkte reifer als viele seiner Mitschüler, man hätte sein Alter auf 20 getippt. Aber warum sollte der Junge abhauen? Die Schule fiel ihm relativ leicht, er lernte nebenbei Keyboard zu spielen und hatte sich dem Graffiti verschrieben. In der Sprayer-Szene besaß er schon einen Namen, sein Zimmer hatte er in einen fantasievollen Farbtempel verwandelt. War Nicky in der Graffiti-Szene untergetaucht?
Dann wäre er an einem Winterabend bei Schnee, Eis und Kälte nicht ohne Jacke, Rucksack, Geld und Papiere verschwunden, glauben die Eltern. Nicky trug lediglich Halbschuhe, blaue Jeans und ein dunkelgrünes Kapuzenshirt.
Die Polizei fand heraus, dass Nicky kurz vor seinem Verschwinden mit einer Bekannten telefoniert hatte. Er habe die Schnauze voll und müsse irgendwo abtauchen, soll er ihr gesagt haben. Doch damit verliert sich seine Spur. Ein Hinweis, wonach Nicky auf Teneriffa als Hütchenspieler gesehen wurde, lief ins Leere. Alle Ausweise des jungen Mannes, der heute 29 Jahre alt wäre, sind abgelaufen. Offiziell gibt es den Verschwundenen nicht mehr. Doch daran wollen seine Eltern nicht glauben.