Manfred Schweidler 06. April 2015 16:20 Uhr Aktualisiert am: 06. Juli 2017 15:56 Uhr
Erstochen nach dem Kinobesuch: Die Leiche der 24-jährigen Eveline Höbler wurde 1986 von einem Spaziergänger am Rand von Veitshöchheim gefunden. Eine genetische Spur wurde gesichert. Eveline Höbler: Warum musste diese junge Frau in Veitshöchheim sterben? In den letzten Sekunden ihres Lebens muss Eveline Höbler bewusst geworden sein: Manchmal ist die Wirklichkeit furchtbarer als jeder Film. Die 24-Jährige aus Veitshöchheim (Landkreis Würzburg) hatte sich an jenem Donnerstagnachmittag mit einer Freundin getroffen – im Bavaria-Kino in Würzburg. „Quatermain“ hatten die beiden an jenem 24. Januar 1986 gesehen, eine abenteuerliche Action-Klamotte mit teilweise bizarren Gewaltdarstellungen. Dass Eveline Höbler wenig später im wirklichen Leben ihr Mörder auflauern und wie ein Verrückter auf sie einstechen würde, ahnte die allein lebende junge Frau da noch nicht.
Am Würzburger Hauptbahnhof hatte sie sich gegen 20 Uhr von ihrer Freundin getrennt. Eveline Höbler bestieg um 20.40 Uhr den 19er Bus, der zuerst in Veitshöchheim Fahrgäste absetzt und dann über die Balthasar-Neumann-Kaserne auf der Höhe über dem Maintal weiterfährt nach Güntersleben. Was in den nächsten 20 Stunden geschah, gibt der Kripo bis heute Rätsel auf. Am Freitagmorgen wurde Eveline Höbler an ihrem Arbeitsplatz in einer Schokoladenfabrik zunächst nicht vermisst. Sie hatte sich zwar nicht entschuldigt, aber in den Tagen zuvor über Zahnschmerzen geklagt. Ihre Arbeitskollegen gingen davon aus, dass sie einen Zahnarzt aufgesucht hatte.
Am oberen Ortsrand von Veitshöchheim auf dem Hügel über dem Maintal schmiegt sich die Bundeswehrkaserne zwischen ein Gewerbegebiet und den Waldrand. Ein Weg, den eigentlich nur Ortskundige kennen, führt am Ende des Gewerbegebietes einige Hundert Meter am Kasernenzaun entlang und dann am Waldrand den Hügel hinab in Richtung Waldschenke und Oberdürrbacher Tennisanlage.
Spaziergang mit Schrecken
Jogger waren hier unterwegs, der eine oder andere Angetrunkene, der vom Sportheim in Oberdürrbach auf dem „Promillepfädle“ den Heimweg nach Veitshöchheim abkürzte – und gelegentlich auch Liebespaare, die hier eine diskrete Stelle für ein Schäferstündchen fanden. Auf jenem Weg war am Freitagnachmittag gegen 16.45 Uhr auch ein Spaziergänger mit seinem Hund unterwegs. An einer verborgenen Stelle direkt am Kasernenzaun machte er eine furchtbare Entdeckung: eine weibliche Leiche.
Rasch war klar: Es handelte sich um Eveline Höbler, die am Abend zuvor vom Kino nach Hause gefahren war. Ein Sittlichkeitsdelikt war es wohl nicht, die Tote war ordentlich und voll bekleidet. Rätselhaft war, wo sie nach Verlassen des Busses hingeraten war – aber offenbar war sie vor ihrem Tod noch in ihrer Wohnung in der Stifterstraße 16 mitten im Ort gewesen und hatte sich umgezogen. Geldbörse und Handtasche ließ sie dort zurück. Sicher war für die Kripo auch: Der Auffinde-Ort am Kasernenzaun – fast zwei Kilometer von ihrer Wohnung entfernt – war nicht der Tatort, an dem die junge Frau ermordet worden war. Auch in ihrer Wohnung war die attraktive junge Frau wohl nicht getötet worden. Vieles spricht dafür, dass Eveline Höbler sich arglos in einer Situation befand, in der sie nicht mit einem Angriff rechnete. Denn die Untersuchung der Rechtsmedizin ergab: Sie hatte wohl Anorak und Sweatshirt ausgezogen, als es zum Angriff kam. Der Mörder hatte sie zunächst zu ersticken versucht und ihr dann sterbend die 30 Stiche in den Rücken versetzt. Dann muss er dem Opfer dessen Sweatshirt übergestreift und den dunkelblauen Stepp-Anorak angezogen haben. Schließlich brachte er die Leiche – vermutlich mit einem Auto – an den Fundort am Kasernenzaun.
Nicht einmal eine „lauwarme Spur“
Ihr Wohnungs- und Briefkastenschlüssel, die in einem weinroten Mäppchen steckten, fehlten. Immer wieder rief die Kripo in den folgenden Tagen Zeugen, die mit der allein lebenden Arbeiterin in dem 19er Bus gefahren sein könnten auf, sich zu melden. Es meldete sich auch niemand, der sie danach noch lebend gesehen hätte. Man habe „keine heiße Spur, nicht einmal eine lauwarme“, seufzte Polizeisprecher Fritz Bürner eine Woche nach dem Fund der Leiche. Ein junger Mann soll sich am Tag vor dem Kinobesuch mit ihr beim Einkaufsmarkt Ulsamer unterhalten haben.
Das Landeskriminalamt setzte 4000 Mark Belohnung für Hinweise zur Ermittlung des Täters aus – vergeblich.
Die Polizei fand heraus, dass die junge Frau eine neue Wohnung gesucht hatte. Doch das ergab genauso wenig einen Hinweis auf den Täter wie die 150 anderen Hinweise, denen 20 Kripobeamte einer Sonderkommission nachgingen. Der Mörder von Eveline Höbler wurde bis heute nicht gefunden – aber sicher fühlen kann er sich nicht: Denn in Mordfällen wird die Akte nie geschlossen. Und erstmals in Würzburg wurden in diesem Fall genetische Spuren gesichert. Sie könnten den Tatverdächtigen überführen – auch noch 30 Jahre später.
Wer kann zur Aufklärung beitragen? Die Polizei hofft auf Zeugen, die im Fall Eveline Höbler mit einem Tipp zur Klärung des Falles beitragen können. Hinweise nimmt die Kriminalpolizei Würzburg unter Tel. (09 31) 4 57 17 32 entgegen.