Am Freitag, dem 26. August 1983 führten zwei Mädchen ihren Schäferhund auf dem ehemaligen Gärtnereigelände [Sinai, Eschersheimer Landstraße, Frankfurt am Main] aus. Der Hund zog die beiden Mädchen regelrecht zu den Überresten des alten Abbruchhauses hin und schnupperte in den Trümmern. Als die Mädchen nachschauten, wofür sich ihr Hund denn da so brennend interessierte, entdeckten sie verbrannte Knochen… Die Ermittler stellten bald fest, dass es sich um Menschenknochen handelte.
Aus der Lage der gefundenen Knochen konnte geschlossen werden, dass das Skelett ursprünglich auf dem Dachboden des Abbruchhauses gelegen hatte, wahrscheinlich in der näheren Umgebung eines Schornsteins. Weiterhin wurde ermittelt, dass die Person am 20. März 1983 um 16.40 Uhr zu Tode gekommen war. (...) Bei dem Skelett fand man weder persönliche Gegenstände noch Papiere, die eine Identifizierung ermöglich hätten.
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Die Gerichtsmedizin stellte nämlich fest, dass es sich bei dem aufgefundenen Skelett nicht um das einer männlichen, sondern um das einer weiblichen Person handelte. Nach dem Zahnbefund war diese jünger als 20 Jahre gewesen. Größe 160 cm, plus/minus 6 Zentimetern. Es musste sich um ein Mädchen im Alter zwischen 15 – 20 Jahren gehandelt haben. Die Rückschlüsse auf das Geschlecht ergaben sich aus der Becken- und der Schädelform.
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Die Kripo überprüfte daraufhin die aktuellen Vermisstenmeldungen junger Mädchen und stieß sehr schnell auf Marlitt W. aus dem Frankfurter Stadtteil Riederwald.
Marlitt W. wurde seit Sonntag, dem 20. Februar 1983 vermisst, also seit genau einem Monat vor dem Brand in der ehemaligen Gärtnerei. Die Eltern hatten am 21. Februar 1983 beim 20. Polizeirevier Vermisstenanzeige erstattet.
Marlitt W., geboren am 04.08.1967, 154 cm groß, hatte bis in den Nacken reichendes dunkelblondes Haar gehabt. Bekleidet gewesen war sie mit Blue Jeans, einer olivgrünen Bomberjacke mit orangem Innenfutter, grauem Pullover oder Strickweste und roten Cowboystiefeln. Sie hatte eine Seiko-Uhr aus Saudi-Arabien, einen Nofretete-Anhänger, einen Ohrring und einen Schlangenring getragen.
Die Presse hatte am 02.03, 09.03. und 16.03.1983 über das Verschwinden von Marlitt W. berichtet, und sogar in der Sendung „Tele-Illustrierte“ des ZDF am 17.11.1983 war der Fall geschildert und Marlitts Mutter befragt worden.
Nun wandte sich die Kripo abermals an die Eltern von Marlitt W. Von diesen erfuhren die Ermittler, dass sich Marlitt einmal bei einem Sportunfall das rechte Sprunggelenk verletzt hatte und deshalb am 23.11.1982 im Frankfurter St. Katharinen-Krankenhaus geröntgt worden war.
Der Abgleich der damaligen Röntgenbildern von Marlitt W. mit dem Röntgenbild des Unterschenkelknochens der Leiche ergab außer dem Sprunggelenkschaden noch 12 weitere übereinstimmende Merkmale. Es war also höchstwahrscheinlich, dass es sich bei der unbekannten Toten um die vermisste Marlitt W. handelte.
Um jedoch ganz sicher zu gehen, ging man noch einen Schritt weiter. Die Frankfurter Kripo schickte den Schädel (der Unterkiefer fehlte, wie bereits erwähnt) mit Bildern und Dias von Marlitt W. nach Kiel an die Christian-Albrecht-Universität, Abt. Rechtsmedizin I. Dort war man auf das „Schädelprojektionsverfahren“ zur Identifizierung unbekannter Toter spezialisiert.
Mit zwei Fernsehkameras wurde durch simultane Aufnahmen die Fotografie von Marlitt W. und das Fernsehschirmbild des Schädels miteinander verglichen. Bei dieser „elektronischen Mischbildprojektion“ von Foto und Schädel ergaben sich sechs „topographisch-anatomische“ Übereinstimmungen.
Heute würde man erst einmal eine molekularbiologische Untersuchung durchführen, also einen DNA-Abgleich mit den Eltern.
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Auch die Kieler Rechtsmedizin kam nach der Anwendung der „elektronischen Bildmischtechnik“ zum Ergebnis, dass es sich bei der unbekannten Toten eindeutig um Marlitt W. handelte.