Horb/Nagold Messerstecherei: Gezielter Mord oder Totschlag? Von Sebastian Bernklau und Jürgen Lück 14.07.2017 - 20:56 Uhr
Nagold/Horb/Tuttlingen - Im Fall der Messerstecherei im Real-Supermarkt in Horb am Donnerstagmittag, die einem Mann das Leben gekostet hat, halten sich die offiziellen Stellen sehr bedeckt. Festzustehen scheint inzwischen, dass es sich bei dem Opfer um einen 33-jährigen Türken aus dem Nagolder Teilort Schietingen handelt.
Unbestritten und auch von der Polizei bestätigt ist, dass es am Donnerstag gegen 13.20 Uhr im Eingangsbereich des Horber Real-Marktes eine tödliche Auseinandersetzung zwischen zwei Männern gab. Dass es sich dabei um einen 33 Jahre alten Türken und einen 30 Jahre alten Albaner handelte, wollte das Polizeipräsidium Tuttlingen am Freitag mit Hinweis auf noch laufende Ermittlungen nicht offiziell bestätigen. Bei der Auseinandersetzung erlitt der 33 Jahre alte Mann tödliche Stichverletzungen. Den 30 Jahre alten, der Tat dringend Tatverdächtigen konnte die Polizei festnehmen. Er wurde am Freitagvormittag dem Haftrichter vorgeführt, der Haftbefehl erfließ.
Ermittler halten sich bedeckt Zurückhaltung üben offizielle Stellen auch, wenn es um den Wohnort des Opfers geht. Obwohl es keine offizielle Bestätigung gibt, ist davon auszugehen, dass der Getötete aus dem kleinen Nagolder Teilort Schietingen kommt. Dort waren am Donnerstag mehrere Stunden lang 15 Kräfte des Roten Kreuzes und vier Notfallseelsorger im Einsatz, um die Familie des Opfers zu betreuen und zu versorgen. Ein Anwohner beobachtete zudem, dass sich viele Menschen türkischer Abstammung gegen Abend in dem kleinen Ort aufhielten.
Derweil haben Beamte der zuständigen Kriminalpolizei Rottweil die Ermittlungen zu dem Fall übernommen. Da die eigentliche Täterschaft klar zu sein scheint, wird es bei den Nachforschungen um die Klärung der Frage gehen, ob es sich bei der Tat um einen gezielten Mord oder einen Totschlag handelt.
Waren bei der Tat Drogen im Spiel? Gesicherte Tatsachen zum Hintergrund des tödlichen Streits zwischen den Männern oder zur Tatwaffe gibt es aktuell nicht. Und das hat seinen Grund: "Da wir noch Zeugen suchen, die uns den Tathergang schildern können, wollen wir zur Tötungswaffe nichts sagen", erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Rottweil im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten.
Der bestätigte auch, dass man auch der Frage nachgeht, ob Drogen mit der Tat zu tun haben könnten. "Es ist selbstverständlich, dass auch sämtliche Untersuchungen gemacht werden. Auf Drogen, auf psychische Einflüsse, die möglicherweise zu dieser Tat geführt haben", so die Staatsanwaltschaft weiter. Hoffnungen setzt man bei den Ermittlungen auf ein Überwachungsvideo des Supermarktes. "Es gibt im Real natürlich Überwachungskameras. Wir sind gerade dabei, die Bilder auswerten zu lassen", bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, der an mögliche Zeugen appelliert, sich bei den Ermittlern zu melden. "Wir sind natürlich an allen Sachverhalten interessiert, beispielsweise auch daran, ob Zeugen noch mehr zum Täter sagen können."
Deshalb bittet die Polizei, dass sich Zeugen, die zu der tödlichen Auseinandersetzung der beiden Männer oder auch zu möglichen Hintergründen Angaben machen können, bei den Ermittlern melden. Die sind zu erreichen bei der der Kriminalpolizeidirektion Rottweil, Telefon 0741/477-0. Hinweise nimmt aber auch jede Polizeidienststelle entgegen.
Horb a. N. Bluttat: Opfer-Familie erschüttert über Urteil Von Lena Straub 20.03.2018 - 05:56 Uhr ' Horb/Rottweil - Ein emotionaler Prozess ist mit dem Urteil um den Messerstecher im Real-Markt zu Ende gegangen.
Der 31-Jährige wurde wegen Totschlags zu acht Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Zudem muss er auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie.
In Fußfesseln wurde der Angeklagte in den großen Gerichtssaal des Landgerichts Rottweil geführt. Am gestrigen Montag – dem letzten Verhandlungstag – war das Interesse am Urteilsspruch groß. Viele Angehörige des 33-jährigen Opfers sowie Zuschauer waren gekommen.
Der 31-Jährige hatte im Juli des vergangenen Jahres nach Streitigkeiten einen 33-Jährigen vor einem Dönerimbiss im Real-Markt auf dem Hohenberg erstochen. Mit dem Urteil am Landgericht Rottweil war der Richter der Forderung der Staatsanwaltschaft gefolgt. Der Verteidiger hatte zwar eine psychiatrische Unterbringung gefordert, plädierte jedoch auf Freispruch. Grund für die angeordnete Unterbringung in einer Psychiatrie ist die Erkrankung des 31-Jährigen. Er leidet seit 2013 unter einer paranoiden Schizophrenie und war auch mehrfach zur Behandlung in Kliniken. Nur wenige Woche vor der Tat war er noch in der Psychiatrie.
Für den Richter galt es, nach den Plädoyers in der vergangenen Woche, unter anderem zu entscheiden, ob der Angeklagte schuldunfähig oder vermindert schuldfähig ist. Zu Beginn seiner Urteilsbegründung erklärte er: "Die Besonderheit in diesem Fall liegt in der psychischen Störung des Angeklagten. Vieles von der Tat bis zur Ausführung ist für gesunde Menschen kaum nachvollziehbar." Das Urteil fiel auf vermindert schuldfähig. Der Angeklagte sei zum Tatzeitpunkt in der Lage gewesen, seine Situation zu erkennen – zudem sei kein akuter Schub der Krankheit vorgelegen.
Richter: Unbehandelt geht große Gefahr vom Angeklagten aus
Dass es sich nicht um Notwehr gehandelt habe, wie der Angeklagte beteuerte, sah das Gericht dadurch als erwiesen, da das Opfer nach der Prügelei fliehen wollte. Der Angeklagte habe daraufhin das Messer geholt und sei erneut auf den 33-Jährigen los. Zudem habe sich der Angeklagte "bei solch wuchtigen Stichen in die Herzgegend des Opfers" trotz seiner Krankheit über die tödlichen Folgen bewusst sein müssen. Die mögliche Haftstrafe von 15 Jahren wegen Totschlags sinke im Fall des Angeklagten durch seine Erkrankung, sein Geständnis und da er keine ähnlichen Taten zuvor begangen habe. Von dem 31-Jährigen gehe "eine große Gefahr aus, dass er unbehandelt wieder ähnliche Straftaten begehen" könnte, so der Richter. Deshalb sei auch schwer zu prognostizieren, wann und ob der Angeklagte aus der Psychiatrie entlassen werden könnte.
Der 31-Jährige hat eine Woche Zeit, um wegen des Urteils in Revision zu gehen. Die Nebenkläger – die Familie des 33-jährigen Opfers, das drei Kinder zurücklässt – können nur wegen der Art des verurteilten Delikts in Revision gehen. Die Angehörigen des getöteten Mannes zeigten sich, aufgrund des ihnen als zu milde ausgefallenen Urteils, erschüttert. "Wie hätte der Richter entschieden, wenn es sein Kind gewesen wäre?", fragte die Tante des Opfers nach der Verhandlung.