3. Juni 2017 | 07.30 Uhr "Rock am Ring" wegen Terrorgefahr unterbrochen
Entscheidung über Fortsetzung fällt am Vormittag
Das Festival "Rock am Ring" ist wegen Terrorgefahr am Freitagabend unterbrochen worden. Zwei Mitarbeiter eines Subunternehmers sollen einem Bericht zufolge der salafistischen Szene angehören. Am Vormittag soll entschieden werden, ob das Festival weitergeht. Von Tobias Dupke und Dana Schülbe, Nürburg
Die Polizei hatte aufgrund einer "terroristischen Gefährdungslage" am Freitagabend gegen 21 Uhr die Veranstalter des Rockfestivals angewiesen, das Gelände räumen zu lassen. Die Absage erfolgte kurz vor dem Konzert der Band Rammstein.
Veranstalter Marek Lieberberg erklärte bereits am Freitagabend zu den Ursachen, es habe womöglich eine Person gegeben, deren Identität nicht klar festgestellt werden konnte. Es handelte sich dabei um einen Mitarbeiter, der im Vorfeld des Festivals Sicherheitsgitter aufgestellt hatte. Es habe Zweifel gegeben, ob es sich bei dem Mann möglicherweise um einen Gefährder handeln könnte.
Nach einem Bericht von "Bild" sollen sogar zwei Mitarbeiter eines Subunternehmers einen salafistischen Hintergrund haben. Es habe zwischenzeitlich die Befürchtung bestanden, dass die Personen Gegenstände auf dem Gelände deponiert haben könnten. Die mutmaßlichen Salafisten seien bereits von der Polizei verhört worden. Weitere Hintergründe waren am Morgen nicht bekannt.
Entscheidung am Samstagvormittag
Die Polizei hielt sich zunächst bedeckt, sie wollte auch noch nicht sagen, ob das Festival am Samstag fortgesetzt werden kann. "Es gibt kein zeitliches Gerüst, wann wir das Gelände wieder freigeben." Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz erklärte indes, dass die Entscheidung am Samstagvormittag fallen soll. Man werde die Fans so schnell wie möglich informieren.
Auch der Veranstalter hofft, dass es weitergeht. "Nach meiner Einschätzung ist es eine Präventivmaßnahme der Polizei. Diese sieht die Gefährdungslage weiter als gegeben an", sagte Marek Lieberberg auf der Pressekonferenz am Abend. "Ich hoffe und wünsche, dass wir morgen weitermachen können", fügte er hinzu. Lieberberg wirkte persönlich sehr bedrückt über die Entscheidung, zumal das Festival bereits im vergangenen Jahr wegen Blitzeinschlägen abgebrochen worden war. "Wir sind der Arsch der Nation", sagte er. "Ich fühle mich entsetzlich leer und ausgepowert", sagte Lieberberg. "Ist das das Ergebnis unserer wehrhaften Demokratie? Was wird als nächstes abgesagt?"
Die Räumung selbst verlief ruhig, geordnet und rasch, alle waren verständnisvoll. Die Besucher gingen zurück zu den Zeltplätzen. Laut Lieberberg, der die Absage auf der Bühne verkündete, gab es vonseiten des Publikums Applaus und keinerlei Buhrufe. Er lobte ausdrücklich die besonnene Reaktion der Fans. Zahlreiche Besucher sangen auf dem Weg "Eins kann uns keiner nehmen und das ist die pure Lust am Leben" der Band Geier Sturzflug.
Nach gut einer halben Stunde war das Gelände vollständig geräumt. Danach wurden Spürhunde im Bereich der Hauptbühne eingesetzt. Zwischenzeitlich waren die Straßen zum Gelände gesperrt, keiner kam rein oder raus.
Alle Besucher waren schon im Vorfeld um erhöhte Aufmerksamkeit und Wachsamkeit gebeten worden. Zudem sollen insgesamt mehr als 1200 Polizeibeamte am Nürburgring präsent sein, auch in zivil. Knapp 90.000 zumeist junge Menschen wurden erwartet, das dreitägige Festival ist ausverkauft.
„Rock am Ring” geht weiter Verdächtige frei – Hinweise zur islamistischen Terrorszene 03.06.17, 10:41 Uhr
„Rock am Ring” wird um 13.30 Uhr fortgesetzt Terror-Verdacht hat sich nicht erhärtet Polizei handelte besonnen Rammstein-Auftritt jetzt doch fraglich „Rock am Ring” wird fortgesetzt! Das ist die Nachricht, auf die alle Musik-Fans seit Freitag so sehnlichst gewartet haben. Ab 13.30 Uhr werden die Tore wieder für die Besucher geöffnet.
Nach intensiven Durchsuchungen des gesamten Festival-Geländes gab die Polizei am Samstagmittag "grünes Licht". Verdachtsmomente für eine akute Gefährdungslage hätten sich nicht bestätigt, hieß es.
Drei am Freitagabend unter Terrorverdacht vorläufig festgenommene Männer seien wieder frei, die Ermittlungen dauerten jedoch an, teilte ein Polizeisprecher mit. Die Verdächtigen werden den Ermittlern zufolge der hessischen Salafistenszene zugerechnet.
In einer solchen Bewertungssituation dürfen wir keine Risiken einbauen“, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD). Er verwies auf ähnliche vorsorgliche Absagen, etwa beim Fußball-Länderspiel Deutschland-Niederlande in Hannover im November 2015 kurz nach den Anschlägen von Paris und beim Radrennen „Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt“ im April 2015.
Rückendeckung von Thomas de Maizière Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte sich in der Nacht hinter Lewentz' Entscheidung gestellt, das Musikfestival wegen Terrorgefahr zu unterbrechen. Der Mainzer Minister habe ihn vorab informiert, erklärte de Maizière in Berlin. „Für diese schwierige wie verantwortungsvolle Entscheidung hat er meine volle Unterstützung. So bitter es ist, die Sicherheit der Festivalbesucher muss an erster Stelle stehen.“
Zugangskarten für das Personal nicht mit registrierten Namen
Der Terror-Verdacht war nach Angaben der Polizei entstanden, weil Zugangskarten für das Personal nicht mit registrierten Namen übereinstimmten. Bei einer Person habe es Hinweise auf Verbindungen zur islamistischen Terrorszene gegeben.
Zeichen für unsere Kultur gesetzt
Konzertveranstalter Marek Lieberberg hatte am Freitag äußerst emotional auf die Unterbrechung reagiert. Er zeigte sich am Samstag beeindruckt, dass „86.000 Besucher in einer Viertelstunde das Festivalgelände verlassen hätten. „Wir haben hier auch ein Zeichen für unsere Kultur gesetzt.“
„Ich verstehe diese Emotionalität total. Aber für mich kann Emotionalität bei solchen Entscheidungen keine Rolle spielen. Wir haben gestern bewusst wenig Informationen rausgegeben, um keine Panik zu schüren und nur gesichert zu informieren,", sagte Landesinnenminister Lewentz uns zu den Vorwürfen von Lieberberg an Politik und Polizei.
Werden sehen, ob wir Möglichkeiten haben, Auftritte nachzuholen
Ob einige Bands, die am Freitagabend nicht spielen konnten, noch auftreten können, werde geprüft. „Wir werden sehen, ob wir Möglichkeiten haben, Auftritte nachzuholen“, sagte Lieberberg. Unter anderem der Auftritt von Rammstein, einer der Topacts des Festivals, war ausgefallen.
29.06.2017 Rock am Ring 2017 am Nürburgring -Erstmitteilung 2010 Js 32481/17-
Ermittlungsverfahren eingestellt
Rock am Ring 2017 am Nürburgring
Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat das wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens geführte Ermittlungsverfahren gegen drei in Hessen wohnhafte Beschuldigte im Alter von 21, 24 und 37 Jahren nach § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung eingestellt. In der Nacht vom 01. auf den 02.06.2017 wurden die beiden 21 und 24 Jahre alten Beschuldigten, die sichtbar Zugangsberechtigungsausweise zum Gelände der Großveranstaltung „Rock am Ring“ trugen, an einer Tankstelle in Koblenz durch die Polizei kontrolliert. Die daraufhin durch die Polizei routinemäßig durchgeführten Überprüfungen ergaben insbesondere, dass eine Akkreditierung des 21jährigen Beschuldigten durch den Veranstalter von „Rock am Ring“ mit den polizeilich festgestellten Personalien nicht nachzuweisen war. Außerdem lagen gegen den 24 Jahre alten Beschuldigten sowie seinen Bruder nicht unerhebliche Erkenntnisse im Staatsschutzbereich vor. Weiterhin wurde bekannt, dass die beiden Beschuldigten am Abend des 01.06.2017 vorzeitig das Veranstaltungsgelände am Nürburgring verlassen hatten. Auch erschien auffällig, dass der 37jährige Beschuldigte ausschließlich zu dem Zweck aus Osthessen nach Koblenz gekommen sein soll, um die anderen Beschuldigten nach Frankfurt am Main zu fahren. Diese Umstände führten schließlich in ihrer Gesamtbewertung zur vorübergehenden vorläufigen Festnahme aller Beschuldigten mit deren anschließenden verantwortlichen Vernehmungen, Durchsuchungen ihrer Wohnungen sowie Auswertung der dabei sichergestellten Gegenstände, vor allem der Kommunikationsmittel der Beschuldigten. Die von Anfang an kooperativen Beschuldigten machten in ihren verantwortlichen Vernehmungen unabhängig voneinander glaubhafte Angaben, die durch die weiteren Ermittlungsergebnisse bestätigt wurden. Geklärt wurden namentlich alle oben dargestellten Umstände, die Anlass zur Durchführung sämtlicher polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Maßnahmen waren.
Die Ermittlungen haben im Einzelnen folgendes ergeben:
Weder bei den Durchsuchungen der Wohnungen der drei Beschuldigten noch bei der nachfolgenden Auswertung der dabei sichergestellten Gegenstände, vor allem der Kommunikationsmittel der Beschuldigten sind Hinweise auf den Besitz oder das Überlassen von Sprengstoff an andere Personen gefunden worden.
Zur fehlerhaften Erfassung der Personalien des 21jährigen Beschuldigten für dessen Zugangsausweis auf das Veranstaltungsgelände war es aufgrund eines Missverständnisses bei der nur mündlichen Angabe seiner Personalien bei der kurzfristig am 31.05.2017 erfolgten Akkreditierung gekommen. Hierbei waren sowohl sein Name als auch seine Wohnanschrift unzutreffend erfasst worden.
Die beiden jüngeren Beschuldigten waren am Abend des 01.06. 2017 vorzeitig abgereist, weil sie sowohl mit den angetroffenen Arbeitsbedingungen vor Ort als auch dem tatsächlich erfolgten Arbeitseinsatz unzufrieden waren. Die beiden jüngeren Beschuldigten und der 37jährige Beschuldigte haben sich vor der polizeilichen Kontrolle in Koblenz nicht gekannt. Die Fahrt des 37jährigen Beschuldigten von Koblenz nach Frankfurt war den Ermittlungen zu Folge von seinem Arbeitgeber organisiert worden. Grund hierfür war, dass dieser zwei andere Arbeiter nach Koblenz fahren und bei dieser Gelegenheit die dort wartenden Mitbeschuldigten mit nach Frankfurt nehmen sollte.
Somit kann nach dem Ergebnis aller durchgeführten Ermittlungen die aufgrund tatsächlicher Unstimmigkeiten in der Nacht zum 02.06.2017 nicht auszuschließende Verstrickung der drei Beschuldigten in strafrechtlich relevante, insbesondere terroristische Aktivitäten im Zusammenhang mit der Großveranstaltung „Rock am Ring“ ausgeschlossen werden.
Rechtliche Hinweise: Wegen Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens macht sich gemäß § 310 Absatz 1 Ziffer 2 Strafgesetzbuch u.a. derjenige strafbar, der sich zur Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion Sprengstoffe verschafft oder der Sprengstoffe verwahrt oder der Sprengstoffe einem anderen überlässt.
Ein Ermittlungsverfahren ist nach § 170 Absatz 2 Strafprozessordnung einzustellen, wenn die durchgeführten Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage ergeben haben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein strafbares Verhalten von Beschuldigten ausgeschlossen werden kann.
gez. Harald Kruse, Leitender Oberstaatsanwalt
Admin und Foren Moderatorin Hinweise zu den hier aufgeführten Fällen bitte an die zuständige Polizeidienststelle