Bankiers-Witwe in Plön erstochen Mord-Motiv 500-Euro-Scheine
Am Behler See in Plön Einbrecher ersticht Hamburger Bankierswitwe
Vor zehn Wochen stieg ein Einbrecher bei der Bankiers-Witwe Gisela L. (78) ein und tötete sie. Das Motiv: 500 Euro
18.07.2013 - 11:14 Uhr
Von JULIEN WILKENS
Plön – Sie lebte allein in ihrer Villa am See. Vor zehn Wochen stieg ein Einbrecher bei der Bankiers-Witwe Gisela L. (78) ein und tötete sie. Jetzt hat die Mordkommission eine Spur.
STARB SIE WEGEN IHRER 500-EURO-SCHEINE?
Rückblick: Am Morgen des 10. Mai findet eine Bekannte Gisela L. tot auf dem Boden des Anwesens. Die Witwe des langjährigen Direktors der Hamburgischen Landesbank Werner L. (†?78) wurde erstochen!
Jetzt kommt heraus: Die Bankiers-Witwe hortete wohl mehrere Tausend Euro in ihrer Villa. Den Wocheneinkauf bezahlte die Dame oft mit 500-Euro-Scheinen! Hat der Mörder Gisela L. beobachtet und ist ihr dann zu ihrem 12?000 Quadratmeter großen Anwesen am Behler See gefolgt?
„Wir gehen davon aus, dass der Täter aus der Umgebung stammt und in der Villa gezielt nach Geld suchte“, so Polizeisprecher Matthias Arends (37).
Außerdem fanden die Ermittler ein Terminbuch. Für den Tag vor dem Mord stand dort lediglich: „7. Mai, 17.20 Uhr“. Ohne Kommentar! „Es ist der einzige Eintrag, den wir nicht zuordnen konnten“, so Arends.
Hatte Gisela L. ein Treffen mit ihrem Mörder?
Noch laufen die Ermittlungen. Im Mord-Haus sicherten die Ermittler zahlreiche DNA-Spuren und Fingerabdrücke. Einige konnten noch nicht zugeordnet werden.
Die Staatsanwaltschaft hat 5000 Euro Belohnung ausgesetzt.
VOM MORD AM BEHLER SEE : Fallanalytiker in Kiel: Die lange Suche nach den Tätern vom 30. Dezember 2014 Aus der Redaktion des Flensburger Tageblatts
Seit 15 Jahren analysieren Fallanalytiker Verbrechen in SH. Zwei ihrer großen Fälle sind der Mord am Behler See und der „Maskenmann“.
KIEL | Sie werden immer dann gerufen, wenn die Aufklärung eines Verbrechens ins Stocken gerät: Die Experten der Abteilung für Operative Fallanalyse im Kieler Landeskriminalamt. Dieses Jahr haben die Beamten Jubiläum gefeiert: Seit 15 Jahren werden in Schleswig-Holstein die Taten von Mördern und Sexualstraftätern analysiert – mit dem Ziel, sie doch noch zu fassen.
Mit zwei Beamten hat die Abteilung 1999 ihren Dienst aufgenommen, mittlerweile gibt es fünf Analytiker. Ist ein Fall festgefahren, sehen sie sich alle Details noch einmal genau an. „Die Kollegen der Kripo wollen von uns wissen, in welche Richtung sie noch ermitteln können“, sagt Jens Vullgraf (49), Leiter der Operativen Fallanalyse.
In einem ersten Schritt wird der wahrscheinlichste Tatablauf rekonstruiert. Nur objektive Befunde zählen: Die Spuren am Tatort und das Obduktionsergebnis. „Ein Mordopfer erzählt meist schon sehr viel über den Täter und dessen Motive“, betont Vullgraf. Manchmal zieht sich einer aus dem Team einen weißen Schutzanzug über, auf dem die Kollegen mit rotem Stift die Wunden aufmalen. Kampfsituationen werden nachgestellt, um festzulegen, in welcher Reihenfolge beispielsweise Stiche ausgeführt wurden. „Wir sehen dann beispielsweise, ob die Tat geplant war oder eine Situation eskaliert ist“, sagt Vullgraf.
Ist der Tatort – und auch der Tote – zum Sprechen gebracht, versuchen die Experten zu bewerten, warum sich die Wege von Täter und Opfer kreuzten. Gab es eine Vorbeziehung oder war es Zufall? Am Ende der Analyse steht idealerweise fest, was passiert ist und warum das Opfer ausgewählt wurde. Und es gibt ein Täterprofil: Über welche Fähigkeiten und körperlichen Besonderheiten verfügt er, wie alt dürfte er sein, ist er regional verwurzelt und in welchem psychischen Zustand befand er sich?
Urvater dieser Strategie, ein Täterbild zu erstellen – „Profiling“, wie die Amerikaner dazu sagen – war der FBI-Agent Robert K. Ressler, der 30 Jahre lang psychopathische Serienmörder jagte. Seine Arbeit war die Vorlage für den Roman „Das Schweigen der Lämmer“.
Einer der Fälle, den die Kieler Experten bearbeitet haben ist der noch ungeklärte Mord am Behler See. Im Mai 2013 hatte ein Einbrecher Bankierswitwe Giesela L. (78) in ihrem Reetdachhaus erstochen. Den Tathergang rekonstruierten die Analytiker so: Die alte Dame schlief im Obergeschoss, als der Einbrecher in der Nacht durch die vermutlich offene Terrassentür schlich. Gisela L. erwachte und bemerkte, dass jemand im Haus war. Sie holte ihren Schreckschuss-Revolver aus dem Schrank, mit dem sie sonst Rehe vertrieb, die auf dem großen Seegrundstück bei Plön ihre Blumen abfraßen. Mit der Waffe schlich sie die Treppe hinunter. Dort packte der Einbrecher sie von hinten und stach auf sie ein. Giesela L. wehrte sich heftig, der Kampf verlagerte sich ins Wohnzimmer, wo die alte Dame, von mehr als zehn Stichen getroffen, zusammenbrach und starb. Der Täter suchte danach im Schlafzimmer nach Geld, nahm etliche 500-Euro-Scheine mit.
Warum wurde Giesela L. zum Opfer? Auch dazu haben die Analytiker eine Theorie entwickelt. Beim Mord am Behler See ist sie so klassisch wie im Film. „Wir begehren, was wir sehen“, sagt Serienmörder Hannibal Lecter im „Schweigen der Lämmer“. Wer das 12.000-Quadratmeter-Anwesen nicht kennt, findet es kaum. Um es zu pflegen, hatte Giesela L. jedoch viele Helfer. Gelegentlich sprach sie auch Fremde an, die dann die Gartenpflege oder kleinere Arbeiten am Haus erledigten. Einer davon ist vermutlich ihr Mörder. Das Zusammentreffen erfolgte also nicht zufällig. Der Täter begehrte, was er sah – den Wohlstand der alten Dame. Und wahrscheinlich tötete er Giesela L., weil sie ihn kannte.
Zu den größten Erfolgen seines Teams zählt Vullgraf die Mitarbeit bei der Serie von Morden an drei kleinen Jungen durch den „Maskenmann“. Er war zwischen 1992 und 2001 in zahlreiche Schullandheime eingestiegen und hatte in Schleswig-Holstein über Jahre Jungen nachts in einem Zeltlager im Selker Noor unsittlich berührt. 1995 entführte er den acht Jahre alten Dennis R. aus seinem Zelt und tötete ihn. „Da er die Jungen teilweise weckte, bevor er sie berührte, musste der Täter nach unserer Analyse jemand sein, der auf Kinder einwirken konnte“, so Vullgraf. Und er war risikobereit. Bei einem Jungen war der Täter sogar in das Elternhaus eingestiegen. Das Missbrauchsopfer meldete sich 2011 bei der Polizei und erinnerte sich, das ihn der Betreuer einer Jugendfreizeit nach der Adresse gefragt hatte. Martin Ney (44) aus Bremen wurde festgenommen, er war Pädagoge.
Über 100 Fallanalysen hat das Team um Vullgraf, der von Anfang an dabei war, erstellt. Kann er bei einem so dichten Blick auf das Verbrechen manche Täter verstehen? „Ich kann nachvollziehen, warum es zu einer Tat gekommen ist“, sagt Vullgraf. „Aber Verständnis für die Täter habe ich nicht.“
Raubmord in den besten Kreisen: Ein Unbekannter hat vermutlich in der Nacht zu Himmelfahrt die 78 Jahre alte Bankierswitwe Gisela L. in ihrem Anwesen in Plön brutal erstochen. „Möglicherweise hat die Frau im Haus Einbrecher überrascht, und anschließend kam es zu dem Gewaltverbrechen“, sagt Oberstaatsanwältin Birgit Heß. Die Mordkommission ermittelt auf Hochtouren.
Plön. Das Grundstück mit dem Reetdachhaus liegt an der Straße Steinberg direkt am Behler See – eine der besten Wohnlagen in Plön. Unscheinbar an dem Sandweg steht eine weiße Pforte, der Weg dahinter führt auf das isolierte Anwesen. Nachbarn gibt es hier nicht. Vom Haus aus fällt der Garten leicht zum See ab, an dem eine Bootshütte steht. Gekauft hat das Anwesen vor langer Zeit ein ehemaliger Direktor der Hamburger Landesbank, der vor etwa zehn Jahren gestorben ist. Seitdem lebte Gisela L. zurückgezogen in dem luxuriösen Haus. Vor längerer Zeit soll auch ihre Tochter an einer Krankheit gestorben sein. Bekannte beschreiben Gisela L. als sehr freundlich und zuvorkommend.
Was zwischen Mittwoch um 18 Uhr und Donnerstag um 15 Uhr in dem noblen Haus passiert ist, stellt für die Mordkommission noch ein Rätsel dar. Fest steht bisher nur, dass eine Freundin den leblosen Körper der reichen Witwe am Himmelfahrtstag um 15 Uhr in dem Haus gefunden hat. Nach Informationen von KN-online lag die Leiche in einem der Wohnräume und wies Messerstiche im Oberkörper auf. „Der Notarzt konnte nur noch den Tod der Frau feststellen“, sagt Matthias Arends, Sprecher der Polizeidirektion Kiel/Plön.
Die Mordkommission hat sich am Freitag ein Bild von den Lebensumständen der Frau gemacht und Angehörige, Freunde und Bekannte dazu befragt. Die Ermittler hoffen, so erste Hinweise auf mögliche Täter zu bekommen. Der Ansatz: Womöglich hatte die Bankierswitwe mit einem Menschen aus ihrem Umfeld einen Streit, der in der Gewalttat gegipfelt haben könnte.
Die Spurensicherung war sowohl kurz nach der Tat als auch am Freitag lange am Ort, um auf dem riesigen Grundstück Hinweise zu finden. Dabei sind die Spezialisten auch besonders auf der Suche nach fremder DNA, die sie mit den Datenbanken abgleichen können.
Für wahrscheinlicher als einen Täter aus dem Umfeld halten es Polizei und Staatsanwaltschaft aber, dass Gisela L. einen oder mehrere Einbrecher auf Beutezug in ihrem Haus überrascht hat. Aufgehebelte Fenster oder Türen haben die Kriminalpolizisten allerdings nicht entdeckt. „Möglich ist, dass das Haus offen stand“, sagt Arends.
Auch Spuren eines Kampfes auf Leben und Tod konnten die Spezialisten nicht finden. Jedoch hat die Verstorbene Verletzungen, die sie sich bei der Abwehr der Messerattacke zugezogen haben könnte. Genauere Ergebnisse über die dramatischen Augenblicke soll die Obduktion in der Kieler Rechtsmedizin bringen.
Die Polizei ist überzeugt, dass mögliche Einbrecher sich das Anwesen, das früher von den Eheleuten als Wochenendhaus genutzt worden war, bewusst ausgesucht haben müssen, zumal es nach Angaben von Arends derzeit keine Einbruchserie im Kreis Plön gibt. Das Grundstück liegt zwar an einem beliebten Wanderweg, das Reetdachhaus ist aber nur vom Behler See aus zu sehen. Touristen der Fünf-Seen-Fahrt und Kanuten sowie Paddler des Wassersportvereins Plön-Fegetasche kommen auf ihren Ausflügen direkt an dem malerisch liegenden exklusiven Anwesen vorbei.
Die Kriminalpolizei sucht Zeugen, die möglicherweise verdächtige Personen oder Fahrzeuge gesehen haben. Hinweise an die Polizei unter 110 oder 0431/1603333.