Anna Gwerder(20) wollte am Sonntag, den 03.02.1980, kurz vor Mitternacht, einen Bekannten in der Helvetia Bar Zürich treffen.
Sie wollte ihn bitten, dass er sie mit seinem Auto nach Hause fährt.
Anna unterhielt sich noch mit einem Bekannten in der Straßenbahn.
An der Haltestelle Stockerstraße in Zürich stieg sie aus.
Die Helvetia Bar ist von dort nur wenige Gehminuten entfernt.
Sie kam allerdings in dieser Bar nicht an.
Der Bekannte hielt sich aber an jenem Abend in diesem Lokal auf, weil er hier Stammgast war.
Das schwarze Tuch, dass neben der Leiche von Anna gefunden wurde, erwarb ihr Mörder sehr wahrscheinlich am 08. September 1979, auf dem damaligen Flohmarkt Bürkiplatz in Zürich.
Jene Verkäuferin meldete sich nach einer Pressemeldung bei der Kantonspolizei.
Sie war jedoch vom äußeren Eindruck davon überzeugt, dass es sich bei dem Bekannten von Anna, nicht um den damaligen Käufer handelte.
Der Täter nahm die gesamte Kleidung von Anna Gwerder mit. Dazu gehört auch ein solches Seidenhemd mit einer auffälligen Stickerei, dass sie damals unter ihrem Shirt trug:
Weiterhin fehlen aus dem Besitz von Anna, ihr schwarzes Brillenetui, ihre Identitätskarte sowie acht Gutscheine einer Züricher Fahrschule:
Das schwarze Tuch ist aus Baumwollbatist, über drei Meter lang und 1,36 Meter breit. Auffällig ist, dass es an einer Ecke laienhaft abgeschnitten wurde, so dass eine Art Zipfel entstand:
Wahrscheinlich ist es auch nicht völlig auszuschließen, dass sie auf dem Weg zur dieser Bar, von einem bis heute unbekannten Täter, gewaltsam entführt wurde.
Denn offenbar gab es damals keine Augenzeugen, die eine Anwesenheit von Anna in diesem Lokal eindeutig bestätigen konnten.
Wie kam die Leiche der Studentin in den Zumiker Wald?
Vor 38 Jahren wurde eine 20-jährige Studentin im Zumiker Wald tot aufgefunden. Was mit ihr geschah, ist bis heute unklar. Auch «Aktenzeichen XY...ungelöst» konnte keine brauchbaren Hinweise liefern.
«Junge Frau in Zumikon tot aufgefunden», titelte die ZSZ am 5. Februar 1980. Weiter heisst es im Artikel: «Gestern fand ein Reiter frühmorgens im Wassbergwald auf dem Gemeindegebiet von Zumikon die unbekleidete Leiche einer jungen Frau. Nach den ersten Abklärungen steht fest, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt. Die Frau wurde wahrscheinlich erdrosselt.»
Am Tag darauf ist klar: Bei der Leiche handelt es sich um die 20-jährige Anna Gwerder aus Zürich-Schwamendingen. Wie die Studentin in den Zumiker Wald kam und was mit ihr passiert ist, ist bis heute unklar. Der einzige Hinweis auf den Täter: Ein grosses schwarzes Baumwolltuch, das gefaltet neben der Leiche lag.
Sie wollte einen Mann treffen
Der Fall stellt die Polizei vor ein Rätsel. Anna kommt aus einer Familie mit gutem Ruf. Der Vater verdient sein Geld als Nachtwächter, die Mutter als Reinemachefrau. Anna selbst hat kurz vor ihrem Tod die Matur abgeschlossen und arbeitet als Aushilfe in einem Geschäft.
Am Abend ihres Verschwindens geht Anna mit Bekannten aus. Der Polizei erzählt ihre Freundin Ursula, dass sie Schwamendingen gegen 16.30 Uhr verlassen hatten und den Abend in einer Wohngemeinschaft von Freunden an der Brandschenkestrasse zwischen Wiedikon und Enge verbrachten. Kurz vor Mitternacht sei Anna mit dem Tram Nummer 13 zur Helvetiabar gefahren.
Dort will sie einen Bekannten bitten, sie mit dem Auto nach Hause zu bringen. An der Haltestelle Stockerstrasse steigt Anna aus. In der Helvetiabar, die nur wenige Gehminuten entfernt ist, kommt sie aber nie an.
Widersprüchliches Alibi
Der Mann, den sie wahrscheinlich treffen wollte, gibt später selber bei der Polizei zu Protokoll, dass es sich derweil im Lokal aufgehalten hat. Wie der Zufall es will, werden die meisten Gäste der Helvetiabar an diesem Abend fotografiert. Das Merkwürdige: Nur von Anna und ihrem Bekannten fehlt ein Bild. Der Mann beteuert, dass Anna nicht dort war. Ihn selbst habe man wohl zufällig nicht fotografiert. Das mysteriöse Baumwolltuch, das bei der Leiche gefunden wurde, habe er noch nie gesehen.
Die Polizei hält den damals 27-jährigen Schweizer dennoch für verdächtig und nimmt ihn in Untersuchungshaft. Nur wenige Wochen später muss sie ihn jedoch wieder entlassen. Es fehlen Beweise, dass er mit dem Tod von Anna Gwerder etwas zu tun hat. Der bestehende Tatverdacht habe jedoch nicht ausgeräumt werden können, schreibt die NZZ am 26. März 1980. Der Bildhauer habe sich in Bezug auf sein Alibi in Widersprüche verwickelt.
Täter entkommen
Das schwarze Tuch, das neben der Leiche gefunden wurde, können die Ermittler auf den Flohmarkt am Bürkliplatz zurückverfolgen. Dort wechselte es am 8. September 1979 den Besitzer. Derjenige der es damals erstanden hat, war wohl nicht Annas Bekannter. Um wen es sich beim Käufer handelt, bleibt unklar.
Im November 1980 wurde der Fall Anna Gwerder in der Fahndungsserie «Aktenzeichen XY...ungelöst» ausgestrahlt. Auch der TV-Beitrag führte nicht zum gewünschten Erfolg: Der Täter konnte nicht gefasst werden. «Wir haben keine Kenntnisse darüber. ob zum Fall Gwerder aufgrund der Sendung Hinweise eingegangen sind», sagt Marc Besson, Mediensprecher der Kantonspolizei Zürich. Inzwischen sei der Fall verjährt. «Falls sich aber neue Hinweise ergeben, wird diesen – ungeachtet der Verjährung – immer nachgegangen.»
-> 50 Jahre «Aktenzeichen XY...ungelöst»: In Teil 3 (Mi, 21.2.) unseres Rückblicks geht es um eine Briefbombe in Thalwil und den Mord an einem Metzger in Pfäffikon SZ. (Zürichsee-Zeitung)