Zu den fremden Sachen scheint sich keiner gemeldet zu haben. Warum hat man das Kleid eigentlich nicht ausgebreitet gezeigt, wenn man es doch erkennen soll?
Vierzig Jahre nach den Geschehnissen. ..ein Nachruf und ein kritischer Rueckblick!
Ich habe erst vor kurzem die XY-Sendung zu diesem Fall gesehen und habe mir daraufhin ein paar Gedanken dazu gemacht: Meinem Kriterium nach ist dies ein Fall der ein wenig aus dem XY-Rahmen faellt, nicht nur weil die entscheidenden, die verhaengnisvollen Ereignisse weit ausserhalb des Sendegebietes in der malerischen Camargue in Suedfrankreich stattgefunden haben, sondern auch weil er einige Nachlaessigkeiten, bzw. Ungereimtheiten aufweist und vor allem aber weil es sich dabei um das tragische Geschick eines jungen Menschen handelt, der sein ganzes Leben noch vor sich gehabt haette. Bedauerlicherweise ist der Fall bis heute nicht aufgeklaert.
Zu den Fakten:
1. Es gibt eine Reihe von Indizien bei diesem Fall die darauf hinweisen, dass der Taeter ein Fernfahrer gewesen sein koennte. Dies wird im Film ja auch angesprochen. Dieser Vermutung wird jedoch im dreiteiligen Fragenkomplex, der sich dem Film anschliesst, nicht ausreichend Beachtung beigemessen bzw., die Fragen die gestellt werden sind nicht praezise genug, treffen nicht genau auf den Punkt.
2. Zum anderen wird Luciana als verantwortungsbewusst und korrekt beschrieben. Wer die Sendung aufmerksam verfolgt wird zugeben muessen, dass diese Beschreibung , zumindest was das Verhaeltnis zu ihren Eltern betrifft, nicht zutreffen kann.
3. Der 10. August 1978, also der Tag an dem Luciana Fasolin wieder anfangen zu arbeiten haette muessen, ist in der Akte als Mittwoch angegeben, in Wirklichkeit aber war es ein Donnerstag.
Zur Frage 1: Allein die Tatsache, dass die Leiche am Strassenrand auf der vielbefahrenen Nationalstrasse gefunden wurde, gibt guten Anlass der Fernfahrerthese grosse Aufmerksamkeit beizumessen: Jemand der eine Leiche im Kofferraum seines Autos hat und diese loswerden moechte, wuerde auf einen kleinen Feldweg fahren und Ausschau nach einer unbeobachteten Stelle halten. Er wuerde dort versuchen die Leiche zu verstecken (z.B. in einem Entwaesserungsrohr) um ein vorzeitiges Entdecken zu verhindern. Wenn dieser Jemand aber einen groesseren Lastwagen faehrt, dann laesst sich dies natuerlich nicht mehr so einfach realisieren, schon allein deshalb weil schmale Wege fuer grosse Fahrzeuge sehr schnell zu Sackgassen werden. Ausserdem sind diese in der Regel fuer den Schwerlastverkehr gesperrt. Das Risiko auf einem Seitenweg waere also weitaus groesser als mal kurz auf der Nationalstrasse anzuhalten und den Koerper am Strassenrand abzulegen. Auf diesem Abschnitt, dort naemlich wo das tote Maedchen schliesslich aufgefunden wurde, koennte aber selbst ein grosser LKW etwas Ungewoehnliches sein. Da “Saintes Maries de la Mer” ein Bade- und Wallfahrtsort ist, ist Lastwagenverkehr in dieser Gegend hoechstwahrscheinlich nicht so alltaeglich wie z.B. auf der Strecke von Nimes nach Montpellier. Ein Laster in dieser Gegend koennte demnach leicht jemandem aufgefallen sein, vor allem wenn er in Strandnaehe geparkt worden oder im Ort umhergefahren war um einen geeigneten Abstellplatz zu finden. Zudem haben Lastwagen in der Regel grosse Aufschriften an die man sich viel leichter erinnert als an irgendwelche Nummernschilder. Da aber in der Sendung nicht explizit nach einem Lastwagen gefragt wurde, vor allem nicht nach einem der am Sonntag dem 30. Juli oder in den fruehen Morgenstunden des 31. Juli in oder in der Naehe von “Saintes Maries de la Mer” mit einer Frau auf dem Beifahrersitz gesehen worden war, ging eventuell der entscheidende Hinweis nicht ein.
Zunaechst zur dritten Frage: Luciana wurde am 7. August 1955 geboren. Der 7. August 1978 war ein Montag und der Tag an dem sie wieder auf der Arbeit haette sein muessen, war Donnerstag der 10. August. In der Vermisstenanzeige wird der 10. August als Mittwoch angegeben. Sicherlich nur ein Lapsus oder aber auch schlampige Arbeit. Genau aber solch eine laxe Arbeitsweise wuerde man eigentlich von den als ueberaus korrekt geltenden Schweizern nicht erwarten. Man haette diesen Fehler (eigentlich eher ein Schoenheitsfehler aber trotzdem) ja auch korrigieren koennen. Wenn der Fall schon in dieser Art angegangen wurde, wer weiss denn dann ob wirklich alle Moeglichkeiten effizient ausgeschoepft wurden um den Taeter zu finden. Zur Frage zwei: Im Film wird Luciana als verantwortungsbewusst und korrekt beschrieben. Das sind Floskeln wie sie Arbeitgeber benutzen wenn sie sich ueber ihre Mitarbeiter aeussern. Das Verhaeltnis zwischen Luciana und ihren Eltern laesst sich damit nicht beschreiben, es scheint jedenfalls kein gutes gewesen zu sein. Aus welchem Grund z.B. hatte Luciana kein Interesse daran gehabt noch vor oder wenigstens an ihrem Geburtstag wieder zuhause zu sein? Die Tour auf der Tarn war doch schon am 27. Juli zuende gegangen. Sie haette ohne Probleme noch ein paar Tage ranhaengen und trotzdem ganz „easy“ wieder vor ihrem 23. Geburtstag zurueck sein koennen. Allein die Tatsache, dass Luciana sich waehrend der ganzen Zeit nicht telefonisch bei ihren Eltern gemeldet hat, ist ein Indiz fuer ein ziemlich abgekuehltes Verhaeltnis zwischen ihr und ihnen. Natuerlich ist da die Postkarte vom 26. Juli, kurz vor Ende der Kanutour, abgeschickt wahrscheinlich aus Le Rozier. Was aber ist eine Karte, von der man nicht genau weiss wann und ob sie ueberhaupt ankommt, gegen einen Anruf? Besorgte Eltern bestehen aus gutem Grund darauf, dass ihre Kinder sich stets telefonisch melden. Wahrscheinlich ist dann auch, dass sie nicht mehr mit den Eltern zusammen gewohnt hat und diese auch nicht in ihre Wohnung gingen, um z.B. dort die Pflanzen zu giessen. Und selbst wenn die Eltern weiter weg gewohnt haben zu jener Zeit (z.B. 100km Entfernung oder mehr), erklaert dies nicht wirklich diese merkwuerdige Verhaltenweise zwischen ihr und den Eltern. Wenn die Eltern die Tochter am 14. August erst als vermisst melden (wahrscheinlich haben sie von der Arbeitsstelle Lucianas erst erfahren, dass irgendetwas nicht stimmt), obwohl mittlerweile zwei markante Tage verstrichen sind, naemlich der Geburtstag und der 1. Arbeitstag, dann war da irgendetwas am koecheln.
Ihre vielleicht schwierige Beziehung mit den Eltern hat natuerlich nicht primaer mit dem Verbrechen zu tun, kann aber dazu gefuehrt haben, dass sie z.B. aus Mangel an Erfahrung, oder aus welchen Gruenden auch immer, dem falschen Menschen im falschen Augenblick ihr Vertrauen geschenkt hat und damit eine Entscheidung getroffen hat, die ihr spaeter zum Verhaengnis wurde. Nach der Kanutour fuhren sie und ihr Reisegefaehrte mit einem anderen Schweizer in einem Privatwagen zur Mittelmeerkueste. Warum trennten sich die beiden nach der Ankunft in „Palavas les Flots“ von ihm? Mit dem Auto haetten sie doch viel mehr Moeglichkeiten gehabt. Einen Tag danach entschied sich Luciana ausserdem dafuer alleine weiterzureisen. Sie wollte weiter nach Tarascon, ihr Reisegefaehrte dagegen direkt nach Hause. Warum hatte sie es nicht mehr ausgehalten mit ihm (die Erklaerung mit dem schweren Rucksack klingt vorgeschoben) und warum hatte sie es zudem so eilig ihn loszuwerden? Sie wartete nicht einmal mehr ab, bis dessen Zug abfuhr. Nach so einer Reise ist das ein ungewoehnliches Verhalten und laesst von daher auf mehr als nur eine kleine Meinungsverschiedenheit schliessen. Sie hatte sich wohl handfest gestritten mit ihm. Das war am 29. Juli. Sie loeste noch Travellerschecks ein und danach verliert sich ihre Spur endgueltig. Alle weitere ist nun wirklich pure Spekulation... Luciana koennte demnach durchaus noch am selben Tag von Tarascon aus (die Fahrt mit dem Zug nach dorthin dauert nur zwanzig Minuten von Nimes aus) oder aber auch erst am darauffolgenden mit einem Fernfahrer mitgefahren sein. Und diese vermeintlich vertrauenswuerdige Person hatte ihr vielleicht vorgeschlagen, den Sonntag (der 30.7.) doch am Strand von “Saintes Maries de la Mer” zu verbringen. Und da sie grosse Lust darauf hatte im Meer zu baden und ihr der Typ zwar irgendwie komisch aber nicht gefaehrlich vorkam akzeptierte sie schliesslich die Einladung ohne weiter darueber nachzudenken. In Wirklichkeit konnte Luciana denjenigen aber gar nicht richtig einschaetzen und gleichzeitig weigerte sie sich ihn einfach so vorzuverurteilen, dass haette sie eventuell nicht als gerecht empfunden, haette nicht in ihr Konzept gepasst, dass sie sich von fremden Menschen gemacht hatte. Ausserdem war sie neuen Kontakten gegebueber immer aufgeschlossen. Vielleicht ging Luciana sogar noch in einem kurzen nachdenklichen Moment eine Mahnung durch den Kopf, einer dieser gutgemeinten Ratschlaege, die Muetter ihren Toechtern noch kurz vor der Abreise mit auf den Weg geben. Gleichzeitig war da aber auch dieser Gram den sie staendig mit sich herumtrug weil sie sich von ihren Eltern zu oft unverstanden gefuehlt hatte. Und dieser verwandelte sich augenblicklich in Aerger, vielleicht sogar in Wut auf ein nicht sehr lange zurueckliegendes negatives Erlebnis und dadurch wurden diese mahnende Erinnerung von zuhause gleich wieder in ihr Innerstes zurueckgedraengt. Wie auch immer es war, die Vorstellungen darueber koennten vielfaeltigster Art sein. Hoechst bedauernswert ist auf jeden Fall das traurige Ende des Maedchens, das nicht nur um all ihre Traeume beraubt wurde sondern auch einen schrecklichen Tod erleiden musste, waehrend der Moerder, der im Uebrigen immer noch unter uns leben koennte, nie zur Verantwortung gezogen wurde.