Erzwungene Mord-Geständnisse – Matrosen nach 20 Jahren begnadigt Stand: 14:28 Uhr | Lesedauer: 3 Minuten
Ein Fehlurteil mit 20 Jahre währenden Folgen – vier ehemalige Matrosen saßen wegen Vergewaltigung und Mordes in Haft. Jetzt wurden sie begnadigt. Der Gouverneur sprach von „schwerwiegender Ungerechtigkeit“.
Späte Genugtuung nach einem gravierenden Justizirrtum: Im US-Staat Virginia sind vier frühere Matrosen 20 Jahre nach ihrer Verurteilung wegen Vergewaltigung und Mordes einer Frau begnadigt worden. Der demokratische Gouverneur Terry McAuliffe sprach das vollständige Pardon über die als „Norfolk Four“ bekannten Männer am Dienstagabend (Ortszeit) aus.
Mit der vollen Begnadigung müssen die vier keine Angaben mehr über ihre Verurteilung machen. Anwälte hatten auf dieses Pardon des Gouverneurs bestanden, damit die vier sich ein neues, unbelastetes Leben aufbauen können. Zugleich beendet die Begnadigung den jahrzehntelangen Streit darüber, ob die Männer die Vergewaltigung und Ermordung von Michelle Moore-Bosko 1997 unter einschüchternden Verhörtaktiken der Polizei gestanden hatten.
„Diese Begnadigungen schließen nun ein Kapitel schwerwiegender Ungerechtigkeit, das diese vier Männer fast 20 Jahre lang geplagt hatte“, sagte Brian Coy, der Sprecher von Gouverneur McAuliffe, in einer E-Mail. George Kendall, einer der Anwälte der vier, rief den Staat dazu auf, zu untersuchen, wie es zu diesen falschen Ermittlungen kommen konnte, um künftige Justizirrtümer zu verhindern.
Eric Wilson, einer der vier Begnadigten, sagte in einer ersten Reaktion, der Gouverneur habe „uns unser Leben mit der vollen Begnadigung zurückgegeben“. DNA-Spuren hatten einen anderen Mann, Omar Ballard, mit den Verbrechen in Verbindung gebracht. Ballard gestand, dass er der einzige Verantwortliche dafür sei und sitzt nun eine lebenslange Strafe ab.
Die „Norfolk Four“ waren unter diesem Namen bekannt geworden, weil alle vier auf dem Marinestützpunkt in Norfolk in Virginia stationiert waren. Ihr Fall erregte große Aufmerksamkeit, als Dutzende frühere FBI-Agenten, Ex-Staatsanwälte und Erfolgsschriftsteller John Grisham ihre Unschuldsbeteuerungen unterstützten.
Einer ihrer Anwälte sagte nach der Begnadigung, sie seien berechtigt, vom Staat eine Entschädigung zu bekommen. Drei von ihnen – Danial Williams, Joseph Dick and Derek Tice – waren bereits 2009 wegen Zweifeln an ihrer Schuld vom damaligen demokratischen Gouverneur Tim Kaine begnadigt und freigelassen worden. Doch ihre Verurteilung blieb in den Akten.
Wilson, der wegen Vergewaltigung und nicht auch wegen Mordes verurteilt worden war, hatte bereits früher das Gefängnis verlassen können. Die jetzt erfolgte, vollständige Begnadigung war der einzige Weg, um sich nicht mehr als Sexualstraftäter registrieren lassen zu müssen. Als solcher war ihm bisher verwehrt gewesen, seinen Stiefsohn zu adoptieren.
„Wir sind 20 Jahre durch dieses Fehlurteil gejagt worden, was tiefen Schmerz, Strapazen und Stress für jeden von uns und für unsere Familien bedeutete“, schrieb Wilson in einer Erklärung. „Jetzt freuen wir uns darauf, unseren Ruf wiederherzustellen und unsere Leben wieder aufzubauen.“
Williams war der Erste der vier, der unter Verdacht geriet, weil er im selben Haus wohnte wie das spätere Opfer: Eine der Nachbarinnen der Getöteten hatte der Polizei gesagt, er sei in Moore-Bosko vernarrt gewesen. Staatsanwälte warfen den vier schließlich vor, die Frau vergewaltigt und erstochen zu haben, als ihr Mann auf See war. Doch physische Beweise dafür gab es nicht, nur die erzwungenen Geständnisse.
Er habe schließlich gestanden, weil er wollte, dass das elfstündige Verhör ein Ende habe, sagte William. „Ich konnte es nicht mehr aushalten“, erklärte er während einer Anhörung im April 2015. „Ich konnte es nicht mehr ertragen, Lügner genannt zu werden, diesen Druck.“ Ihm sei zudem die Todesstrafe angedroht worden. Auch Tice and Dick sagten, sie seien damit unter Druck gesetzt worden.
Der Ermittler, der die Männer damals befragte, war Robert Glenn Ford. Ein Gericht verurteilte ihn 2011 wegen Erpressung und Lügen gegenüber dem FBI in Fällen, die nichts mit den „Norfolk Four“ zu tun haben. Derzeit sitzt er eine Gefängnisstrafe von zwölfeinhalb Jahren ab – er hatte Zehntausende Dollar von Drogenhändlern kassiert, um ihnen im Gegenzug vor Gericht eine mildere Strafe zu verschaffen.