Im Alter von 61 Jahren Justizopfer Monika de Montgazon gestorben Von Uta Eisenhardt radelt mit Familie. Uta Eisenhardt 01.03.17, 17:04 Uhr
Sie war eines der bekanntesten deutschen Justizopfer: 889 Tage hatte Monika de Montgazon unschuldig im Gefängnis gesessen. Wie erst jetzt bekanntwurde, ist die Arzthelferin Ende Dezember im Alter von 61 Jahren gestorben. Verwandte hätten sie tot in ihrer Neuköllner Wohnung gefunden, bestätigte ihr Schwager Rudolf Jursic auf Nachfrage. Die Leiche sei obduziert worden, sagte Jursic. Eine genaue Todesursache stehe nicht fest, so Jursic. Fremdverschulden oder Suizid würden aber ausgeschlossen.
Monika de Montgazon stand mehr als vier Jahre unter dem Verdacht, ihren Vater verbrannt zu haben. Sie wurde aufgrund eines Brandgutachtens des Berliner Landeskriminalamtes des Mordes beschuldigt. Nach diesem Gutachten, das später für falsch erklärt wurde, sollte sie im September 2003 im Haus ihres Vaters am Britzer Uhuweg mehrere Liter Spiritus verteilt und angezündet haben. Ihr 76-jähriger krebskranker Vater hatte im ersten Obergeschoss im Bett gelegen. Monika de Montgazon, damals 47 Jahre alt, hatte ihn gepflegt. Der Vater starb in den Flammen.
Freispruch im zweiten Prozess
Im Januar 2005 wurde Monika de Montgazon nach siebenmonatiger Verhandlung in einem ersten Prozess wegen Mordes mit besonderer Schwere der Schuld zu lebenslanger Haft verurteilt. Nach Ansicht der Richter hatte die Arzthelferin die Versicherung für das Haus kassieren wollen. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf. Die obersten Richter bemängelten, dass in dem Verfahren lediglich den Ergebnissen der Berliner LKA-Mitarbeiter, nicht aber diversen entlastenden Gutachten Glauben geschenkt wurde. In einem zweiten Prozess wurde die Frau freigesprochen. Eine Gutachterin des Bundeskriminalamtes hatte eindeutig Brandstiftung ausgeschlossen. Sie ging eher davon aus, dass der Vater im Bett geraucht habe und Glut auf die Matratze gefallen sei.
Monika de Montgazon kam nach 889 Tagen aus der Haft frei. Sie zog in eine kleine Wohnung in Neukölln. Ihr Schwager Rudolf Jursic hatte die Frau die ganze Zeit während ihrer Haft unterstützt.
Nach dem Freispruch wurden die Untersuchungsmethoden der LKA-Chemiker geprüft. Externe Wissenschaftler wiesen darauf hin, dass die Kollegen längst bekannte internationale Studien ignoriert hätten. Personelle Konsequenzen für die LKA-Brandermittler gab es nicht. Im September 2009 schrieb der damalige Polizeipräsident Dieter Glietsch an Monika de Montgazon: „Die Frage, ob die damals Handelnden den heutigen Wissensstand hätten erreichen können, kann ich Ihnen nicht beantworten. Unabhängig davon bedauere ich zutiefst, dass Sie über Jahre hinweg unter der Last des Verdachts und des Verfahrens zu leiden hatten.“
Viele Klagen
Jahrelang kämpfte Monika de Montgazon mit Hilfe ihres Schwagers vor den Zivilgerichten um Wiedergutmachung. Ihr Fall erregte bundesweit Aufsehen, weil sie so wenig staatliche Unterstützung bekam. Sie erhielt zunächst nur eine Haftentschädigung von elf Euro pro Tag. Erst aufgrund ihres Falles wurde das Entschädigungsgesetz geändert, inzwischen liegt der Tagessatz bei 25 Euro.
In ihrem Beruf konnte sie nicht mehr arbeiten, sie fand nach der Haft keinen Job mehr. Erst nach mehreren Klagen vor Gericht erreichte sie , dass die Berliner Justiz ihr bis zuletzt einen monatlichen Schadensersatz in Höhe ihres letzten Gehaltes als Arzthelferin zahlte.
Bis zum Schluss kämpfte Monika de Montgazon aber um die Übernahme der vollständigen Kosten für die fünf Brandgutachten, mit denen letztendlich ihre Unschuld bewiesen werden konnte. Rund 114 000 Euro hatten sie diese Gutachten gekostet. Lediglich 82.000 Euro bekam sie später zurück. Das Kammergericht hielt die Kosten für die Gutachten für zu hoch.
Nach der Entlassung aus dem Gefängnis habe sie allein gelebt und sich immer mehr zurückgezogen, berichtete ihr Schwager Rudolf Jursic. Sie sei kaum noch aus dem Haus gegangen, habe keine Kontakte mehr gepflegt und zum Schluss auch nicht mehr geöffnet, wenn jemand an ihrer Tür geklingelt habe. Auch zu Ärzten sei sie nicht gegangen, obwohl er es ihr immer wieder geraten habe, sagte Jursic.
Anfang März soll Monika de Montgazon auf einem Kreuzberger Friedhof beigesetzt werden. Im Kreise der Familie.
Justizirrtum Unschuldig verurteilt – und zur Kasse gebeten
Monika de Montgazon saß nach einem Fehlurteil 888 Tage im Gefängnis. Nun soll sie laut Kammergericht 32.000 Euro bezahlen. VON LARS VON TÖRNE
Der Fall erregte bundesweit Empörung: Knapp zweieinhalb Jahre lang saß die Berliner Arzthelferin Monika de Montgazon im Gefängnis, 888 Tage. Wegen Mordes an ihrem Vater zu lebenslänglich verurteilt, mit besonderer Schwere der Schuld, also ohne Aussicht auf Freilassung. Bis sich herausstellte, dass die Gutachten des Landeskriminalamtes falsch waren, die den Verdacht gestützt hatten, sie habe das von ihr, ihrem Lebensgefährten und ihrem kranken Vater bewohnte Haus in Buckow angezündet, um den 76-Jährigen zu töten und die Versicherungssumme zu kassieren. Dass sie im März 2006 das Gefängnis wieder verlassen konnte, hatte sie umfangreichen Gegengutachten zu verdanken, die sie selbst mit Hilfe ihres Schwagers beauftragt hatte.
Diese kamen zu dem später auch vom Bundeskriminalamt geteilten Ergebnis, dass der Brand durch eine brennende Zigarette im Bett des Vaters ausgelöst worden sei – ein Unfall, kein Mord. Daraufhin hob der Bundesgerichtshof das Urteil auf, vor vier Jahren wurde sie freigesprochen – und streitet bis heute um eine angemessene Entschädigung für das erlittene Unrecht. Anfangs waren ihr elf Euro pro Hafttag angeboten worden, jetzt wartet sie auf eine Entscheidung der Senatsjustizverwaltung, ob es für die Haft, den verlorenen Job und die ausgefallenen Rentenansprüche nicht doch mehr Geld gibt.
Nun hat ihr das Kammergericht einen weiteren „Schlag ins Gesicht“ verpasst, wie die 56-Jährige am Mittwoch bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit dem Vorsitzenden des Berliner Anwaltsvereins, Ulrich Schellenberg, sagte. Am 20. März hat nämlich das Gericht beschlossen, dass der zu Unrecht Verurteilten ihre Gutachterkosten nicht komplett erstattet werden, sondern nur ein Teil davon. Gut 113 000 Euro haben die Gutachten insgesamt gekostet, das Gericht will aber nur 86 000 Euro erstatten und fordert noch 5000 Euro von bisher erstatteten Zahlungen zurück. Das heißt: 32 000 Euro soll de Montgazon aus eigener Tasche bezahlen.
Inzwischen betreibt sie eine Disco in Neukölln
Eine auch aus Sicht des Anwaltsvereins unmögliche Forderung, wie Schellenberg sagt. Er forderte Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) auf, „so schnell wie möglich eine unbürokratische Lösung zu finden, wie dieser Schaden abgewendet werden kann“. Zwar habe de Montgazon bereits eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Entscheidung kann aber dauern. Deswegen müsse der Senator in diesem Sonderfall eine schnelle Lösung finden. Die Justizverwaltung lehnte am Mittwoch eine Stellungnahme zu dem Appell ab, da er noch nicht schriftlich vorlag.
Wieso das Kammergericht die Zahlung der Kosten für die fünf Gutachten ablehnte, die zu dem Freispruch führten, wird aus einem der Beschlüsse deutlich, die de Montgazon und Schellenberg vorlegten. „Von der Erstattungspflicht ausgenommen sind Kosten, die eine wirtschaftlich denkende Person nicht aufgewandt hätte“, heißt es darin. Mit anderen Worten: Die zu lebenslanger Haft Verurteilte hätte aus dem Gefängnis heraus mit den Gutachtern günstigere Tarife aushandeln sollen. Das Gericht hält Stundensätze von bis zu 84 Euro für vertretbar. Die von de Montgazon über ihren Schwager beauftragten Gutachter haben hingegen bis zu 125 Euro berechnet. Aus Sicht des Kammergerichts habe sie „nicht plausibel dargelegt“, wieso die Kosten nötig waren. „Die erhebliche Bedeutung, welche die Angelegenheit für die Beschwerdeführerin hatte, vermag einen darüber hinausgehenden Satz nicht zu rechtfertigen.“
Nun sitzt de Montgazon auf Rechnungen von 32 000 Euro, die sie mit ihrem knappen Einkommen nie begleichen kann, wie Anwaltsvertreter Schellenberg sagt. Dass das Gericht ihr vorwirft, im Gefängnis nicht wie eine „wirtschaftlich denkende Person“ gehandelt zu haben, findet er realitätsfern: „Wie soll jemand, der als lebenslänglich Verurteilter um seine Freiheit kämpft, marktgerechte Kosten mit Sachverständigen aushandeln?“
Monika de Montgazon hat sich inzwischen mühsam eine neue Existenz aufgebaut. Als Arzthelferin wollte sie nach ihrer Freilassung niemand einstellen, da ihr Gefängnisaufenthalt potenziellen Arbeitgebern suspekt war. Also machte sie sich selbstständig und betreibt heute eine Diskothek in Gropiusstadt, wie sie sagt. Wie sie das Geschehene verarbeitet hat? Anfangs hatte sie nach ihrer Freilassung psychologische Unterstützung, sagt sie, aber dann hätten ihr Gespräche mit Freunden und ihrer Familie am meisten geholfen, die traumatischen Ereignisse zumindest ansatzweise zu verarbeiten. Das Urteil zu den Gutachterkosten ist für sie jetzt ein herber Rückschlag: „Es nimmt einfach kein Ende“, sagt sie. „Aber ich kämpfe weiter.“