Verbindung zum Hehlermilieu Getöteter Angler: Tochter bringt neue Wendung in Kriminalfall 03.12.15 09:15
Offenbach - Ein Angler wird am Mainufer ins Koma geprügelt, erlangt nie mehr das Bewusstsein. Fast ein Jahrzehnt später ist noch kein Schuldiger für Dieter Grimms Tod gefunden. Wer nicht aufgibt, ist seine Tochter. Ihre Vermutung rückt den Fall nun in ein anderes Licht. Von Sarah Neder
Eigentlich starb Dieter Grimm zwei Mal. Das erste Mal vor acht Jahren am Mainufer in Fechenheim, als dem wuchtigen 66-Jährigen das Bewusstsein aus dem Leib geschlagen wird. Das zweite Mal 16 Monate später in einem Pflegeheim in Bad König, als der Körper nicht mehr mitmacht. Grimms Tochter Yvonne, 25, findet sich auch sieben Jahre danach nicht mit dem Tod ihres Vaters ab. Denn sie will endlich wissen, wer ihn umgebracht hat. Doch obwohl die Frankfurter Staatsanwaltschaft eine Belohnung von 5000 Euro ausgesetzt hat und der Fall im vergangenen Jahr in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ gezeigt wird, haben die Ermittler keine entscheidenden Hinweise bekommen. Zunächst gehen sie von einem Raubüberfall aus. Grimms Tochter glaubt von Anfang an nicht daran: „Das war kein Raub, das war Hass.“ Sie bringt ein anderes Motiv ins Spiel: Sie hält einen Racheakt aus kriminellen Kreisen für wahrscheinlich.
28. April 2007: Ein Radfahrer findet Dieter Grimm etwa hundert Meter östlich der Carl-Ulrich-Brücke im Gebüsch. Das Gesicht verformt, die Kleidung mit Blut verschmiert. Kurz darauf fliegt ein Helikopter den leblosen Körper in eine Frankfurter Notaufnahme. Schädeltrauma, Rippenbrüche, kollabierte Lunge: Es ist ein Tod auf Raten. Yvonne ist 16, als die damalige Lebensgefährtin ihres Vaters anruft. Es sei etwas passiert. Der Dieter sei beim Angeln zusammengeschlagen worden. Als Teenager, sagt Yvonne, konnte sie sich nicht vorstellen, dass Fäuste jemanden ins Koma bringen könnten. „Ich dachte, er hat eine gebrochene Nase oder so.“ Dann sieht sie ihn auf der Intensivstation. „Der Kopf war angeschwollen wie eine Melone. Überall war Blut.“ Ihre Augen werden feucht.
Der Tod ihres Vaters nimmt in Yvonnes Leben einen großen Platz ein. Daheim, im Offenbacher Nordend hat sie zwischen zwei beigen Ledersofas einen kleinen Schrein aufgebaut: Sein Porträt im Holzrahmen, vier Stumpenkerzen daneben. Die zündet sie an seinen beiden Todestagen an. Auf der Innenseite ihres linken Oberarms hat sie sich den Namen ihres Vaters tätowieren lassen. „Dieter“ in schwarzer, geschwungener Schrift. Obwohl Yvonne Grimm schon seit mehr als zwei Jahren in der Nähe des Mains wohnt, war sie seit der Tat nie mehr am Ufer. Zu groß ist der Schmerz, die Trauer, die Angst, wenn sie auf die andere Flussseite blickt.
10. August 2007: Unsere Zeitung berichtet über die Rekonstruktion der Frankfurter Polizei. In der Aprilnacht muss es zu einem heftigen Kampf gekommen sein. Dieter Grimm wird mit einem stumpfen Gegenstand schwer an Kopf und Gesicht verletzt. Seine Geldbörse bleibt verschwunden. Angelruten und Campingstuhl stehen unverändert am Tatort. Nachbarn sagen aus, Grimm zuvor mit einem Mann in seiner Wohnung gehört zu haben. Wer sein Besucher war, kam nie ans Licht.
Dieter Grimm soll sich schon lange in kriminellen Kreisen bewegt, soll Kontakte ins Frankfurter Rotlicht- und Hehlermilieu gehabt haben, erzählt seine Tochter. Bis Yvonne 13 Jahre alt wird, sitzt er wegen Einbrüchen fast ununterbrochen im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft will Verbindungen von Dieter Grimm in die kriminelle Szene nicht bestätigen. Doch Yvonne vermutet die Schuldigen im Milieu: „Vielleicht hat mein Vater irgendeine Dummheit gemacht, hat die Beute nicht geteilt.“ Fragen, die sich Yvonne Grimm seit Jahren stellt. Ein Treffen mit ihrem Vater kurz vor dem Angriff festigt den Verdacht.
1. Dezember 2006: Es ist Dieter Grimms Geburtstag. Yvonne und er sitzen in einer Kneipe. Nach ein paar Bieren sagt er: „Ich werde bald sterben. Du darfst dann nicht traurig sein.“ Doch sie ist es. Auch sieben Jahre später noch.
Sieben Jahre nach Mord in Frankfurt Hoffen auf neue Hinweise durch „Aktenzeichen XY“ 2007 wurde ein Angler am Mainufer in Frankfurt angegriffen und tödlich verletzt. Von einer Verbindung ins Hehlermilieu ist die Rede. Doch der Fall ist weiter ungeklärt. Nun hoffen die Ermittler auf „Aktenzeichen XY“. 05.02.2014, von KATHARINA ISKANDAR
Stumme Zeugen: die Kleidungsstücke des 2007 am Fechenheimer Ufer ermordeten Anglers aus Offenbach Fast sieben Jahre nach dem tödlichen Angriff auf einen Angler am Fechenheimer Mainufer rollt die Frankfurter Mordkommission den Fall wieder auf. Der Offenbacher Dieter G. war am 28. April 2007 mit schwersten Kopfverletzungen an seinem Angelplatz gefunden worden.
Er lag zunächst ein gutes Jahr lang im Koma, bevor er im August 2008 an den Folgen der Verletzungen starb. Die Ermittlungen führten zuletzt ins Einbrecher- und Hehlermilieu, gelöst werden konnte der Fall bis jetzt nicht. Nun erhoffen sich die Beamten durch die Fernsehserie „Aktenzeichen XY ungelöst“ den entscheidenden Hinweis auf den Täter. Die Staatsanwaltschaft hat die Belohnung auf 5000 Euro erhöht.
Der Fall hat die Mordermittler die ganzen Jahre über intensiv beschäftigt - auch deshalb, weil kein Motiv für die Tat erkennbar war. Dieter G. war an jenem Freitagabend des 27. April 2007 wie so oft mit dem Fahrrad von seiner Offenbacher Wohnung aus an das Fechenheimer Mainufer gefahren. Er stellte seinen Anhänger ab, holte die Köder hervor und setzte sich in einen alten Klappstuhl.
Ein Platz als Trümmerfeld Die Rekonstruktion der Tat ergab, dass der Sechsundsechzigjährige gegen 22 Uhr an seinem Angelplatz von einer Person oder mehreren Personen aufgesucht wurde. Dort kam es dann zu einem Kampf. Als die Polizisten am Morgen danach von einem Zeugen alarmiert wurden und an den Tatort kamen, stellte sich ihnen der sonst so beschauliche Platz im Grünen als Trümmerfeld dar.
Eigentlich beschaulich: In unmittelbarer Nähe zur Carl-Ulrich-Brücke wurde der Angler attackiert und am Kopf so schwer verletzt, dass er später starb An den Bäumen und Büschen waren Äste abgebrochen, die Angelutensilien fanden sich weit verstreut, der Klappstuhl lag umgekippt im Gras. Und mittendrin befand sich Dieter G. - das Gesicht und die Kleidung blutüberströmt.
Bis heute ist unklar, was genau sich an jenem Abend nur wenige Meter neben der Brücke abgespielt hat. Lange Zeit ging die Polizei davon aus, dass Dieter G. ein Zufallsopfer gewesen sein könnte, der zur falschen Zeit am falschen Ort war. Dass es sich in erster Linie um ein Raubdelikt handelte, das dann ausartete.
Verbindung ins Hehlermilieu Doch dann erschien es den Ermittlern immer wahrscheinlicher, dass G. den Täter kannte, wenngleich das passende Motiv fehlte. Erst als der Offenbacher kurz vor seinem Tod aus dem Koma erwachte und vage Angaben zur Tat machen konnte, erschloss sich den Beamten die Verbindung ins Hehlermilieu. Die Angaben sollen eher wirr gewesen sein, aber dennoch konkret genug, um die Ermittlungen voranzutreiben. Und so mutmaßen die Ermittler nun, dass G. in früherer Zeit einmal Kontakt zu Hehlern hatte. Und dass ihn diese Vergangenheit am 27. April 2007 eingeholt hat.