Nach einer Pause folgt um 13.25 Uhr die Einvernahme des Physikers und Waffensachverständigen Ruprecht Nennstiel vom BKA Wiesbaden. Götzl sagt, es gehe ihm um die Untersuchung einer Pistole Ceska 83 mit Schalldämpfer und 12 Patronen, des weiteren einer Pistole Bruni und um einen Spurenvergleich von Vergleichsmunitionsteilen mit der zentralen Munitionssammlung des BKA. Nennstiel sagt, er habe zwei Gutachten gemacht, einerseits eine waffentechnische Begutachtung und rechtliche Einordnung und andererseits eine Identifizierung, Zuordnung zu Straftaten. Zur waffentechnischen Untersuchung sagt er, die Waffennummer der Ceska sei zunächst noch nicht erkennbar gewesen, sondern sei erst später sichtbar gemacht worden, es handele sich um die Nummer 034678. Die Waffe sei mit einem Schalldämpfer versehen gewesen und habe von der einschickenden Dienststelle, der PD Zwickau, die Spurnummer W04 bekommen. Zusammen mit der Waffe habe es 12 messingfarbene Vollmantelgeschosse der tschechischen Forma Sellier & Bellot gegeben, 11 im Magazin und eine im Lager. Es sei dann darum gegangen, ob die Waffe überhaupt funktioniert. Zumindest optisch sei die Waffe in einem ganz schlechten Zustand gewesen. An der Waffe bzw. dem Schalldämpfer habe man Reste einer Kunststofffolie gefunden, die verschmolzen sei, weil die Waffe hohen Temperaturen ausgesetzt gewesen sei. Nach einer vorsichtigen Reinigung habe die Waffe beschossen werden können, um Vergleichsmunitionsteile aus der Waffe zu gewinnen. Die Waffe funktioniere einwandfrei und auch die Patronen seien augenscheinlich funktionsfähig. Zur technisch-rechtlichen Bewertung sagt Nennstiel, es handele sich zweifelsfrei um eine halbautomatische Schusswaffe, bei der man zum Besitz eine Waffenbesitzkarte und zum Führen einen Waffenschein oder Jagdschein benötige. Dieselben Bedingungen würden für den Schalldämpfer gelten. Zur Einschätzung von dessen Dämpfungsleistung hätten sie, so Nennstiel, die Waffe einmal mit und einmal ohne Schalldämpfer beschossen, die Dämpfungsleistung betrage 20,7 dB(C).
Zur Spurenuntersuchung sagt Nennstiel, beim Vergleichsbeschuss sei mit den Munitionsteilen ein Vergleich mit der zentralen Tatmunitionssammlung des BKA durchgeführt. Dort würden Munitionsteile aus sämtlichen unaufgeklärten Taten aufbewahrt. Die Spuren auf Munitionsteilen, die jede Waffe hinterlasse, seien individuell. Auch wenn die Waffe nicht bekannt sei, könne man sagen, ob es sich um dieselbe Waffe handelt. In diesem Fall habe aber man die Waffe zur Verfügung, aus der die Vergleichsmunitionsteile stammen. Wenn man das mit den gesammelten Tatmunitionsteilen vergleiche, könne man das beurteilen. Das sei hier der Fall, so Nennstiel, er könne die Nummern verlesen. Man mache das getrennt für Hülsen und Projektile. Bei den Hülsen verweist Nennstiel auf eine Tabelle im Gutachten. Daraus könne man entnehmen, um welche Straftat es sich handelt. Bei den Geschossen gebe es insgesamt neun Zuordnungen. Die Munitionsteile befänden sich beim BKA in Verwahrung. Bei der Bruni-Pistole sei die gleiche Untersuchung durchgeführt worden. Die Waffennummer sei noch einwandfrei zu lesen gewesen. Auch diese Waffe sei in einem schlechten Zustand gewesen, habe aber durch Reinigung beschussfähig gemacht werden können, um Vergleichsmunitionsteile zu gewinnen. Zur rechtlich-technische Bewertung sagt Nennstiel, auch die Bruni sei eine halbautomatische Schusswaffe, bei der man zum Besitz eine Waffenbesitzkarte und zum Führen einen Waffenschein oder Jagdschein benötige. Was die Hülsen angeht, gebe es zwei Übereinstimmungen. Beim Vergleich der Projektile habe keine eindeutige Identifizierung durchgeführt werden können. Das könne daran liegen, dass die Waffe zwischen der Tatbegehung und Sicherstellung etliche Veränderungen erfahren habe. Es sei weder ein Beweis noch ein Ausschluss möglich.
Götzl hält vor, dass im Gutachten stehe, bei der Sammlungsnummer 44320 sei eines der ursprünglich zwei Geschosse im Verlauf der Vergleichsarbeit vertauscht worden und unauffindbar. Nennstiel bestätigt das. Nennstiel sagt, er habe zur Verdeutlichung seiner Ausführungen eine Power-Point-Präsentation angefertigt, die an die Wände projiziert wird. Zunächst wird die Ceska 83 von beiden Seiten gezeigt. Das sei die Waffe in dem Zustand, in dem sie ihnen übergeben wurde, so Nennstiel. Was da so nach oben stehe, sei eine offenbar verschmorte Plastiktüte. Es folgen Aufnahmen aus einen Rasterlektronenmikroskop. Es gehe hier um die Spurenübereinstimmung, sagt Nennstiel. In der Mitte sehe man einen hellen Trennstrich, es sei eine so genannte „Schmetterlingsdarstellung“, das sei aufgeklappt an der Schnittkante in der Mitte. Es handele sich hierbei um Verfeuerungsspuren des so genannten Stoßbodens, also des Teils der Waffe, wo der Boden der Patrone aufliegt. Bei diesen Aufdrücken spiegele sich der Stoßboden aus Stahl auf der Patronenhülse, die aus Messing bestehe, einem weicheren Material, der Stoßboden hinterlasse ein Abbild. Bei der Zündung werde ein Stahlstift in das Zündhütchen getrieben. Das harte Material hinterlasse auf dem weichen Zündhütchen Spuren. Links sehe man die Tat-, rechts die Vergleichsmunition. Der Schlagbolzen der Ceska 83 habe die Tatmunition gezündet. Folie 6 zeige Spuren des Auswerfers, der die Hülse nach dem Schuss auswirft. Dort pralle wieder ein Metallstift auf die Hülse und die Kante einer Aussparung hinterlasse eine Spur. Links sehe man die Tatmunition, rechts das Vergleichsstück. An der Trennkante erkenne man wieder die Übereinstimmung. Nennstiel sagt, die Projektile hätten sechs Felder und Züge im Rechtsdrall. Bei den nächsten Folien geht es um die Pistole Bruni. Die ersten Bilder zeigten die Bruni im Einlieferungszustand, stark verschmutzt. Die nächsten Folien zeigten dann einen Ausschnitt des Schlagbolzeneindrucks, links sehe man die Tatmunition, rechts die Vergleichshülse, man sehe übereinstimmende Spuren des Schlagbolzens. Das letzte Bild zeigt das Vergleichsrasterelektronenmikroskop. Nennstiel: „Also ein imposantes Gerät.“
Zum Abschluss seiner Ausführungen lässt Nennstiel noch zwei Videoclips vorführen, die den Schussvorgang der Ceska 83 in Zeitlupe zeigen. Man sehe hier das Geschoss aus dem Schalldämpfer austreten, so Nennstiel, und wie die Hülse ausgeworfen wird. Da sehe man, wie die Hülse in Kontakt komme mit diversen Bauteilen der Waffe. Das ermögliche, die Waffe zu identifizieren. Das seien Ereignisse, die in sehr kurzer Zeit, ca. 30 Millisekunden geschehen, das sei üblicherweise nicht sichtbar mit dem Auge. Götzl fragt zu Aluminiumantragungen. Das wolle er Herrn Pfoser überlassen, der das festgestellt habe, so Nennstiel. Es sei aber allgemein so, dass der Schalldämpfer aufgeschraubt werde und das Projektil ohne Touchieren auch aus dem Schalldämpfer austreten solle. Andererseits wolle der Konstrukteur erreichen, dass die Gase möglichst im Schalldämpfer gefangen werden, weil die ja einen Knall erzeugten. Das sei eine diffizile Angelegenheit und wenn der Schalldämpfer „nicht exakt fluchtet“, komme das Geschoss mit Bauteilen mehr oder weniger in Berührung. Zur Dämpfungsleitung des Schalldämpfers sagt Nennstiel, die Waffe sei sowohl mit als auch ohne Schalldämpfer laut. Über den Daumen gepeilt seien 6 dB etwa eine Halbierung des Schalldrucks. Trotzdem sei die Waffe auch mit Schalldämpfer sehr laut. Bei Straßenlärm sei das aber wieder anders, als wenn die Waffe z. B. hier in diesem Raum abgefeuert würde. Ein Richter fragt, mit welchen Munitionsfabrikaten die Vergleichsbeschüsse durchgeführt worden seien. Das könne er jetzt nicht sagen, so Nennstiel, aber man nehme in der Regel die Munition, die auch der Täter verwendet hat. Der Richter möchte zur Tatmunition weiter fragen, wird jedoch von Götzl unterbrochen, das sei der Bereich, mit dem sich der Sachverständige Pfoser beschäftigt habe. Auf Frage von OStain Greger sagt Nennstiel, dass die Bruni im Original eine „8mm Knall“ sei, die zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt umgearbeitet worden sei durch Einsetzen eines anderen Laufes, Kaliber 6,35. RAin Schneiders fragt zur zweiten Abbildung der Power-Point-Präsentation, ob es ich bei der Schmetterlingsdarstellung um die selbe Größendarstellung handele. Das bestätigt Nennstiel. Möglicherweise irritiere Schneiders das Zündhütchen, der große Kreis. Das komme darauf an, wie die Patrone auf dem Stoßboden aufliegt, die eine liege etwas höher als die andere. Aber man vergleiche ja die Spuren an der Schnittkante. Auf Frage von RA Hösl, Verteidiger von Carsten S., sagt Nennstiel, es gebe bei der Ceska keine Anzeichen für irgendwelche Manipulationen. Die Einvernahme von Nennstiel wird unterbrochen.
Dann wird die bereits früher begonnene Einvernahme des Sachverständigen Pfoser fortgesetzt ...............