Von: Tonia Haag, ddp Letzte Aktualisierung: 4. November 2007, 07:31 Uhr DORTMUND. Es war wie an so vielen anderen Tagen zuvor. Unweit ihres Elternhauses schlenderte Sandra Niemczyk am 26. April 1995 in der Dortmunder Innenstadt herum. Auf die Rückkehr der Zehnjährigen wartete ihre Mutter jedoch vergeblich. Wie Sandra verschwanden allein im vergangenen Jahr in NRW 3364 Kinder.
Doch sie alle kehrten schließlich nach Hause zurück. Sandras Mutter hingegen weiß auch über zwölf Jahre nach dem Verschwinden ihrer Tochter nicht, was mit ihr geschah.
Mit großen runden Kinderaugen schaut Sandra von dem Fahndungsplakat, mit dem die Polizei seit 1995 nach ihr sucht. Auf zahlreichen deutschen wie ausländischen Vermisstenseiten im Internet ist das Bild inzwischen zu sehen, und auch im Büro der Vermisstenstelle bei der Dortmunder Polizei hängt es an der Wand. „Es erinnert uns daran, dass wir den Fall noch nicht gelöst haben”, sagt Wolfram Frebel, der seit zwei Jahren in der Vermisstenstelle arbeitet.
Rund 60 verschiedenen Hinweisen ging die Polizei nach Sandras Verschwinden nach. Eine heiße Spur oder gar einen dringenden Tatverdacht habe es jedoch nie gegeben, sagt Barbara Kunze von der Dortmunder Staatsanwaltschaft. Der Fall Sandra Niemczyk ist für die Polizei außergewöhnlich. Meist kläre sich das Verschwinden eines Kindes sehr schnell auf, sagt Frebel. „Oft vergessen die Kinder einfach die Zeit beim Spielen und kommen nicht rechtzeitig vom Spielplatz oder von ihren Freunden nach Hause”, berichtet der Polizeibeamte. Sei das Kind jedoch bei Einbruch der Dunkelheit immer noch nicht zurück, „dann müssen wir auch andere Dinge, Schlimmeres, in Betracht ziehen”.
Neben Sandra gelten derzeit zwei weitere Kinder in NRW als langzeitvermisst. Der zwölfjährige Emin Önen aus Kerpen hatte im Mai 1993 einen Freund besuchen wollen und war nie wieder gesehen worden. Ein knappes Jahr nach Sandra, am 13. Februar 1996, verschwand zudem die damals achtjährige Deborah Sassen aus Düsseldorf. Ob die drei Kinder Opfer eines Gewaltverbrechens wurden, ist bis heute unklar. Die Akten der drei vermissten Kinder sind daher immer noch nicht geschlossen. „Mord verjährt nie”, sagt Frebel, und ein solches Kapitalverbrechen sei nicht auszuschließen. Immer wieder würden daher die Akten hervorgeholt, in der Hoffnung, einen neuen Ansatzpunkt zu finden.
Im Zusammenhang mit Sandras Verschwinden gab es zwar seit Anfang 1996 keine neuen Hinweise mehr. „Aber wenn es beispielsweise neue Techniken wie verbesserte DNA-Analysen gibt, dann rollen wir solche Fälle wieder auf”, berichtet Frebel. Das seien sie auch den Angehörigen schuldig, sagt der Polizeibeamte. „Es ist schlimm, wenn man einer Mutter sagen muss, dass ihr Kind ermordet wurde. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass Eltern lieber hören würden, dass ihr Kind tot ist, als weiterhin mit der Ungewissheit zu leben.” Vage Hoffnungen, die sich Angehörige von Vermissten auch nach Jahren noch machten, verhinderten einen wirklichen Abschluss, ist Frebel überzeugt. „Die Menschen wollen Abschied nehmen, und sei es bei einer Beerdigung.”
Es war wie an so vielen anderen Tagen zuvor: unweit ihres Elternhauses schlenderte Sandra Niemczyk am 26. April 1995 in der Dortmunder Innenstadt herum. Auf die Rückkehr der 10-jährigen wartete ihre Mutter jedoch vergeblich. Sandra kam nicht mehr nach Hause. Bis heute ist sie spurlos verschwunden. Ich möchte auf Sandras Schicksal aufmerksam machen. Seit 25 Jahren lebt die Familie in Ungewissheit, was mit Sandra passiert ist. Ich hoffe das dieser "Missing Cold Case" doch noch aufgeklärt wird.
Die Polizei geht mittlerweile davon aus, das Sandra Niemczyk, Opfer eines Tötungsdelikts geworden ist.
Bis heute ist nicht bekannt, was mit Sandra geschehen ist, wo sie sich befindet und ob sie überhaupt noch lebt. Alle Hinweise und Ermittlungen waren bislang ergebnislos und eine Verbindung zu anderen Mord- und Vermisstenfällen konnten nicht bestätigt werden. Zwar geriet der französische, in Frankreich und Belgien aktive Serienmörder Michel Fourniret ins Visier der Ermittler, allerdings bestätigten sich auch hier die Verdachtsmomente nicht.
Sicher ist, dass Sandra an jenem Mittwochnachmittag, nachdem sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte und anschließend mit anderen Kindern spielte, gegen 18 Uhr von Zeugen gesehen wurde:
ein fremder, ca. 1,70 m großer und ca. 35-40 Jahre alter Deutscher, mit ungepflegten, dunkelblonden Haaren und einen leichten Oberlippenbart, soll das mit einer schwarzen Bomberjacke und roten Jeans bekleidete Mädchen in der Brückstraße zu einem Eis eingeladen haben.
Danach verliert sich ihre Spur.
Trotz der umfangreichen und groß angelegten Suchmaßnahmen der Polizei mit Hubschraubern, Spürhunden und Plakataktionen im gesamten Dortmunder Stadtgebiet, konnte das Mädchen nicht gefunden werden.
Auch die ausgelobte Belohnung von damals 10.000 DM brachten keine heiße Spur.
Zehn Jahre später verfolgte die Polizei einen neuen Hinweis: der Kindermörder Marc Hoffmann hatte gegenüber eines Mithäftlings weitere Kindermorde gestanden!
War Sandra Niemczyk eines dieser Opfer?
Der Verdacht bestätigte sich nicht.
Im Januar 2015 wurde ein systematischer DNS- Abgleich durchgeführt: leider ohne Ergebnis.
1.Wer Sandra gesehen oder etwas über sie gehört hat, Angaben zu ihrem Verschwinden oder ihren derzeitigen Aufenthaltsort machen kann, sollte sich bitte umgehend an eine beliebige Polizeidienststelle wenden. 2.Wer hat Sandra und ihren unbekannten Begleiter gesehen? 3.Wer hat Beobachtungen gemacht, die mit dem Verschwinden von Sandra Niemczyk in Verbindung gebracht werden können? 4.Wer hat Sandra Niemczyk nach dem 26. April, 18:00 Uhr gesehen? 5.Jeder Hinweis ist wichtig, damit der Fall Sandra Niemczyk endlich aufgeklärt werden kann! Bitte denken Sie auch an die Familie von Sandra, die seit 25 Jahren in Ungewissheit lebt.
Hinweise an die Kriminalpolizei Dortmund oder an jede andere Polizeidienststelle.
Mädchen verschwindet spurlos - nach 25 Jahren gibt es nun neue Hinweise
1995 verschwindet eine Zehnjährige in der Innenstadt - am hellichten Nachmittag. Bis heute gibt es keine Spur. Jetzt setzen Ermittler neu an, um das Schicksal von Sandra Niemczyk zu klären.
von Dietmar Seher
Dortmund
, 26.08.2020, 04:30 Uhr
Es ist nur ein kleines Stück der großflächigen Dortmunder City. Im Süden die Brückstraße. Im Norden der Burgwall. Dazwischen die Gerberstraße, in der Sandra mit ihrer Mutter wohnte. Doch wer die Dortmunder Kriminalgeschichte kennt, weiß: Die paar Hundert Quadratmeter Pflaster sind der Schauplatz eines der mysteriösesten Verbrechen der letzten drei Jahrzehnte in dieser Stadt. Sandra Niemczyk, zehn Jahre alt, verschwand hier 1995. Bis heute ohne jede Spur.