Ammertal - Es ist eine außergewöhnliche Geschichte über Inzest und Misshandlungen: Ein 33-Jähriger aus dem Ammertal soll seine Halbschwester (28) auf sadistische Weise sexuell malträtiert haben.
Alles begann vergleichsweise harmlos. Eine Frau (28) aus einem Dorf im Ammertal nahm Anfang des Jahres 2015 ihren Halbbruder (33) bei sich auf, nachdem dieser aus dem Gefängnis entlassen worden war. Ab Februar begannen die beiden Halbgeschwister, eine Beziehung zu führen. Damit nicht genug. Der 33-Jährige soll in der Folge gewalttätig geworden sein. Er habe sie geschlagen, malträtiert und vergewaltigt, heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft. Eine außergewöhnliche Geschichte von Inzest und Misshandlungen.
Der Kfz-Mechatroniker sitzt seit 28. August in Untersuchungshaft. Seit Dienstag muss er sich unter anderem wegen Beischlaf zwischen Verwandten, Vergewaltigung, Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Brandstiftung vor dem Landgericht München II verantworten.
Der 33-Jährige und die 28-Jährige haben die gleiche Mutter, wuchsen allerdings getrennt voneinander auf. Als die Frau 17 Jahre alt war, nahm sie zum ersten Mal Kontakt zu ihrem Halbbruder auf, wobei die Verbindung zwischenzeitlich immer mal abriss. Dennoch fanden sie wieder zusammen, bis sie ihn sogar in ihre Wohnung im Ammertal einziehen ließ.
Der 33-Jährige räumte über seinen Verteidiger Klaus Woryna ein, dass sich eine sexuelle Beziehung zwischen den Halbgeschwistern entwickelte, obwohl sie von ihrer Verwandtschaft wussten. Woryna stellte jedoch den Antrag, dass die Anklage wegen 20-fachen „Beischlafs zwischen Verwandten“ eingestellt wird. Seiner Rechtsauffassung zufolge gelte der entsprechende Inzest-Paragraf nur für Vollgeschwister. Sollte der Punkt nicht eingestellt werden, so verlangte er eine Vorlage des Falles beim Bundesverfassungsgericht.
Die schlimmsten Vorwürfe aus der Anklage bestreitet der 33-Jährige. Dazu gehören folgende: Im Juni 2015 soll er seine Halbschwester mit einer 0,33-Liter-Wasserflasche vergewaltigt haben. Im gleichen Monat habe er sie und sich in der Wohnung eingesperrt, sie am Hals gepackt und gegen die Wohnzimmertür gedrückt, so dass sie für einige Sekunden keine Luft bekam.
Auch soll er sie im Juli auf sadistische Weise sexuell malträtiert, mehrfach geschlagen und getreten haben. Der Angeklagte gestand lediglich, die Frau einmal während eines Streits, in dem sie ihn zu Unrecht beschuldigt habe, geschlagen zu haben. Er habe allerdings „Erinnerungslücken“ bei diesem Streit, weil er Kokain genommen habe. Ein anderes Mal habe er sie geschlagen, weil sie nicht aufhörte, ihn in die Brustwarzen zu beißen. Dabei sei ihr ein Zahn abgebrochen. „Aber ihre Zähne waren erheblich vorgeschädigt“, sagte der Verteidiger. Ein Nachbar aus dem Ammertal berichtete: „Seit er da war, ging’s rund im Haus.“ Er habe regelmäßig Gebrüll und Schmerzensschreie gehört. „Das war für mich nicht mehr wohnfähig.“
Inzwischen kamen kurzfristig noch neue Vorwürfe hinzu. Auch die Ex-Frau des Angeklagten meldete sich. Diese soll er ebenfalls vergewaltigt und gewürgt haben – was er bestreitet. Bei der Staatsanwaltschaft München I ist derweil auch ein Missbrauchsverfahren gegen ihn anhängig.
Außerdem hat er am 28. August 2015 ein Feuer in seiner Gefängniszelle gelegt, um sich umzubringen. Er entzündete Papier, Aktenordner und Kleidungsstücke. Der Brand griff tatsächlich auf Möbelstücke über. Der benachbarte Häftling roch allerdings den Rauch und schlug Alarm. Die Brandstiftung bezeichnete der 33-Jährige als „Kurzschlussreaktion“.
Angeklagter flippt bei Urteilsverkündung aus Nina GutvonNina Gut Ammertal - Der Mann, der seine Halbschwester im Ammertal vergewaltigt und misshandelt hat, muss für sieben Jahre ins Gefängnis. Außerdem muss er in den Entzug, um sein Alkohol- und Kokainproblem zu therapieren. Auch als der Richter das Urteil verlas, benahm er sich daneben.
Als der Vorsitzende Richter Oliver Ottmann das Urteil verkündet, lässt sich der 33-Jährige aus dem Ammertal tief auf seinem Stuhl sinken, dreht den Rücken zum Publikum und schüttelt den Kopf. Immer wieder quatscht er frech in die Worte des Vorsitzenden hinein. Bis zuletzt hatte er die meisten Vorwürfe bestritten. Doch das half ihm alles nichts. Das Landgericht München II verurteilt den vorbestraften Mann, der seine Halbschwester (28) und seine Ex-Frau misshandelte, zu sieben Jahren Haft und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.
Juristisch lautet das Urteil auf zweifache vorsätzliche Körperverletzung, zweifache gefährliche Körperverletzung, Vergewaltigung, Bedrohung, schwere Brandstiftung und versuchte besonders schwere Brandstiftung. Er hatte nämlich auch noch seine Zelle in der Haftanstalt München-Stadelheim angezündet.
Schon vor Jahren hatte er seine damalige Frau, die sich kurzfristig dem Prozess anschloss, am Küchentisch gewürgt. So sehr, dass sie kurz das Bewusstsein verlor. Anfang 2015 zog er dann nach einem Gefängnisaufenthalt zu seiner Halbschwester ins Ammertal – und begann eine Beziehung mit ihr. Die beiden Halbgeschwister waren nicht zusammen aufgewachsen und lernten sich erst kennen, als die Frau 17 war und Kontakt zu ihm aufnahm. Aufgrund dieser Verhältnisse sah das Gericht auch von einer Verurteilung wegen Beischlafs zwischen Verwandten ab.
Im Laufe der Beziehung, die durchaus „im SM-Bereich war“, wie der Vorsitzende ausführte, wandte der 33-Jährige jedoch Gewalt an, mit der die Schwester keineswegs einverstanden war. So schlug er sie etwa einmal, nachdem er Kokain genommen hatte, regelrecht zusammen. Ihr Gesicht und Körper waren von Blutergüssen übersät, wie Polizisten berichteten.
In der Nacht vom 22. auf den 23. Juli 2015 zwang er sie in der Wohnung und vor den Augen eines Bekannten im Ammertal zum Oralsex. Diese Tat bezeichnete der Richter als „Machtdemonstration“. Er habe seine Halbschwester als „Objekt der eigenen Lust“ gebrandmarkt. Es habe sich um eine „besondere Herabwürdigung“ vor den Augen des Bekannten gehandelt. Das bewertete das Gericht als strafverschärfend. Nach diesem Vorfall geriet der Angeklagte auch noch mit dem Bekannten in Streit und würgte ihn.
Ende Juli dann ein erneuter gewalttätiger Übergriff, den der Mann sogar eingeräumt hatte. Beim Liebesspiel biss die Halbschwester ihren Bruder in die Brustwarze. Dies war ihm jedoch zu fest. Er schlug ihr derart mit der Handkante ins Gesicht, dass ein Schneidezahn abbrach.
Am 28. August vorigen Jahres kam der 33-Jährige in Untersuchungshaft, wo er im Februar durchdrehte. Seine Stimmung war gedrückt, einen Fernseher konnte er sich nicht mehr leisten und er hatte keine sozialen Kontakte. Denn Kinderschänder und Sexualstraftäter werden von den Mithäftlingen im Gefängnis ausgegrenzt – sie stehen ganz unten in der Hierarchie. Deshalb wollte er verlegt werden. Am 11. Februar zündete er schließlich Papier und Kleidung in seiner Zelle an, das Feuer griff bereits auf Möbel über. Er wollte sich umbringen, sagt der Angeklagte. Er habe Druck ausüben wollen, sagt das Gericht. Schließlich habe er ja um Hilfe gerufen.
„Ich habe nicht um Hilfe gerufen!“, platzte der Angeklagte in die Urteilsbegründung. Der Vorsitzende mahnte ihn zur Ruhe. Doch da flippte der 33-Jährige erst richtig aus: „Warum soll ich mir das anhören? Das ist ein Haufen gequirlter Scheiße, die hinten und vorne nicht stimmt. Leck mich doch am Arsch.“ Das ließ der Richter nicht auf sich sitzen. Oben drauf gab es noch mal 600 Euro Ordnungsgeld – oder vier Tage Haft.