Gewalttaten gegenüber Tieren werden schon lange als Anzeichen für eine gefährliche psychische Störung angesehen, die sich nicht alleine auf Tiere beschränkt. «Jeder, der sich einmal daran gewöhnt hat, das Leben irgendeines Lebewesens als wertlos zu betrachten, läuft Gefahr, ebenfalls zu der Idee zu gelangen, dass menschliches Leben wertlos ist», schrieb der Humanist Albert Schweitzer.
«Mörder ... fangen oft damit an, dass sie als Kinder Tiere quälen und umbringen», so Robert K. Ressler, der für das FBI Profile über Serienmörder erstellte. Studien haben mittlerweile Soziologen, Gesetzgeber und Gerichte davon überzeugt, dass Gewalttaten gegen Tiere unsere besondere Aufmerksamkeit verlangen. Sie können erstes Anzeichen für eine gewalttätige Pathologie sein, die auch vor Gewalt gegen Menschen nicht haltmacht. Tiermissbrauch ist nicht nur Ergebnis eines geringen Persönlichkeitsfehlers beim Tierquäler, sondern vielmehr Symptom einer tiefen mentalen Störung. Forschungen in der Psychologie und der Kriminologie zeigen, dass Menschen, die Gewalttaten an Tieren ausüben, es oftmals nicht dabei belassen; viele von ihnen machen am Mitmenschen weiter. Eine von der Northeastern University und der Tierschutzorganisation SPCA in Massachusetts durchgeführte Studie ergab, dass Menschen, die Tiere quälen, fünfmal wahrscheinlicher Gewalttaten an Menschen verüben können.
Tierquälerei und häusliche Gewalt
Dr. rel. phil. Annamaria Grabowski (Magister der Psychologie und Diplompädagogin) erklärte gegenüber PETA: «Experten haben festgestellt, dass in Familien, in denen sexueller oder anderer Missbrauch an Tieren stattgefunden hatte, sehr viel häufiger auch Missbrauch an Kindern und jegliche Form von familiärer Gewalt vorgekommen war.» Eine Studie an Frauen in Wisconsin, welche die Dienste einer Einrichtung gegen häusliche Gewalt in Anspruch nahmen, ergab, dass von allen Frauen, die mit Tieren zusammenlebten, 80% auch miterleben mussten, wie ihr Partner das Tier misshandelte. Laut einer Studie von Frank Ascione, Ph.D., aus dem Jahr 1998 berichteten fast drei Viertel aller befragten missbrauchten Frauen, dass ihre Partner damit gedroht hatten, ihre Haustiere zu töten oder sie zu verletzen, oder dies auch tatsächlich gemacht haben. Gebhard et al. stellten bereits 1965 fest, dass von den Personen, die weibliche Minderjährige missbrauchten, 33% auch Tiere sexuell missbrauchten.
Tierquälerei unter Kindern und Jugendlichen
Mörder und Vergewaltiger haben oft in ihrer Kindheit Tiere gequält
Nur allzu oft wird Tierquälerei als Kinderstreich angesehen und mit dem alten Sprichwort «Jungs sind nun mal so» abgetan. Es ist jedoch fahrlässig, Statistiken zu ignorieren, die zeigen, dass Kinder, die Tiere verletzen, sich auf einem gefährlichen Weg befinden, der sich noch verschlimmern könnte, wenn nicht eingegriffen wird. Studien haben gezeigt, dass gewalttätige und aggressive Straftäter als Kinder mit grösserer Wahrscheinlichkeit Tiere misshandelt haben als Straftäter, die als nicht aggressiv betrachtet werden. In ihrem Buch «Brieffreundschaft mit einem Serienmörder» beschreibt Autorin Petra Klages die Entwicklung eines Jungen hin zum Mehrfachmörder. Wie viele Täter begann auch Axel F. (Name geändert) schon früh, andere Lebewesen zu quälen und damit regelrecht für die Taten an seinen menschlichen Opfern zu «üben». «Bevor die Pubertät einsetzte, kaufte und stahl er zahlreiche Kaninchen, die er öffnete, um seine Hände in das Blut der Tiere zu tauchen und in ihre Eingeweide zu versenken... Viele einschlägig bekannte Gewaltverbrecher, worunter sich ebenfalls Serienmörder wie Ted Bundy, Jeffrey Dahmer oder Ronny Rieken befinden, quälten bereits frühzeitig Tiere, bevor sie ihre brutalen und sadistischen Phantasien an Menschen praktizierten.»
Hinter der Fassade... Fallbeispiele, wie Tierquäler zu Mördern werden
«Psychiater und Ermittler beobachten seit Jahren, dass auffällig viele Mörder, Vergewaltiger und Totschläger in ihrer Jugend Tiere gequält haben. Amerikanische Forscher ermitteln bei Sexualstraftätern einen Anteil von fast 70% Tierquälern ... Offenbar ist Tierquälerei ein Warnzeichen ...», so der «Spiegel» im August 2005 in einem Bericht über den Serienmörder Frank Gust. Gust hat schon mit neun Jahren sein erstes Meerschweinchen getötet und sich daran erfreut, wie die Eingeweide aus dem Tier quollen. Später besorgte er sich Kaninchen, stellte sich aber zu diesem Zeitpunkt bereits vor, er habe ein grösseres Tier vor sich. «Während ich mir die Kaninchen vorgenommen habe», so Frank Gust, «hatte ich in der Phantasie schon zig Pferde abgeschlachtet». Gust verwirklichte seine Pläne, vergeht sich an Pferden, dann an toten Körpern in der Leichenhalle. Schliesslich verging er sich an vier Frauen und tötete und zerstückelte sie.
Rolf Diesterweg, der bereits als Sechzehnjähriger die zwölf Jahre alte Sylke M. erdrosselte und später Kim K. tötete, schlachtete schon als Kind ein Kaninchen, eine Katze und andere Tiere. Andreas H. und Frederik B. töteten im April 2009 in Eislingen die beiden Schwestern sowie die Eltern von Andreas H. kaltblütig mit 30 Schüssen. Vorher hatten sie bereits die Katze eines Nachbarn in einem Sack ermordet, eine Gans totgeschlagen und einen lebenden Igel auf den Grill gelegt.
Eric Harris und Dylan Klebold erschossen im April 1999 in Littleton zwölf Mitschüler und einen Lehrer und verletzten mehr als zwanzig weitere Menschen. Beide hatten Berichten zufolge zuvor damit geprahlt, Tiere zu verstümmeln. Martin P., der Amokläufer von Bad Reichenhall, schoss im Wald auf Tauben und andere Vögel und erschoss seine Katze auf dem Sofa.
Gewalttaten verhindern
Oftmals wird der Missbrauch von Tieren früher sichtbar als der Missbrauch von Kindern oder Frauen, da er in vielen Fällen nicht hinter verschlossenen Türen stattfindet. Auch unterscheidet sich die Gesetzgebung hinsichtlich Ermittlungen in den beiden Bereichen. Somit haben Mitarbeiter des Tierschutzes vielleicht schon Zugang zu einer Familie, wenn der Fall Mitarbeitern von Polizei und Sozialämtern noch nicht bekannt ist. Es ist daher unerlässlich, dass die unterschiedlichen Einrichtungen eng zusammenarbeiten, um sowohl Gewalt am Menschen als auch am Tier zu verhindern.
Eine niederländische Studie unter der Leitung von Dr. Enders-Slegers von der Universität Utrecht stellte 2009 die grundlegenden Probleme der Erfassung und Aufarbeitung derartiger Taten dar. Die Forscher gehen davon aus, dass sowohl Fälle von Tiermissbrauch als auch Fälle von Kindesmissbrauch und häuslicher Gewalt oftmals nicht gemeldet oder geahndet werden, und raten deshalb mit Nachdruck dazu, die Vernetzung zwischen verschiedenen Einrichtungen, wie der Polizei, Frauenhäusern, Sozialstellen, Tierschutzvereinen und Tierärzten, zu stärken. Dr. Astrid Kaplan schreibt in ihrem neusten Buch hierzu Folgendes: «Ein weiterer Bereich, in dem es notwendig ist, aktiv zu werden, ist die Legislative. Die Gesetze müssen eine klare Sprache sprechen, damit jedem deutlich wird, dass Gewalt gegen jedes fühlende Lebewesen – ob Mensch oder Tier – nicht akzeptabel ist.» Familientherapeutin Annegret Noble bestätigt den Ansatz der zwingenden Zusammenarbeit: «Wenn Kinder gezielt Tiere quälen, sollten Sozialarbeiter, Tierschutzbeauftragte und die Polizei miteinander kommunizieren, um diesen Kindern zu helfen. Entweder um sie vor der Gewalt, die sie vielleicht selbst erleben, zu bewahren oder um ihnen Alternativen anzubieten, bevor sich gewalttätige Verhaltensmuster festigen.»
Solange Eltern, Lehrer und sogar das Gesetz Tierquälerei oft als Lappalie ansehen, müssen wir uns nicht wundern, wenn diese Tierquäler dann plötzlich gewalttätig gegen Menschen werden. Wer hingegen schon als Kind gelernt hat, dass Tiere unsere Freunde sind, dass man sie mit Respekt behandeln soll und dass sie Gefühle wie wir haben, der wird wohl kaum jemals ein Gewalttäter werden.