Tot auf dem Grund des Rheins UNGEKLÄRTE MORDE IN DER REGION (3): Der Fall Herbert Ulmer.
FREIBURG. Ein Arzt aus der Ortenau wird entführt und ermordet. In Rheinfelden verschwindet ein Rentner, seine Leiche wird Wochen später an ein Flusswehr geschwemmt. Eine junge Frau will nach Hause, sie kommt nie in Waldkirch an. Bis heute wissen nur die Täter, warum diese Menschen sterben mussten. Doch es wird weiter ermittelt, denn Mord verjährt nicht. Die BZ begibt sich in einer Serie auf Spurensuche.
Herbert Ulmer ist 70 Jahre alt, alleinstehend, vielleicht ein bisschen eigenbrötlerisch, aber mit Bekannten durchaus gesellig. Der Rheinfelder radelt an einem Mittag im Januar 2000 zum Einkaufen, kehrt danach in einem Gasthaus ein und fährt wahrscheinlich wieder nach Hause. Zumindest lehnt das Rad an seinem Haus. Es ist ein Freitag, abends läuft "Aktenzeichen XY". "Das hat er immer geguckt und ist noch kurz in die Kneipe", erzählt Uwe Wenk von der Kripo Lörrach. An diesem Abend aber wird Herbert Ulmer nicht mehr gesehen. Er wird als vermisst gemeldet.
Die Polizei sucht nach dem Rentner. Bei Vermisstenfällen zieht sie grundsätzlich auch einen Suizid in Betracht. Zumal Ulmer einmal gesagt haben soll, wenn er sich umbringe, würde ihn niemand finden. "Doch die Möglichkeit haben wir ausgeräumt", sagt Wenk. Ulmers Leiche wird zwei Monate nach seinem Verschwinden im Rhein gefunden, am Rechen des Kraftwerks bei Schwörstadt.
Der Körper liegt mit einem 20-Kilo-Stein in einem Schlafsack, der mit Klebestreifen und einem Gurt umwickelt ist. Bei allem, was der Polizei schon untergekommen ist, sagt Wenk: "Es ist nicht möglich, sich selbst so zu verschnüren." Herbert Ulmer ist an Erstickung gestorben – mehr gibt die Polizei aus taktischen Gründen nicht preis. Im Haus fehlen eine Kassette mit Geld, Portemonnaie, Ausweis und Schlüssel. Der 70-Jährige hatte die Angewohnheit, selten, dafür aber größere Mengen Geld abzuheben.
Raub ist für die Ermittler nur ein mögliches Motiv. Die Art, wie die Leiche beseitigt wird, spricht für einen Täter aus dem Umfeld des Opfers – das aufwendige Verpacken, den Transport von mehreren Kilometern: "Das macht kein Fremder, für ihn ist das Entdeckungsrisiko viel zu hoch, der lässt ihn einfach liegen." Auch die Tatsache, dass es keine Einbruchspuren gab und Ulmer Fremde normalerweise nicht ins Haus ließ, spricht gegen einen Täter auf der Durchreise.
Die Ermittlungen stecken nach einem Jahr fest. Der Schlafsack, ein Modell der israelischen Armee, ist in großer Zahl vertrieben worden. Die Suche nach ähnlichen Tatmustern bringt einen Treffer bei Stuttgart, aber ein Bezug zum Fall Ulmer wird ausgeschlossen. Die Polizei hofft auf eine breite Öffentlichkeit, stellt den Fall in "Aktenzeichen XY" dar und bekommt neue Hinweise. "Die Überprüfung brachte allerdings nicht das Ergebnis, das wir gern gehabt hätten."
Aber die Polizei hat noch die DNA des Täters und setzt schließlich auf eine Reihenuntersuchung. Im Juli 2002 werden 350 Männer im Alter von 16 bis 70 Jahren aus Ulmers Umfeld getestet – Verwandte, Freunde, Stammtischbrüder, Nachbarn. Die Daten werden verglichen und gelöscht. "Nix", sagt Wenk. Die Umfeld-Theorie hält er dennoch für richtig, vielleicht war der Kreis nicht groß genug. Oder vielleicht waren es zwei Täter – einer, der Ulmer kannte, und einer, der die DNA hinterlassen hat, zu dem es aber keinen direkten Bezug gibt. Durch das Genmaterial stünden die Chancen gut, dass der Täter irgendwann erwischt werde.
Zum Beispiel durch einen Zufallstreffer: Wird von Straftätern DNA abgenommen, gibt es einen Abgleich in einer zentralen Datenbank. Dadurch ist schon manch alter Fall geklärt worden. Eine weitere Chance im Fall Ulmer sei ein neuer Hinweis auf eine Person, deren DNA dann überprüft wird. Wenk gibt die Hoffnung nicht auf. Zumal die Ermittlungen peu à peu weiterlaufen – wie an diesem Tag: Er hat noch eine Vernehmung in der Sache.