Fernanda Marques Pires da Fonseca starb an einem Junitag. Etwa um sechs Uhr morgens, in der Arztpraxis, in die sie an diesem Morgen zum Putzen gekommen war. Ihr Mörder schoß ihr in den Oberkörper. Wer hat sie erschossen?
13.10.2006, von KATHARINA ISKANDAR
Fernanda Marques Pires da Fonseca starb an einem Junitag. Etwa um sechs Uhr morgens, in der Arztpraxis, in die sie an diesem Morgen zum Putzen gekommen war. Ihr Mörder schoß ihr in den Oberkörper. Gegen halb acht wurde sie gefunden, in einem kleinen Laborraum nahe der Eingangstür. Sie lag dort auf dem Boden, in Bluse und Jeans gekleidet, das kurze gelockte Haar wie immer akkurat frisiert. Keiner ihrer Familienangehörigen oder Freunde konnte sich hinterher erklären, warum die Dreiundvierzigjährige erschossen worden war. Sie sei liebenswürdig gewesen, hieß es. Eine Frau, die sich um ihre Mitmenschen sorgte. Einen Verdächtigen gibt es bis heute nicht. Und auch kein Motiv.
Der Täter war durch das Fenster in die unscheinbare Wohnung an der Holbeinstraße eingestiegen. Keiner der Nachbarn konnte sich hinterher erinnern, den Unbekannten gesehen zu haben, wie er sich der Praxis näherte und sich auf das Vordach schwang, wie er mit geübten Griffen das Fenster aufhebelte und in der Wohnung verschwand. Obwohl es taghell war, blieb der Mörder unentdeckt. Nicht einmal den Schuß hörten die Anwohner - nur den Schrei. Ein Mann beschrieb ihn später als laut, fast gellend. Er habe noch ein paar Wortfetzen hören können. Dann sei es still gewesen. An ein Verbrechen, sagte er der Polizei, habe er nicht gedacht. Schreie höre man doch oft. Auch in Sachsenhausen, einem der ruhigeren Viertel der Stadt.
Hundert Personen sind vernommen worden Fernanda da Fonseca hat ihren Mörder wahrscheinlich nicht gekannt. Die Polizei vermutet, daß er ein „normaler“ Einbrecher gewesen ist. Vielleicht ein Beschaffungstäter, der in Arztpraxen einbrach, um Medikamente zu stehlen. Einer von den „Fassadenkletterern“, die akrobatisch Balkone erklimmen können und dann durch das Fenster einsteigen, ohne daß sie dabei jemand sieht. Zumindest aber, das steht fest, war er ein Einbrecher, der eine Schußwaffe bei sich trug. Und das, sagt Kriminaloberkommissar Markus Görger, sei ungewöhnlich.
Noch immer arbeitet Görger an dem Fall. Seit jenem 23. Juni vor zwei Jahren, als Fernanda Marques Pires da Fonseca erschossen worden war. Der Polizist war einer der ersten am Tatort und hat die Portugiesin in dem kleinen Labor am Boden liegen sehen. Görger war es, der später die Familie der Toten befragte, schließlich auch die Freunde und den weiteren Bekanntenkreis, um herauszufinden, wie sie gelebt hatte, was für ein Mensch sie war.
Hundert Personen sind vernommen worden. So steht es in der Akte, die mittlerweile an die tausend Seiten enthält. Hundert Personen, die alle das gleiche über die Tote sagten. Sie habe ein glückliches Leben geführt, versicherte ihr Mann. Ein Leben ohne Krisen, sagten auch andere. Als junges Mädchen schon sei sie mit ihrem Mann nach Deutschland gekommen, um hier zu arbeiten. Sie habe zurückgezogen gelebt und sehr bescheiden. Das Geld, das sie und ihr Mann verdienten, schickten sie nach Portugal zu den Eltern, bei denen auch ihre beiden Kinder lebten. In der Nähe von Porto, in einer kleinen Stadt namens Estarreja, hatten sie ein Haus, in das sie später einmal zurückkehren wollten. „Ein Heim für den Ruhestand“, sagt Görger. Dafür hätten sie gespart.
Opfer eines gezielten Angriffs?
Anfangs haben die Ermittler an eine Beziehungstat gedacht. Daran, daß die Frau womöglich doch ihren Mörder gekannt hatte und mit ihm in Streit geraten war. „Es ist zu vermuten, daß Frau Marques Pires da Fonseca Opfer eines gezielt gegen sie gerichteten Angriffs wurde“, so stand es damals noch auf dem Fahndungsplakat. Die Polizei ermittelte im Portugiesischen Zentrum an der Heddernheimer Landstraße, wo die Dreiundvierzigjährige fast täglich ihre Freunde traf. Doch es war nichts herauszufinden. Niemand hatte ein Motiv gehabt.
Die Einbrecher-Theorie bleibt. Es sei unwahrscheinlich, daß der Täter zum privaten Umfeld gehöre, sagt Görger heute. Es müsse ein gewöhnlicher Einbrecher gewesen sein, „der eine günstige Gelegenheit gewittert hat“. Görger glaubt, der Täter sei von der Portugiesin überrascht worden und die Situation sei eskaliert. Der Täter sei „überfordert“ gewesen und habe „überreagiert“. So, sagt Görger, müsse es gewesen sein. Alles andere ergebe keinen Sinn.
Die Ermittler hoffen auf einen Zufall. Darauf, daß der Täter eines Tages wieder irgendwo einbrechen und Spuren hinterlassen wird. Und daß er dann für den Mord an Fernanda da Fonseca bestraft werden kann. „Gerechtigkeit“, sagt Görger, „gibt es bei einem Mord nicht.“ Aber es sei ein gutes Gefühl, „wenn die Akte endgültig geschlossen werden kann“.