Vor dem Osnabrücker Landgericht muss sich von Mittwoch an ein 39-jähriger Mann aus Bramsche (Landkreis Osnabrück) wegen Mordes verantworten. Er soll im vergangenen Oktober in einem Osnabrücker Supermarkt aus persönlicher Feindschaft einen anderen Mann erschossen haben.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem 39-Jährigen vor, in dem Lebensmittelmarkt an der Iburger Straße aus nächster Nähe auf sein Opfer geschossen zu haben. Demnach feuerte er zunächst drei Schüsse auf den 45-Jährigen ab, als dieser mit seiner Frau beim Einkaufen war. Als der Mann am Boden lag, soll der Angeklagte auf ihn zugegangen und erneut dreimal auf ihn geschossen haben. Zwei Schüsse trafen das Opfer am Kopf, einer ins Herz.
Kurz nach der Tat stellte sich der Schütze der Polizei. Für den Prozess am Osnabrücker Landgericht sind bis Ende Mai sieben Verhandlungstage angesetzt.
OSNABRÜCK Im Prozess um tödliche Schüsse in einem türkischen Supermarkt hat die Verteidigung auf Notwehr plädiert.
Der Angeklagte sei nicht wegen Mordes oder Totschlags zu verurteilen, sondern freizusprechen, sagte Verteidiger Thomas Klein am Dienstag im Osnabrücker Landgericht.
Im vergangenen Oktober hatte der heute 40 Jahre alte Angeklagte aus nächster Nähe in dem türkischen Supermarkt in Osnabrück auf einen 45-Jährigen geschossen.
Der Mann war sofort tot. Der Verteidiger sagte, die Familie seines Mandaten habe von dem Opfer seit Jahren Todesdrohungen erhalten.
Als die beiden Männer sich im Supermarkt trafen, sei sein Mandant in einer psychischen Ausnahmesituation gewesen. Er habe angenommen, dass er seinerseits erschossen werden solle, argumentierte der Verteidiger.
Osnabrück: 45-Jähriger im Supermarkt erschossen 08.10.15
Osnabrück - Polizeiabsperrungen, Streifenwagen, Blaulicht, Neugierige, die an der anderen Straßenseite an einer Absperrung stehen: Was an diesem Donnerstagmittag knapp anderthalb Stunden nach einer Bluttat in einem Osnabrücker Supermarkt für die Öffentlichkeit sichtbar ist, erinnert an einen Fernsehkrimi.
Aber es ist nicht Fiktion, sondern brutale Realität: In einem türkischen Supermarkt stirbt am Vormittag gegen halb elf ein 45 Jahre alter Mann durch die Schüsse eines jüngeren Täters. Viel ist über das Verbrechen zunächst nicht bekannt: Das Opfer sei mit seiner Ehefrau einkaufen gewesen, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft Osnabrück, Alexander Retemeyer.
Die Polizei fahndet zunächst nach dem Schützen. Am Mittag dann meldet sich der mutmaßliche Täter bei der Polizei auf einer Wache in der Osnabrücker Innenstadt. Der 38 Jahre alte Mann sei in Begleitung eines Rechtsanwalts erschienen und habe eine Waffe abgegeben, berichtet Retemeyer.
Beamte vernehmen den Tatverdächtigen. Parallel suchen Ermittler des Erkennungsdienstes in weißen Schutzanzügen in dem Supermarkt nach Spuren. Es wird später darauf ankommen, die Erkenntnisse der Spurensicherung mit den Aussagen des Mannes abzugleichen.
Die Hintergründe der Tat liegen für die Ermittler zunächst im Dunkeln. Nach der ersten Vernehmung des mutmaßlichen Täters gehen die Ermittler davon aus, dass sich Opfer und Täter kannten. Angaben zum Motiv gibt es aber zuerst nicht, sagt Polizeisprecherin Mareike Kocar.
Direkt nebenan liegt eine Apotheke, in die sich zwei Menschen in Panik aus dem Supermarkt geflüchtet hatten, erzählt eine junge Angestellte. „Man sah ihnen an, dass sie im Schock und in Aufregung waren“, erzählt sie. Auch sie habe die Situation als sehr bedrohlich empfunden. Als die ersten Rettungswagen eingetroffen sind, hätten sich Sanitäter um die Kunden gekümmert.
Eine alte Frau mit Kopftuch kommt über die Straße zum Supermarkt gelaufen und wird von einem Polizisten daran gehindert, näher zu kommen. „Mein Enkel arbeitet in dem Geschäft“, erzählt sie. Er habe sie auf dem Handy angerufen und von der Schießerei erzählt. Seitdem habe sie keinen Kontakt mehr. Erst von Journalisten erfährt sie, dass ihr Enkel nicht das Opfer sein kann: Er ist 26 Jahre alt, das Opfer 45. Die Erleichterung ist ihr ins Gesicht geschrieben.
Wie viele Menschen in dem Supermarkt waren, als der tödliche Schuss fiel, weiß Polizeisprecherin Kocar zunächst nicht. Alle, die im Geschäft waren, würden von den Beamten noch befragt, sagt sie. dpa
URTEIL AM OSNABRÜCKER LANDGERICHT Zehn Jahre Haft für tödliche Schüsse im Supermarkt Von Dietmar Kröger
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurde am Mittwoch im Osnabrücker Landgericht das Urteil gegen einen 39-Jährigen verkündet, der im vergangenen Oktober seinen Ex-Schwager in einem Supermarkt erschossen hatte. Foto: dpaUnter strengen Sicherheitsvorkehrungen wurde am Mittwoch im Osnabrücker Landgericht das Urteil gegen einen 39-Jährigen verkündet, der im vergangenen Oktober seinen Ex-Schwager in einem Supermarkt erschossen hatte. Foto: dpa Osnabrück. Mit der Verurteilung des Angeklagten zu zehn Jahren Haft ist am Mittwoch am Landgericht Osnabrück nach fünf Monaten der Prozess um die tödlichen Schüsse in einem Supermarkt an der Iburger Straße zu Ende gegangen.
Damit ist die Kammer noch um ein Jahr über den von der Staatsanwaltschaft geforderten neunjährigen Freiheitsentzug hinausgegangen. Die Nebenklage hatte eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes gefordert, während die Verteidigung auf Freispruch wegen Notwehr plädiert hatte.
„Wir stehen noch ganz unter dem Eindruck dieses Urteils.“ Rechtsanwalt Thomas Klein, mit seinem Kollegen Jens Meggers Verteidiger des mittlerweile 40 Jahre alten Angeklagten aus Bramsche, kündigte nach der Verhandlung an, in Revision gehen zu wollen. Er habe nicht damit gerechnet, dass das Schwurgericht am Landgericht über die Einlassungen seines Mandanten hinweggehen würde.
Die drei Berufsrichter und zwei Schöffen der Großen Strafkammer waren den Angaben des Angeklagten in wesentlichen Punkten des Tatgeschehens nicht gefolgt – mit weitreichenden Konsequenzen für die zu verhängende Strafe. Zwar konstatierten die Richter bei dem Mann aus Bramsche eine auch vom Sachverständigen festgestellte Angststörung. Diese führe aber nicht zu einer Einschränkung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit.
Eine verminderte Schuldfähigkeit und damit ein minderschwerer Fall des Totschlags sei deshalb nicht anzunehmen. Für die von der Verteidigung geltend gemachte Notwehr ihres Mandanten sah die Kammer keine Belege.
Der Sachverständige habe sich in seiner Expertise in erster Linie auf die Einlassungen des Angeklagten gestützt, so der Vorsitzende Richter in seiner gut einstündigen mündlichen Urteilsbegründung. Da aber die Beweisaufnahme die Einlassungen nach Ansicht der Kammer nicht stützen konnte, war zwangsläufig auch die Expertise des Gutachters für die Kammer nicht bestätigt.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung des Angeklagten wegen Totschlags im Zustand verminderter Schuldfähigkeit zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren beantragt. Von seiner ursprünglichen Mordanklage war Oberstaatsanwalt Hubert Feldkamp in seinem Plädoyer abgerückt. Dem folgte auch die Kammer, die die Mordmerkmale „niedere Beweggründe“ und „Heimtücke“ nicht erfüllt sah. Allerdings vermochte die Kammer anders als Staatsanwaltschaft und psychologischer Sachverständiger, keine erheblich verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat zu erkennen. Nach der Urteilsverkündung zeigte sich Feldkamp zufrieden mit dem Urteil. „Das ist ein mutiges Urteil, das angemessen und gerecht ist“, so der Anklagevertreter.
Ob sich auch seine Mandantschaft für den Gang in die Revision aussprechen werde, konnte Nebenklagevertreter Frank Otten nach der Urteilsverkündung nicht sagen. Für die Familie des Opfers sei die Tatsache, dass die Kammer mit ihrem Spruch ein Jahr über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinausgegangen sei, ein Signal, dass die Nebenklage vom Gericht gehört worden sei. Das Gericht habe das Gesamtgeschehen gewürdigt und sei so folgerichtig zu dem Schluss gekommen, dass bei dem Angeklagten eine verminderte Schuldfähigkeit nicht festzustellen sei.
Die verhängte Strafe von zehn Jahren Freiheitsentzug sei tat- und schuldangemessen, so die Kammer, weil sich der Angeklagte auf der einen Seite gleich zweier Straftaten schuldig gemacht habe, nämlich des Totschlags und des unerlaubten Waffenbesitzes. Auf der anderen Seite spreche für ihn, dass er sich zum einen zu der Tat bekannt, sich selbst der Polizei gestellt und sich bei den Angehörigen des Opfers entschuldigt habe.
Anders als vielleicht aufgrund der vorangegangenen Prozesstage anzunehmen war, die zum Teil emotionale Reaktionen vor allem bei der Nebenklage gesehen hatten, verlief die Urteilsverkündung im voll besetzten Saal 272 des Landgerichts ruhig. Der Beginn der Urteilsverkündung hatte sich zunächst um einige Minuten verzögert, da Justizmitarbeiter wegen des Zuschauerandrangs die Bestuhlung im Saal aufstocken mussten.