10 000 Mark Belohnung Oma Lisbeth (80): Das Opfer eines Serienkillers? 13.10.98, 02:00 Uhr
Der Täter schlägt Erna "Lisbeth" Pflug brutal in ihrer Barmbeker Wohnung nieder, dann ersticht er die 80jährige. Beute: Keine fünfhundert Mark. Obwohl das Verbrechen schon dreieinhalb Jahre her ist, beschäftigt es bis heute die Mordkommission. War die Witwe Opfer eines Serientäters?
Am 8. Februar 1995 alarmiert ein Nachbar der rüstigen Rentnerin, die an der Habichtstraße wohnt, die Feuerwehr. Er macht sich Sorgen um die Witwe. Die Retter brechen die Tür auf - zu spät: Hinter der Wohnungstür liegt Lisbeth Pflug, tot. Ihr Mörder hat wie im Rausch auf sie eingestochen, in Hals, Brust und Rücken. Wenig später beginnt die Mordkommission mit ihrer Tatortarbeit.
Hauptsachbearbeiter: Olaf Borchert. Aufbruchspuren entdeckt der Ermittler nicht. Lisbeth Pflug muß ihrem Mörder selbst die Tür geöffnet haben. Der tödliche Angriff kam für sie offenbar völlig unvorbereitet. Borchert: "Ein Brötchen lag halbgeschmiert in der Küche neben der laufenden Kaffeemaschine, sie trug noch Nachthemd und Morgenmantel." Der Täter schlug seinem Opfer mindestens zweimal ins Gesicht, bevor er zustach. Geriet er in Panik, weil sich die rüstige Rentnerin wehrte? Oder wollte er sie zwingen, Beuteverstecke preiszugeben?
Der Täter ließ sich nicht viel Zeit: Er durchwühlte die Wohnung nur sehr oberflächlich und erbeutete keine fünfhundert Mark aus der Handtasche seines Opfers. Wertvollen Schmuck ließ er liegen. Den Safe, den Lisbeth Pflugs Mann in der Küche eingebaut hatte, entdeckte er nicht. Olaf Borchert rollt das Leben von Erna Pflug, die von allen nur "Lisbeth" genannt wurde, wieder auf. Er lernt ihre Freunde kennen, mit denen sie jeden Donnerstag zum Schwof in Möllers Tanzetage an der Hamburger Straße geht. Macht jeden Bankkunden der Haspa an der Fuhlsbüttler Straße ausfindig, der 48 Stunden vor dem Tattag, als die 80jährige zuletzt ihre Rente abhob, ebenfalls in der Filiale war. Weiter bringt es ihn nicht. Plötzlich taucht während der Ermittlungen eine neue Theorie auf:
Wurde Lisbeth Pflug Opfer eines Serienkillers? Denn im Bereich Barmbek-Winterhude starben zwei weitere Menschen. 24. Juni 1993: In ihrer Wohnung am Glindweg (Winterhude) wird Elfriede B. (78) von einem Klingelgangster erwürgt. Beute: Wenige Hundert Mark und eine grüne Geldkassette. 19. Oktober 1994: An der Lauensteinstraße (Barmbek-Nord) tötet ein Unbekannter Bernhard H. (86). Er erstickt an einem Knebel. Der Täter fesselt ihn mit Geschenkband, erbeutet einige Tausend Mark. Beide Fälle sind ebenso ungeklärt wie ein aktueller: So raubte im April ein Unbekannter Elsbeth T. (73) in ihrer Wohnung an der Otto-Speckter-Straße (Barmbek) aus. Sie überlebt schwerverletzt, liegt im Koma. Auch sie ließ den Täter ahnungslos in die Wohnung. Hat ein und derselbe Täter diese Verbrechen begangen? "Wir konnten keinen konkreten Zusammenhang feststellen", sagt Olaf Borchert. "Ich gehe im Fall Lisbeth Pflug von einem Einzeltäter aus. Vielleicht war es ein Junkie, der in der Nähe seiner Opfer wohnt." Später stoßen die Beamten auf einen Verdächtigen: Er hatte Gerüchten zufolge einen Komplizen für einen Raub auf eine ältere Frau gesucht.
Zehn Tage wird der Mann observiert, schließlich gibt es Durchsuchungsbefehle gegen ihn und mögliche Mittäter - doch die Männer scheiden als Tatverdächtige aus. "Möglicherweise hat sich der Täter jemandem anvertraut oder Andeutungen gemacht", so Borchert. "Vielleicht hält den nur die Überlegung davon ab, zur Polizei zu gehen, daß er sich strafbar gemacht hat, weil er solange schwieg. Aber wichtig ist, daß er überhaupt aussagt. Auch die Polizei weiß, daß das Überwindung kostet - vor allem, wenn der Täter ein Freund oder Verwandter ist." Für Täterhinweise hat die Polizei eine Belohnung in Höhe von 10 000 Mark ausgesetzt. Zeugen melden sich bitte bei der Mordkommission, Tel. 040/ 283-8660 oder dem Kriminaldauerdienst -8847. Morgen: Der rätselhafte Parkplatz-Mord von Billstedt