Baby-Mord nach fünf Jahren aufgeklärt FRANKFURT. Nach fünf Jahren ist der Tod eines neugeborenen Babys in Hessen vermutlich geklärt. Die Mutter des Mädchens, das am 27. Mai 2010 tot am Niddaufer in Bad Vilbel gefunden worden war, sitzt in Untersuchungshaft.
Im Laufe der Ermittlungen war bei einem Reihentest ergebnislos die DNA von knapp 2.800 Frauen aus der Umgebung untersucht worden. Der Fall konnte nun aufgeklärt werden, da die heute 22-jährige Mutter vor etwa zwei Wochen in Frankfurt als hilflose Person aufgegriffen worden war.
Bei der Vernehmung habe sich ein dringender Tatverdacht ergeben, weitere Ermittlungen folgten. Der Frau wird vorgeworfen, im Alter von 16 Jahren das Kind zur Welt gebracht, es getötet, in einem blauen Müllsack gesteckt und abgelegt zu haben. Ihr werde Totschlag zur Last gelegt, berichtete die Behörde.
Fast sechs Jahre nach dem gewaltsamen Tod eines Säuglings in Bad Vilbel scheint der Fall aufgeklärt. Doch einige Fragen bleiben offen.
Weiße Steine rahmen das kleine Grab auf dem Friedhof Lohstraße ein, ein betender Engel blickt auf es hinab. Violette Stiefmütterchen sind frisch gepflanzt – die Ruhestätte wirkt sehr gepflegt. „Magdalene“ haben die Bad Vilbeler den Säugling genannt, der dort beigesetzt ist. Er hatte am 8. Juni 2010 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung seine letzte Ruhe gefunden. Die Bestürzung war groß: Warum musste das Baby sterben?
Es war Dienstag, der 27. Mai 2010. Ein Radfahrer fuhr an der Nidda nahe der Innenstadt entlang. Gegen 18.15 Uhr fand er die Leiche – durch Zufall. Er sah einen blauen Müllsack und hoffte, dort etwas Verwertbares zu entdecken. Doch stattdessen machte er in einem Gebüsch hinter einer kleinen Böschung einen grausigen Fund: Der kleine Körper eines toten Mädchens, der dort einfach abgelegt worden war. Von der Mutter fehlte jede Spur.
Schnell ermittelte eine eigens eingerichtete, fünfköpfige Arbeitsgruppe der Polizei Friedberg, dass der Säugling etwa in der 32. bis 36. Schwangerschaftswoche zur Welt kam. Das Baby war nach der Geburt lebensfähig. Es starb keines natürlichen Todes.
Mitarbeiter der Bad Vilbeler Stadtverwaltung und eines örtlichen Beerdigungsinstituts gaben dem Mädchen den Namen „Magdalene“. Die Fahndung lief auf Hochtouren. Welche Frauen kamen als Mutter in Frage? Vom Alter her – aber auch geografisch? „Wir waren uns damals aufgrund anderer Fälle in Deutschland sicher, dass die Mutter wahrscheinlich sehr jung war“, erinnert sich Jörg Reinemer. Er war 2010 Pressesprecher der Wetterauer Polizei. Diese These bestätigt sich nun.
Doch zuvor gab es Massentests – den bisher größten in Hessen. Etwa 2800 Frauen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren gaben im Februar 2011 in Bad Vilbel Speichelproben ab, die mit der DNA des toten Säuglings abgeglichen wurden. Doch ohne Erfolg, obwohl der größte Teil der Aufforderung der Polizei zum Test nachkam.
Die Ermittler gingen damals davon aus, dass die gesuchte Frau sich an der Nidda auskannte. Eine Ortsfremde hätte die versteckte Stelle am Ufer des Flusses nicht gefunden, hieß es. Trotz der aufwendigen Ermittlungen wurden jedoch keine konkreten Hinweise auf die Täterin gefunden.
Nun verhalf offenbar „Kommissar Zufall“ zur Aufklärung. „Die Mutter des Mädchens, das am 27. Mai 2010 tot am Nidda-Ufer in Bad Vilbel gefunden worden war, sitzt in Untersuchungshaft“, teilte die zuständige Frankfurter Staatsanwältin Nadja Niesen am Donnerstag mit. Denn die heute 22-jährige Mutter war vor etwa zwei Wochen in Frankfurt als „hilflose Person“ aufgegriffen worden.
Bei der Vernehmung habe sich ein dringender Tatverdacht ergeben, so die Staatsanwältin. Weitere Ermittlungen folgten. Die Behörde wirft der Frau vor, im Alter von 16 Jahren das Kind zur Welt gebracht, es getötet, in eine blaue Mülltüte gesteckt und abgelegt zu haben. Konkret wird ihr Totschlag zur Last gelegt. Kommt es zu einer Verurteilung, droht ihr laut Paragraf 212 des Strafgesetzbuches eine Gefängnisstrafe nicht unter fünf Jahren – oder in einem besonders schweren Fall sogar eine lebenslange Freiheitsstrafe. Da die mutmaßliche Täterin 2016 noch minderjährig war, wird das strafmildernde Jugendstrafrecht Anwendung finden.
Nach Informationen der FNP war die Jugendliche damals bei Bekannten in Bad Vilbel untergeschlüpft. Ob die Geburt überraschend einsetzte oder in welcher Situation sich die junge Frau befand, dazu sagt die Staatsanwaltschaft noch nichts. Klar scheint aber zu sein, dass die heute 22-Jährige das Baby in der Badewanne einer Wohnung bekam – und es ertränkte. Die Detail-Ermittlungen – zum Beispiel, wie lange das Kind schon tot war, bis es gefunden wurde –, laufen weiter.
Unbeantwortet sind unter anderem noch die Fragen, bei wem die 16-Jährige gewohnt hat und wie lange, ob ihr jemand bei der Geburt beigestanden hat, ob sie das Baby selbst im Müllsack an der Nidda platziert hat oder ob ihr jemand half. Die Frau hat inzwischen einen Anwalt.
Erleichtert ist Polizeisprecher Reinemer. „Der Fall hat uns sehr beschäftigt, wir haben viel Mühe hinein gesteckt.“ Positiv äußert sich auch Bad Vilbels Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU): „Das Schicksal von Magdalene bewegt mich auch heute noch – und es bleiben die Erinnerungen an die große Anteilnahme der Bevölkerung, aber auch der Pietäten und Steinmetze, die Magdalene eine würdige Ruhestätte schufen und sie auch heute noch stets pflegen.“
ZitatGerichtssprecher Werner Gröschel teilte auf Anfrage immerhin die Strafmaße aus dem nicht-öffentlichen Prozess mit: Die heute 23 Jahre alte Mutter erhielt 22 Monate auf Bewährung und zudem diverse nicht näher präzisierte Auflagen.Der gleichaltrige Vater wurde zu 14 Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Auch er hat Bewährungsauflagen zu erfüllen. Beide Eltern wurden wegen Totschlags durch Unterlassen verurteilt. Mehr wollte Gröschel zum Verlauf des Prozesses nicht sagen
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