In ihrer Erinnerung ist der 12. Februar 1985 für Andrea Wormann zunächst ein ganz normaler Tag. Wie jeden Morgen bringt ihr Mann Hermann sie und die beiden Kinder zum Bahnhof in Angermünde und in den Kindergarten.
Doch im Nachhinein war etwas anders: ihr Mann hat ihr zum Abschied nicht gewinkt. Es ist das letzte Mal, dass sich das Ehepaar sieht. Seit über 30 Jahren ist Hermann Wormann nun verschwunden. Und nicht nur er: auch sein Auto der Marke Saporoshez wurde nie gefunden. Was ist damals passiert? Wo ist Herman Wormann? Diese Frage beschäftigt seine Frau Andrea Wormann bis heute.
Hinweise bitte an das Bürgertelefon der Brandenburger Polizei unter der Telefonnummer: 0700 3333 0331 oder an jede andere Polizeidienststelle.
Ermittlungen im Fall eines seit 30 Jahren Vermissten - Wer ließ Mensch und Auto verschwinden?
An einem Februartag im Jahr 1985 winkt Andrea Wormann aus Angermünde ihrem Mann Hermann zu, als dieser mit dem Auto davonfährt. Sie soll ihn nie wieder sehen, ihr Mann gilt bis heute als vermisst. Seit 30 Jahren läuft die Suche - und immer wieder gibt es neue Hinweise. Von Annika Klügel
30 Jahre sind vergangen, seit Andrea Wormann ihren Mann im Auto davonfahren sah. An einem Februartag 1985 kehrte ihr Mann Hermann nicht nach Hause zurück. Seit 30 Jahren fehlt von ihm jede Spur. Was ist aus ihm geworden? - Diese Frage bestimmt bis heute ihr Leben und das ihrer beiden Kinder. Diese sind inzwischen älter als es ihr Vater bei seinem Verschwinden war. Nun könnte der Fall neu aufgerollt werden.
An diesem Morgen fehlte der Blickkontakt
Als sich Andrea und Hermann Wormann 1978 in Angermünde kennenlernen, ist sie 15 und er 17 Jahre alt. Als sie drei Jahre später heiraten, haben sie bereits zwei Kinder. Die Familie steht für Hermann Wormann an erster Stelle. Jeden Tag bringt er seine Frau mit dem kleinen Sohn zum Bahnhof, dann fährt er die Tochter zum Kindergarten.
Auch am 12. Februar 1985 ist alles wie immer – fast wie immer: "An diesem Morgen fehlte der Blickkontakt. Wir haben uns sonst immer noch mal angesehen, ich habe gewunken und er hat meistens auch gewunken. Aber er ist mit Janet losgefahren, und ich habe auf dem Bahnhofsgelände gestanden und auf den Bus gewartet. Im Nachhinein habe ich mir immer gesagt, warum war diese Sekunde so anders? Ich habe ja nicht gewusst, dass ich ihn zum letzten Mal sehe", erinnert sich Andrea Wormann.
Nach dem Werkstattbesuch verschwinden Mann und Auto
Am Tag, als er verschwindet, hat Hermann Wormann einen Arzttermin. Er muss zur Einstellungsuntersuchung, weil er seinen Job wechseln will. Die Familie hat Geldsorgen und beim Oberbaumwerk in Eberswalde kann der Elektriker mehr Geld verdienen.
Nach dem Arzt fährt er in die Autowerkstatt. In seinem Auto, einem Modell der ukrainischen Marke Saporoschez, ist die Heizung defekt. Der Werkstattbesitzer wechselt einen Kippschalter. Er ist einer der letzten Menschen, die Hermann Wormann gesehen haben. Danach verschwinden der Mann und sein Auto.
Dass auch der hellblaue Saporoschez nicht gefunden wird, bereitet den Ermittlern bis heute Kopfzerbrechen, sagt Holger Nigrin von der Kriminalpolizei: "Einen PKW zu verschrotten ging natürlich auch zu DDR–Zeiten, aber der fiel irgendwie auf. Denn damals wurde jeder PKW sehr lange gehalten aus bekannten Gründen, es wurden Ersatzteile und wieder Ersatzteile ergänzt, wenn etwas kaputt war."
Rechtlos im eigenen Land
Wormanns Ehefrau Andrea vermutet, dass die "sowjetischen Freunde" hinter seinem spurlosen Verschwinden stecken: "Wer hätte zu Ostzeiten ein Auto, Menschen, die ganzen Unterlagen von heute auf morgen verschwinden lassen können? Da gab‘s nur zwei Möglichkeiten: entweder das Ministerium für Staatssicherheit oder eben die russischen Streitmächte, die hier überall waren."
Andrea Wormann glaubt, dass die Sowjetunion die Hände im Spiel hatte Und tatsächlich: Ein Volkspolizeihelfer hat Hermann Wormann in Groß Dölln gesehen, am größten Militärflugplatz Europas. Hier sind sowjetische Jagdbomber stationiert. Wormann habe sich mit zwei Russen unterhalten, sagt der Zeuge, dann sei das Auto in das Militärgebiet gefahren - ein Problem für die Ermittler.
Denn die Behörden der DDR dürfen hier nicht rein, und das, obwohl es seit 1957 ein Rechtshilfeabkommen zwischen der DDR und der Sowjetunion gibt. Am Kasernentor war immer Schluss, sagt der Historiker Volker Koop: "Es gab ja eine Reihe von Militärstaatsanwälten der DDR, die eben solche Fälle zu untersuchen hatten, doch die kamen eben nicht in die Kaserne hinein.
Wenn es ihnen mal gelang, einen Verdächtigen zu benennen, dann wurde dieser in der Regel ganz schnell in die Sowjetunion zurückgebracht – insbesondere nach Vergewaltigungen und nach Morden. Die DDR war in ihrem eigenen Land eigentlich völlig rechtlos."
"Jeder Mensch hat das Recht auf ein Grab"
Sieben Jahre nach Wormanns Verschwinden kommt nun neuer Schwung in die Ermittlungen: Wormanns Vater, so steht es in einer Akte, habe behauptet, sein Sohn sei von sowjetischen Soldaten inhaftiert worden und lebe noch.
Als die sowjetische Armee Groß Dölln 1994 verlässt, suchen die Ermittler das Gelände ab. Doch sie finden Wormann nicht. Dass ihr Mann vielleicht unentdeckt irgendwo auf dem 200 Hektar großen Gelände liegt – dieser Gedanke ist für Andrea Wormann am schwersten: "Ich habe immer gesagt, jeder Mensch hat das Recht auf ein Grab. Wenn mein Mann irgendwo verscharrt ist, ist das unerträglich für mich, das darf nicht sein."
Hermann Wormann aus Angermünde Hermann Wormann, ein junger Familienvater aus Angermünde, verschwindet im Februar 1985. Seine Frau Andrea bewegt das ungeklärte Schicksal ihres damaligen Ehemannes bis heute – minutiös kann sie sich auch über 30 Jahre später an den letzten gemeinsamen Tag erinnern.
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