Brutale Bluttat vor 20 Jahren: Wie eine Mörderbande Konz unsicher machte Vier ausgebrochene Sträflinge überfallen ein Tanzlokal und töten einen Kellner
(Konz) Besucher und Mitarbeiter des Tanzlokals Tropical in Konz (Kreis Trier-Saarburg) haben heute vor 20 Jahren die brutalsten Minuten der Nachkriegsgeschichte der Stadt erlebt. Fünf Kriminelle überfielen den Club und töteten einen Kellner. Heute sind drei der Täter wieder auf freiem Fuß. Zwei verbüßen noch ihre Strafen.
10.12.2015 Christian Kremer
3.30 Uhr am Sonntagmorgen. Es ist der 10. Dezember 1995. 25 Gäste und mehrere Angestellte lassen den Abend in der Konzer Diskothek Tropical mit leiser Tanzmusik ausklingen. Plötzlich stürmen vier Maskierte herein. Dann folgen die wohl brutalsten Minuten in der Nachkriegsgeschichte von Konz: Die Männer schießen gegen die Decke, stechen zweimal mit Messern zu und rauben die Anwesenden aus.
Der Albtraum ist schnell vorbei, fordert aber ein Todesopfer. Ein 33-jähriger Kellner verblutet vor den Augen der anderen im Raum. Ein weiterer Angestellter überlebt die Messerstiche schwer verletzt. Als die Polizei um 3.45 Uhr auf die schockierten Opfer trifft, sind die Täter über alle Berge. Die Gäste sind schwer traumatisiert (Siehe anderer Text: „Es war wie in einem Film“).
Entflohene Sträflinge sind Täter
Schnell wird klar, dass es sich bei den Maskierten um vier entflohene Sträflinge handelt, die am 6. Dezember aus dem Gefängnis im luxemburgischen Schrassig entkommen sind. Ein fünfter Mann, Izet D., stand für sie Schmiere. Die Namen der Ausbrecher sind Cengis K., Kemal C. und Satko A.. Der Vierte im Bunde, Muhamed Agovic, hat später mit einem spektakulären Gefängnisausbruch rheinland-pfälzische Justizgeschichte geschrieben.
Eine internationale Großfahndung bleibt zunächst erfolglos. Die Ermittler verbuchen erst im Juli 1997 eine erste Verhaftung: Eine Spezialeinheit nimmt Cengis K. in Düsseldorf fest. Im November 1998 wird Izet D. in Berlin erwischt. Die Staatsanwaltschaft klagt Cengis K. wegen Mordes, versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung an. Izet D. muss sich wegen Beihilfe verantworten. Bei der Verhandlung patrouillieren Polizisten mit Maschinenpistolen am Trierer Landgericht. Es wird wie eine Festung bewacht. Am 4. Juli 1998 wird es wegen einer Bombendrohung geräumt. Später bricht der beim Überfall verletzte Kellner vor Gericht wegen einer Angstattacke zusammen. Danach belasten er und seine Frau Cengis K. schwer. Sie kommen in ein Zeugenschutzprogramm.
Im August 1998 liefert die USA Kemal C. an Deutschland aus – er wird in New York geschnappt. Als Kronzeuge bekommt auch er zunächst Zeugenschutz. Dann knickt er im Verhör ein. Er gibt zu, dass er im Tropical war. Doch er bleibt dabei: Cengis K. sei der Haupttäter. Am 10. Dezember 1999 fällt ein Urteil: lebenslänglich für Cengis K..
Haftstrafen größtenteils verbüßt
Die Trierer Staatsanwaltschaft erklärt aktuell auf TV-Anfrage, dass der Mann immer noch in Deutschland inhaftiert sei. Itzed D. habe seine vierjährige Freiheitsstrafe abgesessen. Kemal C. wurde am 15. September 2000 verurteilt und hat neuneinhalb Jahre später seine Strafe verbüßt. Satko A. wurde laut Staatsanwaltschaft 2009 in Montenegro zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt, die er noch verbüßt.
Das Tropical stellt nach der Bluttat den Betrieb ein. 2002 kauft die Stadt Konz das Lokal und lässt es abreißen. Heute führt dort ein Fußweg entlang, der den Marktplatz mit der Bahnhofstraße verbindet. Der heute 77-jährige ehemalige Betreiber des Clubs ist seit Oktober 2015 im Ruhestand. Bis dahin hat er ein Hotel und ein Bistro betrieben.
Ehepaar erinnert sich an die Tropical-Horrornacht in seinem Hochzeitsjahr 1995
(Konz) 1995, Michael und Hanne waren 26 und 22 Jahre alt. Das frisch verheiratete Paar traf sich am 9. Dezember mit einem anderen Pärchen in der Konzer Tanzbar Tropical. Die Nacht wurde lang. Nach einem Tanz auf „Unchained Melody“ von den Righteous Brothers wollte das Quartett aufbrechen.
10.12.2015
„Ich hatte gerade auf die Uhr gesehen, es war 3.30 Uhr“, erzählt Hanne 20 Jahre danach. „Dann fielen Schüsse, und es rief jemand in gebrochenem Deutsch: ,Alle unter Tische!’ Erst dachten wir, das ist Blödsinn.“ Auch Michael wähnte sich in Sicherheit: „Ich dachte: In Konz passiert doch so etwas nicht“, sagt er. Doch dann ging ein Mann in Kapuzenpulli mit gezogener Pistole auf eines der Bandmitglieder zu.
Hanne: „Der Typ hat dem Mann die Pistole vors Gesicht gehalten, ihn am Kragen gepackt und ihn nach hinten gestoßen. Er fiel um, steif wie ein Brett, und blieb liegen.“ Hanne zieht ihre Jacke eng an den Körper, während sie ihre Erlebnisse schildert. „Jetzt, wo ich das alles noch mal so vor mir sehe, wird mir ganz kalt.“
Michael fährt fort: „Wir krochen dann alle unter die Tische, und der Mann ging von einem Tisch zum anderen.“ Mit den Worten „Geld her“ zielte er jeweils unter die Tischplatte, und die Gäste gaben ihm, was sie hatten. „Wir Männer überlegten noch, ob wir ihm ein Bein stellen und ihn überwältigen sollten.“ Beim Anblick der beiden anderen Männer im Eingangsbereich, von denen einer mit einem Baseballschläger bewaffnet war, ließen sie diesen Gedanken fallen.
Notausgang ist Fluchtweg
Nach diesem Raubzug verließen die Täter den Tanzraum in Richtung Foyer. Dann ging alles ganz schnell. Hanne, Michael und ihre beiden Begleiter flohen mit anderen Gästen durch den Notausgang am anderen Ende des Raums. „Es war wie in einem Film, alles ist einfach passiert. Man hat einfach gar nichts gedacht“, sagt Hanne heute. Draußen versteckte sie sich hinter Tannen, konnte aber Michael nirgends mehr sehen.
„Ich bin auf allen vieren zurückgekrochen, weil ich gesehen hatte, dass noch nicht alle Gäste raus waren. Ich wollte sie auf den Notausgang hinweisen“, sagt Michael. Hanne fröstelt wieder, als Michael von dem erzählt, was er damals sah: „Die Täter wollten vorne raus und der Kellner warf einem von ihnen eine Flasche hinterher. Er schrie: ,Ich hab’ dich erkannt!’“
Michael macht vor, wie einer der Täter zurückkam: „Er sprang seitlich über ein Geländer, lief auf den Kellner zu und stach ihm mit einem Messer in die Herzgegend. Dann lief er wieder zurück und mit den anderen raus.“
Nachdem die Täter geflohen waren, sammelten sich die Gäste wieder im Lokal. Michael kümmerte sich um den stark blutenden Kellner, der den Überfall schwer verletzt überlebte.
Inzwischen war auch der Rettungsdienst eingetroffen, und Hanne erinnert sich: „Ein anderer Mitarbeiter des Lokals lag auf dem Boden. Ich habe niemals in meinem Leben wieder einen Menschen gesehen, der so weiß war. Äußerlich hatte er aber keinen Tropfen Blut an sich.“ Der Mann starb noch vor Ort.
Am Mittag des 10. Dezember brachte die Polizei Michael und Hanne nach Hause. „Erst als ich unsere einjährige Tochter sah, brach alles aus mir heraus, und ich fing an zu heulen.“
Traumatisiert sind beide nicht, allerdings stellte sich bei Hanne in den ersten Wochen nach der Tat leichte Panik ein, „immer, wenn mir jemand mit hochgezogener Kapuze begegnete“. Heute siegen aber die guten Erinnerungen an das Jahr 1995 – es ist schließlich Michaels und Hannes Hochzeitsjahr. kap