Mord an junger Mutter: Von der Tochter fehlt noch immer jede Spur 19.10.2015 - 05:43 Uhr
Ein Mord an einer jungen Mutter und das nie aufgeklärte Verschwinden ihrer Tochter erschütterte 1996 den Ort Remstädt im Kreis Gotha. Die Tat ist einer der „Spektakulärsten Kriminalfälle Thüringens“, die jetzt als TLZ-Buch erschienen sind.
Remstädt. Der Grenzberg erhebt sich zwischen Warza und Remstädt. Von dort bietet sich ein herrlicher Blick übers Umland, bis Gotha, zur Fahner Höhe oder zum Hainich. Oft sind dort Frauen und Männer mit ihren Kindern sorglos spazieren gegangen. Jetzt führt ein Radweg über die Kuppe.
Doch ein Schatten liegt über allem: Am 5. August 1996 wird im Gestrüpp des Grenzberges, der gerade neu bepflanzt wird, eine Tote gefunden. Es handelt sich um die 36-jährige Frau Gabriele K. aus Remstädt, die mit ihrer dreijährigen Tochter seit Samstag, 3. August 1996, vermisst wird. Von der Tochter Franziska K. fehlt jede Spur. – Bis heute.
Die Leiche der 36-jährigen Gabriele K. wird am Montag, 5. August, zur Mittagsstunde auf dem Grenzberg zwischen Remstädt und Warza entdeckt. Sie liegt im tiefen Gestrüpp. Die Obduktion ergibt, dass die Mutter erwürgt wurde. Von Tochter Franziska K. fehlt jede Spur. Zu den Todesumständen macht die Polizei keine Angaben. Die Staatsanwaltschaft Erfurt hat die Ermittlungen aufgenommen, heißt es in der TLZ vom 6. August 1996 dazu.
Diese ergeben, dass Mutter und Tochter am Samstag um 15 Uhr zum letzten Mal auf einem Feldweg zwischen Remstädt und Warza gesehen wurden. Die Angehörigen hatten später eine Vermisstenanzeige gestellt. Mit Hubschraubern und Lautsprecherwagen rückt die Polizei an. Bürgermeisterin Eva-Marie Schuchardt, seit 1999 im Amt, erinnert sich, wie ihre Familie aufgeschreckt ist. In Remstädter herrscht an dem Samstag eigentlich Festtagslaune.
Schuleinführungen werden gefeiert. Doch nun liegt ein Alpdruck über dem Ort. Angst macht sich breit. ABM-Kräfte, die sonst am Grenzberg arbeiten, wollen nach dem schrecklichen Fund nicht ohne männliche Begleiter die Umgebung des Tatortes betreten. Bis heute bewegt das Schicksal der Ermordeten und ihrer vermissten Tochter die Menschen. Die Suche nach dem Kind hält tage-, wochenlang an. Beim Aufsuchen des Geländes stoßen die Einsatzkräfte auf den Kinderwagen. – Vom Mädchen fehlt weiter jede Spur. Die Obduktion ergibt, dass die Mutter erwürgt wurde.
Selbst mehrere Tage nach der Tat setzt die Polizei ihre Suche fort, hat die Kuppe gesperrt und durchforstet mit 50 Einsatzkräften Wald und Flur. Vergebens. Bereitschaftspolizisten aus den Nachbardirektionen Suhl und Erfurt werden beordert. Auch Suchhunde einer Spezialhundestaffel aus Sachsen-Anhalt durchkämmen fieberhaft das Gelände rund um den Grenzberg – zehn bis zwölf Stunden täglich.
„Spezifische Gebäude“ seien durchsucht worden, welche, will Volker Hausdorf, Leiter der Polizeiinspektion Gotha, nicht im Detail sagen. Taucher nehmen Bäche, Gräben und Seen in der Umgebung in Augenschein. Ohne Ergebnis.
Die Polizei geht davon aus, dass Gabriele K. ihren Mörder kannte. „Wir ermitteln aber nach allen Seiten“, versichert Hausdorf. Franziska (3) war mit einer weißen Strickjacke, bekleidet, trug lila Sandalen mit weißen Sohlen, eine rote Strumpfhose und einen roten Rock. Das lässt nicht auf einen längeren Ausflug schließen. Alle Hinweise bringen die Polizei nicht auf ihre Spur.
Gabriele K. stammt aus einer alteingesessenen Remstädter Familie. Sie galt als zurückhaltend und konnte nur sehr schlecht reden, heißt es. Dem widerspricht der Bruder. Sie sei lediglich sehr schüchtern gewesen. Mit ihrem Verdienst als Putzfrau kam sie über die Runden.
Dorfbewohner erzählten, dass sie vor Jahren immer allein auf dem Grenzberg spazieren ging. Dort soll sie sich mit einem Mann getroffen haben, von dem sie schließlich schwanger wurde. Nie habe Gabriele K. den Namen des Mannes sagen können. Im Dorf wussten sie nur, dass er schwarze Schuhe trug. Umso mehr hätten die Remstädter bewundert, wie rührig Gabriele K. sich um ihre aufgeweckte Tochter kümmerte. In letzter Zeit sei die Frau wieder öfter auf dem Weg zum Grenzberg gesehen worden.
Remstädter vermuteten, dass sie sich dort mit dem Vater ihres Kindes getroffen hat. Die Mutter der Mutter der Ermordeten sah ihn nur einmal, als sie der Tochter auf den Grenzberg folgte, berichtet sie später Journalisten. „Emil“ soll Gabriele K. den Geliebten genannt haben. Ist er der Täter?
Bereits am Tag des Fundes der Leiche wird ein 54-jähriger Mann aus dem Nachbarort Warza als Tatverdächtiger verhaftet. Vor der Wende war er nach Gotha gezogen und in seinem Heimatort hatte er ein Wochenendhaus. Aber am Tag darauf kommt er wieder auf freien Fuß.
Die Ermittlungen gehen weiter. Die Berichte der Tochter an ihre Mutter führen die Polizisten zu Bernd R. Der lebte mit einer Frau in Hessen. Es soll sich um „Emil“ handeln. Er soll seiner leichtgläubigen Geliebten in Remstädt vorgegaukelt haben, dass er ledig sei und sie heiraten wolle.
Dann lässt er die Maske fallen: Er sei schon verheiratet und habe eine Tochter. Seine Familie lasse er nicht im Stich. Unterhalt für die gemeinsame Tochter Franziska könne er nicht zahlen. Ihm wird der Prozess gemacht. Bis zuletzt leugnet Bernd R. die Tat, aber Indizien sprechen dagegen.
Das Urteil: lebenslänglich. Bis heute schweigt Bernd R., was sich an jenem 3. August 1996 ereignet hat, wo sich Franziska sich befindet.