Potsdam (MOZ) Heute vor zwanzig Jahren, am 20. August 1995, wurde der Zivilfahnder Martin Heinze als bislang einziger Polizist in Brandenburg im Dienst ermordet. Ehemalige Kollegen haben in seinem Namen einen Stiftungsfonds gegründet, der betroffene Familien in ähnlichen Situationen unterstützen soll.
Sabine Heinze sprengte gerade die Blumen im Vorgarten, als ihr Leben in seine Einzelteile zerfiel. Ein Streifenwagen hatte vor ihrem Haus gehalten. Doch statt ihrem Martin, der am 20. August 1995 aus der Nachtschicht zurückkommen sollte, stiegen drei fremde Beamte aus. Da wusste sie, dass etwas Schreckliches passiert sei, erklärte die Witwe später in einem Interview.
Im Haus erzählten ihr die Polizeibeamten was passiert war: In der warmen Sommernacht hatten ihr Mann und sein Kollege Gerald Pausemann als Zivilfahnder einen polnischen Einbrecher durch den Potsdamer Stadtteil Drewitz verfolgt. Auf einer Großbaustelle konnte Martin Heinze den Fahrraddieb stellen. "Ich hab ihn", war der letzte Funkspruch, den Gerald Pausemann von seinem Kollegen hörte. Er war am Einsatzwagen zurückgeblieben, weil den beiden nur ein mobiles Funkgerät zur Verfügung stand.
Wenig später entdeckte er seinen Partner blutüberströmt auf einem sandigen Baustellenweg. Der Einbrecher, der sich später als Ryszard Lominski herausstellte, hatte ihn mit einem Jagdmesser ins Herz gestochen. Für den Polizistenmord wurde der Pole zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Martin Heinze, der zwei Töchter zurückließ, verstirbt noch in der Nacht im Krankenhaus an seinen Verletzungen. Er wurde 46 Jahre alt.
Bis heute ist Martin Heinze der einzige Polizist in Brandenburg, der im Einsatz ermordet wurde. Sein Tod löste damals tiefe Betroffenheit aus. Trauernde Kollegen organisierten Schweigemärsche durch Potsdam.Verängstigte Bürger forderten erhöhte Polizeipräsenz auf den Straßen und mehr Sicherheit im Dienst für die Beamten.
Ullrich Papperitz war Schutzbereichsleiter der Polizei für den Kreis Märkisch-Oderland als der Mord passierte. "Das Schicksal von Martin Heinze ging mir sehr nahe", erzählt der heute 64-Jährige. Damals wertete er den Fall sofort aus, um seine eigenen Mitarbeiter vor einer solchen Situation zu schützen und mahnte zu mehr Vorsicht. "Man leidet mit jedem Kollegen mit, weil man weiß, wie schnell es gehen kann."
Auch Papperitz war in seiner langen Polizeikarriere oftmals lebensgefährlichen Situationen ausgesetzt. In den Achtzigerjahren schoss ein zur Fahndung ausgeschriebener Soldat der russischen Armee bei einer Hausdurchsuchung auf ihn - und verfehlte ihn nur knapp. Als der ehemalige Polizeidirektor bei seiner Pensionierungsfeier 2011 gefragt wird, ob er bei einer Stiftung für Polizisten mitarbeiten möchte, die Opfer von Gewalttaten in Märkisch-Oderland geworden sind, sagt er deshalb sofort zu.
Unter seinem Vorsitz erweiterte der Stiftungsfonds, der sich unter dem Dach der Stiftung Oderbruch befindet, seinen Unterstützungsbereich auf das ganze Bundesland. Seit Februar 2012 trägt er den Namen von Martin Heinze. Es ist die erste unabhängige Einrichtung dieser Art in Brandenburg.
Der Martin Heinze-Fonds sieht seine Aufgabe darin, sich um die Familien von im Dienst verstorbenen oder dienstunfähig gewordenen Polizeibeamten zu kümmern. Der Fonds ist vor allem für die Anfangszeit nach einem Unglück gedacht, bevor das Versorgungsgesetz der Polizei greift. "Es soll ein Signal aus der Gesellschaft sein, für die sich der Polizist aufgeopfert hat", wie Ullrich Papperitz sagt. Bislang konnte der Stiftungsfonds einem Polizisten aus Cottbus helfen.
Im Einsatz ermordet wurde jedenfalls nur einer: Martin Heinze. Seine Frau Sabine denkt noch immer manchmal an jenen Sonntagmorgen vor zwanzig Jahren. Zum Gedenkgottesdienst am Donnerstagnachmittag in der Potsdamer Friedenskirche kann sie aus terminlichen Gründen nicht kommen. Doch ihre beiden Töchter haben sich angekündigt, ebenso wie Manfred Stolpe, der damals Ministerpräsident war. Ullrich Papperitz will der Polizeiinspektion Potsdam im Namen des Fonds eine Martin-Heinze-Gedenktafel aus Bronze übergeben.