Hoffnung dank DNA28. August 2019 18:13; Akt: 28.08.2019 18:25Print Wird Vergewaltiger von Emmen nun doch gefasst? Bisher darf man aus Täter-DNA nur das Geschlecht bestimmen. Jetzt will der Bundesrat, dass auch Täterprofile erstellt werden dürfen. Das würde auch im Fall Emmen gemacht.
Dieses Verbrechen schockte die Schweiz: Am 26. Juli 2015 riss ein Unbekannter in Emmen LU eine Frau (26) vom Velo und vergewaltigte sie. Die Frau ist seither querschnittgelähmt, der Vergewaltiger immer noch auf freiem Fuss.
Doch nun kommt neue Hoffnung auf, ihn nach über vier Jahren doch noch zu fassen: Die Strafverfolgungsbehörden sollen aus der DNA-Spur eines mutmasslichen Täters dessen Haar-, Haut- und Augenfarbe sowie biogeographische Herkunft bestimmen dürfen. Der Bundesrat hat am Mittwoch das überarbeitete DNA-Profilgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Bisher darf aus einer DNA-Spur nur das Geschlecht eines Täters bestimmt werden, sonst nichts.
Bundesrätin Karin Keller-Sutter zur geplanten Anpassung des DNA-Profilgesetzes. (Video: Keystone/SDA)
Sollte dieses Gesetz die weiteren politischen Hürden nehmen und einmal in Kraft treten, dann dürfe diese Rechtsgrundlage auch genutzt werden, um offene Fälle aus der Vergangenheit zu klären, hiess es beim Fedpol am Mittwoch auf Anfrage. Konkret: Auch im Fall Emmen könnte man mit der damals sichergestellten DNA versuchen, Haar-, Haut- und Augenfarbe und geografische Herkunft zu bestimmen. Vielleicht könnten diese Angaben zum Täter von Emmen führen.
«Würden Mittel selbstverständlich nutzen»
Die Ermittlungen zum Fall ruhen, im Januar 2018 wurde der Fall offiziell sistiert, da alle Mittel ausgeschöpft waren. Doch bereits 2016 sagte Simon Kopp, Informationsbeauftragter der Luzerner Staatsanwaltschaft: Sollten DNA-Täterprofile erlaubt werden, «würden wir dieses Mittel selbstverständlich nutzen – auch rückwirkend im Fall Emmen».
Parlament stimmte bereits zu
Politisch und rechtlich stehen die Chancen gut, dass die Luzerner Ermittler die neue Spur aufnehmen dürfen. Mit der Gesetzesänderung nämlich erfüllt der Bundesrat eine Motion von FDP-Nationalrat Albert Vitali («Kein Täterschutz für Mörder und Vergewaltiger»). Vitali reichte den Vorstoss explizit wegen des Falls Emmen ein und wurde vom Bundesrat zur Annahme empfohlen sowie vom Parlament angenommen.
KOMMENTAR Die DNA-Analyse ist auch ein Schutz für Unschuldige Durch die DNA-Analyse können nicht nur Mörder und Vergewaltiger überführt werden. Sie ermöglicht auch, Unschuldige als solche zu erkennen.
13.01.2020, 20.07 Uhr Hören Merken Drucken Teilen Der Fall erschütterte die ganze Schweiz: Am 21. Juli 2015 wurde eine damals 26-jährige Frau in Emmen vom Velo gerissen, vergewaltigt und schwer verletzt liegen gelassen. Sie ist seither Tetraplegikerin. Obwohl während Jahren unter anderem über 400 DNA-Proben analysiert wurden, fehlt vom Täter bis heute jede Spur.
Evelyne Fischer Evelyne Fischer
Obwohl Strafverfolger im Fall Emmen biologisches Spurenmaterial sicherstellen konnten, durften sie daraus nur das Geschlecht herauslesen. Mit der Revision des DNA-Profil-Gesetzes soll es künftig möglich sein, auch Augen-, Haar- und Hautfarbe, die biogeografische Herkunft sowie das Alter zu eruieren. Kritiker der sogenannten Phänotypisierung äussern Datenschutzbedenken, fürchten eine Beschneidung der Grundrechte. Und selbst der Luzerner FDP-Nationalrat Albert Vitali, der die Revision als Motionär angestossen hat, entgegnet auf den Wunsch, neben äusserlichen auch angeborene Merkmale auswerten zu dürfen: «Wir dürfen das Fuder nun nicht überladen.»
Gewiss: Die Vorhersage-Genauigkeit des Fahndungsinstruments ist beschränkt. Und die Spuren Unbeteiligter könnten ins Visier der Strafverfolger geraten. Oberste Maxime bei der Verbrechensaufklärung sollte aber kein falscher Täterschutz sein. Sondern das Ziel, Mörder und Vergewaltiger zur Rechenschaft zu ziehen. Den Eingriff in die Privatsphäre gilt es in Kauf zu nehmen. Denn die DNA-Analyse erlaubt es nicht zuletzt, auch Unschuldige als solche zu erkennen.
Vergewaltigungfall von Emmen - Könnte der Fall durch eine Gesetzesänderung gelöst werden? Dienstag, 21.07.2020, 17:38 Uhr
Bei Facebook teilen (externer Link, Popup)Bei Twitter teilen (externer Link, Popup)Mit Whatsapp teilen2Kommentare anzeigen Dieser Artikel wurde 1-mal geteilt. Es geschah am 21. Juli 2015 an der Dammstrasse in Emmen: Eine junge Frau wird von einem unbekannten Mann vom Velo gerissen und vergewaltigt. Das damals 26-jährige Opfer ist seit dem Vorfall gelähmt. Die brutale Tat entsetzt die Schweiz. Vom Täter fehlt weiterhin jede Spur. Hoffnung macht eine mögliche Gesetzesanpassung. Der Fall Emmen in der Übersicht.
Der Stand der Ermittlungen: Die Luzerner Strafverfolgungsbehörde ermittelt zurzeit nicht mehr aktiv. Sie hat den Fall Anfang 2018 auf Eis gelegt. Dies, nachdem sie die DNA des möglichen Täters mit denen von knapp 400 Männern verglichen hatte - jedoch ohne Erfolg. Ausserdem wurden fast 2000 Handydaten ausgewertet um herauszufinden, wer an jenem Tag in der Nähe des Tatortes war. Ein grosser Aufwand - bisher ohne Erfolg. Die Luzerner Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen Ende 2018 sistiert. Aktuell geht die Polizei nur noch neuen Hinweisen nach, ermittelt aber nicht mehr aktiv.
Neues DNA-Gesetz als Hoffnung: Die Ermittlungen könnten wieder aufgenommen werden, wenn die Polizei mehr Kompetenzen erhält. Dies wäre mit einer Anpassung des DNA-Gesetzes der Fall. Der verstorbene Luzerner Nationalrat Albert Vitali hat Ende 2015 einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Mit dem neuen Gesetz dürften die Strafverfolgungsbehörden mehr Informationen aus einer DNA-Probe herauslesen.
Zurzeit können sie lediglich klären, ob die DNA-Spuren des Tatorts mit denen eines Verdächtigen übereinstimmen. Oder, ob das DNA-Profil schon einmal in der Datenbank registriert worden ist. Die Luzerner Polizei hat ihre Möglichkeiten in diesem Vergewaltigungsfall von Emmen ausgeschöpft. Technisch wäre aber viel mehr möglich. So könnte mit Hilfe einer DNA-Probe auch Haar- und Augenfarbe oder das Alter herausgefunden werden. Das nennt sich Phänotypisierung und damit könnte die Polizei den Kreis der Verdächtigen weiter einschränken.
Umstrittene Punkte des Gesetzes: Aktuell geht es darum festzulegen, wie das Gesetz genau ausgestaltet sein soll. Grundsätzlich sind fast alle Parteien für eine Änderung, aber bei den Details gibt es unterschiedliche Meinungen. Es geht einerseits um die Frage, wann das Gesetz angewendet werden darf. Im aktuellen Vorschlag wäre das bei allen Straftaten vorgesehen, die mit drei Jahren Gefängnis oder mehr bestraft werden. Unter anderem Mord, Vergewaltigung oder Geiselnahme. CVP und SVP befürworten das. Der SP hingegen ist die Definition zu breit.
Ein zweiter umstrittener Punkt betrifft die Merkmale, welche aus einer DNA-Probe herausgelesen werden. Die kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren wünschen sich, dass auch künftige wissenschaftliche Erkenntnisse miteinbezogen werden. Wenn es beispielsweise einmal möglich sein sollte, auch die Körpergrösse eines Verdächtigen aus der DNA herauszulesen, dass dies ohne erneute Gesetzesanpassung gemacht werden dürfte.
Die nächsten Schritte: Nachdem die Vernehmlassung Ende 2019 abgeschlossen wurde, arbeiten die Bundesbehörden im Moment einen konkreten Gesetzesvorschlag aus. Sofern der Bundesrat diesem zustimmt, geht er nochmals ins eidgenössische Parlament. Das sollte bis spätestens Ende 2020 der Fall sein, wie das Bundesamt für Polizei sagte.
Sondersession im Nationalrat - Ermittler sollen DNA-Profile weitergehend nutzen können Die Phänotypisierung soll es erlauben, mehr Informationen aus einer DNA-Spur von einem Tatort herauszulesen.
Heute, 13:38 Uhr 04.05.2021 Aktualisiert um 13:52 Uhr
Worum geht es? Gentests können wichtige Hinweise liefern, um in der forensischen Ermittlungsarbeit ein Täterprofil zu erstellen. Eine sogenannte Phänotypisierung ist bis jetzt in der Schweiz nicht zugelassen. Diese ist der Kern des DNA-Profil-Gesetzes, über das der Nationalrat als Erstrat debattiert hat.
Was ist das Problem? In der Schweiz dürfen nur vorhandene Datenbanken beigezogen und nur das Geschlecht bestimmt werden. Durch genauere Bestimmungen von DNA-Proben könnten Profile von Täterinnen und Tätern erstellt werden. Das revidierte DNA-Profil-Gesetz soll die DNA-Phänotypisierung ermöglichen.
Wer hat die Gesetzesrevision angestossen? Alt-Nationalrat Albert Vitali (FDP/LU) hat die Motion «Kein Täterschutz für Mörder und Vergewaltiger» nach der Vergewaltigung einer jungen Frau in Emmen LU im Juli 2015 eingereicht.
Was soll in Zukunft gelten? Künftig sollen aus einer DNA-Spur auch die Augen-, Haar- und Hautfarbe, die biogeografische Herkunft und das Alter bestimmt werden können. Auch weitere Merkmale soll der Bundesrat festlegen können, wenn sich ihre Bestimmung als zuverlässig erweist. Die Phänotypisierung soll zum Einsatz kommen, um schwere Verbrechen, welche mit einer maximalen Freiheitsstrafe von über drei Jahren bestraft werden, auf Anordnung der Staatsanwaltschaft, aufzuklären – wie beispielsweise Vergewaltigung, Mord oder Raub.
Die Vorlage soll auch den Verwandtensuchlauf regeln, wenn die DNA-Datenbank keinen Treffer meldet und alle Ermittlungen ergebnislos geblieben sind. Ergibt sich in der Datenbank eine Übereinstimmung, wird im Kreis der Verwandten gesucht.
Die Chancen der Phänotypisierung
Box zuklappen In den vergangenen Jahren machten die Möglichkeiten zur Identifizierung von Menschen enorme Fortschritte. Heute lassen sich aus einer DNA-Spur mittels der sogenannten Phänotypisierung weitere äusserliche Merkmale herauslesen. Ein Überblick:
Augenfarbe: Die Farben Blau und Dunkelbraun können mit einer 90- bis 95-prozentigen Sicherheit bestimmt werden. Die Zwischenfarben (beispielsweise Grün oder Graumeliert) lassen sich schwieriger bestimmen. Haarfarbe: Die Haarfarben Rot, Blond, Braun oder Schwarz lassen sich mit einer hohen Zuverlässigkeit bestimmen: Blond zu 69 Prozent, braun zu 78, rot zu 80 und schwarz zu 87 Prozent. Bei Blond ist zu berücksichtigen, dass bei einem Teil der blondhaarigen Bevölkerung während der Adoleszenz eine Veränderung der Haarfarbe zu dunkel-blond/Braun auftritt. Hautfarbe: Weisse und sehr dunkel pigmentierte Haut kann mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bestimmt werden. Mit den heute zur Verfügung stehenden Tests können inzwischen auch Klassifikationen der unterschiedlichen dazwischenliegenden Hautfarben vorgenommen werden. Die Vorhersagewahrscheinlichkeit liegt aktuell für die weisse Hautfarbe bei 98 Prozent, für die schwarze bei 95 Prozent und für Mischformen bei 84 Prozent. Biogeografische Herkunft: Anhand spezifischer Merkmale der DNA lässt sich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit sagen, ob eine Person aus einer der Weltregionen Europa, Afrika, Ostasien, Südasien, Südwestasien oder der indigenen Bevölkerung in Ozeanien oder Amerika stammt. Alter: Mit einer DNA-Analyse lässt sich das Alter eines Spurenlegers oder einer Spurenlegerin bis auf vier oder fünf Jahre genau bestimmen, sofern dieser in etwa der Altersgruppe der 20- bis 60-Jährigen angehört. Bei jüngeren und auch bei älteren Menschen lässt sich das Alter weniger genau bestimmen, und es kann zu grösseren Abweichungen kommen. Was sind Argumente der Gegner? Die Phänotypisierung greift laut Marionna Schlatter (Grüne/ZH) schwer in die Grundrechte ein. Zudem könnten ganze Bevölkerungsgruppen in den Fokus von Ermittlungen geraten. Es gebe zu wenige Restriktionen für die Anwendung des Verfahrens, so Schlatter.
Was sind Argumente der Befürworter? «Technische Fortschritte müssen im Gesetz verankert werden, damit Verbrechen aufgeklärt werden können», forderte Andrea Geissbühler (SVP/BE). Maja Riniker (FDP/AG) sagte, der Staat sei es den Opfern von Straftaten schuldig, alles zu unternehmen, damit Tatverdächtige aufgespürt werden könnten. Die Methode sei ideologieneutral und verlässlicher als Aussagen von Augenzeuginnen und -zeugen, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter.
Wie steht es um das Argument der Diskriminierung? In den Augen der Befürworter im Rat und des Bundesrates richtet sich die Phänotypisierung nicht gegen eine bestimmte Person, sondern dient der Eingrenzung von Personenkreisen bei einer Ermittlung.
Was wurde entschieden? Der Nationalrat hat den Änderungen im DNA-Profil-Gesetz und in der Strafprozessordnung zugestimmt. Die Vorlage wurde mit 125 zu 54 Stimmen bei 12 Enthaltungen angenommen. Sie wird als Nächstes im Ständerat behandelt.