Gedenkstein erinnert an Mord vor 70 Jahren Der 19. Juni 1945, ein Dienstag, war sonnig und warm. Für die 23-jährige Polin Olga Pastusiak sollte er zum Verhängnis werden. Sie wurde im Rothauser Wald brutal vergewaltigt und ermordet. Die Täter wurden nie zur Rechenschaft gezogen.
Der Gedenkstein aus Granit im Gemeindewald erinnert ans schwere Verbrechen. Die Inschrift ist in polnischer und deutscher Sprache. Der Gedenkstein aus Granit im Gemeindewald erinnert ans schwere Verbrechen. Die Inschrift ist in polnischer und deutscher Sprache. Bild: Friedbert Zapf
Truppen des 21. Französischen Kolonialen Infanterieregiments hatten Ende April 1945 den Hochschwarzwald besetzt – „Marokkaner mit rotem Fez, Rif-Kabylen in ihren Kapuzenmänteln, Senegalneger, Spanier und Franzosen“, wie die Zeitzeugin Gretel Bechthold für Faulenfürst festhielt. Im Juni 1945 lebten auch noch dutzende Zwangsarbeiter auf den Höfen, vor allem Polen und Ukrainer. Gretel Bechtold nennt beispielsweise den Polen Roman in Faulenfürst, in den sie sich ein bisschen verliebt hatte. Auf dem Dürrenbühlhof arbeiteten die beiden Polen Stanislav und Leo, in Balzhausen lebte eine Polin mit ihrem kleinen Sohn. Sie wollte angeblich nicht mehr zurück.
Und dann war da noch Olga Alexandra Pastusiak. Auf welchem Weg die 23 Jahre alte Polin in den Hochschwarzwald kam, ist unsicher. Eine Version lautet, dass sie mit dem Rothauser Förster Josef Böhler (Jahrgang 1896) gekommen sei. Sie sei „1944 mit Männern des sogenannten Deutschen Forstschutzkommandos vor den Russen aus Polen geflohen“ (Schluchseer Rundschau Nr. 13/2014).
Die paramilitärische Einheit war 1939 von Reichsforstminister Göring in Polen „zum Schutz der Wälder und der Holzverarbeitung“ gegründet worden. Olga Pastusiak jedenfalls arbeitete nun als Zimmermädchen und Küchenhilfe im Kurhaus Rothaus. Dorthin war im April 1945 die „Psychiatrische- und Nervenklinik“ der Universität Freiburg ausgelagert worden.
Zeitzeugin Roswitha Gehri, geb. Verini, (Jahrgang 1936) erinnert sich daran, dass Olga und eine zweite Polin namens Kordula, ebenfalls Zimmermädchen in Rothaus, auf dem Verini-Hof (heute „Speckhuisli“) oft Milch für das Kurhaus geholt hätten. Sie beschreibt Olga Pastusiak als ein bildhübsches Mädchen mit schwarzen, zu einem Knoten gebundenen Haaren.
Der 19. Juni 1945, ein Dienstag, war sonnig und warm. Olga Pastusiak hatte nachmittags frei und fuhr mit dem Fahrrad, das ihr ein französischer Besatzungssoldat geschenkt hatte, zum Friseur nach Schluchsee. Sie nahm den Weg auf der Landstraße über Amertsfeld, wo sie mit der Mutter der Zeitzeugin Erna Würtenberger (Jahrgang 1925) noch ein Schwätzchen hielt.
Ob sie denn keine Angst habe bei den vielen Soldaten in der Gegend? Einem Polenmädchen drohe keine Gefahr, habe sie beim Weiterfahren lachend erwidert. Den Rückweg nahm Olga Pastusiak über Faulenfürst. Am Ortsende Richtung Rothaus, dort wo die Straße rechtwinklig abbiegt, legte die Polin das Fahrrad ins Gras. Sie sei in das Wiesengelände hineingegangen, so Erna Würtenberger, um Sommerblumen zu pflücken. Zwei im Hotel Seebrugg einquartierte marokkanische Besatzungssoldaten müssen sie beobachtet haben und ihr gefolgt sein.
Dass Olga Pastusiak nicht Richtung Faulenfürst, sondern in den Wald hinein Richtung Dürrenbühl flüchtete, wurde ihr zum Verhängnis. Laut Sterbeeintrag im Standesbuch Grafenhausen fand man die Leiche der Polin gegen 15 Uhr. Dem gewaltsamen Tod ging wohl eine Vergewaltigung voraus. Nach dem Sterbebuch des Pfarramtes Grafenhausen wurde die Polin am 26. Juni 1945 auf dem dortigen Friedhof beerdigt. Wurden die Mörder zur Rechenschaft gezogen? Erna Würtenberger berichtete, dass die Verdächtigen sich in Bonndorf „vor Zeugen haben aufstellen müssen, aber es kam nichts dabei heraus“.
Wer den 90 Zentimeter hohen Gedenkstein aus Granit im Gemeindewald Grafenhausen, rund 500 Meter östlich von Faulenfürst, aufstellte, ist nicht sicher belegt. Roswitha Gehri schließt nicht aus, dass es der Pole Stanislav vom Dürrenbühlhof war. Mit ihm war Olga Pastusiak befreundet.