Ermittlungen im IRA-Mordfall wieder aufgenommen: Neue Hoffnung für die Angehörigen
Von Lars Faulenbach
Nach über 25 Jahren kommt Bewegung in den Mordfall Heidi Hazell. Ihre Angehörigen haben es mit unermüdlichem Einsatz erreicht, dass der Generalbundesanwalt das IRA-Attentat in Unna Massen von 1989 jetzt wieder aufrollt. Ermittler sprechen diese Woche mit ihrer Nichte.
„Neue Angaben von Hinterbliebenen der Getöteten Heidi Hazell, aus denen sich neue Ermittlungsansätze ergeben seien es“, so begründet die Bundesanwaltschaft, warum sie den Mord an Heidi Hazell nach über 25 Jahren wieder aufrollt. Für Melanie Anan ist dies eine große Genugtuung. Endlich hören sich deutsche Ermittler an, welche Hinweise sie über den Tod ihrer Tante vor über 25 Jahren zusammen getragen hat.
Nichte drängte unermüdlich auf Aufklärung
Melanie Anan hält eine Rede vor dem nordirischen Parlament in Stormont. Seit langem setzt sich Anan dafür ein dass der Mord-Anschlag auf Heidi Hazell doch noch vor einem Richter landet, dass die Mörder ihrer Tante zur Rechenschaft gezogen werden. Unter anderem hat sie in diesem Frühjahr vor dem nordirischen Parlament in Stormont eine Rede gehalten und darum geworben ihr zu helfen, dass Verfahren zum Mord an ihrer Tante wieder aufzurollen. Jahrelang hat sie dafür unermüdlich gearbeitet, hat über soziale Netzwerke Hinweise zusammen getragen und nach Zeugen jener für ihre Familie so verhängnisvollen Nacht im September 1989 gesucht.
14 Schüsse aus einer Kalaschnikow
Was am 7. September 1989 gegen 21 Uhr 50 in Unna Massen geschah, rekonstruierten die Ermittler von Bundeskriminalamt (BKA), Dortmunder Mordkommission und Bundesanwaltschaft anhand von Zeugenaussagen relativ genau. Heidi Hazell, 26-jährige deutsche Ehefrau eines Offiziers der britischen Rheinarmee, wollte um diese Uhrzeit mit ihrem Wagen auf einen Parkplatz einbiegen.
In diesem Moment trat ein Mann in Armee-Tarnjacke an das Fahrzeug mit britischem Kennzeichen heran und gab aus einer Kalaschnikow insgesamt 14 Schüsse auf den Wagen ab. Gleich mehrere Kugeln trafen die junge Frau durch das Wagenfenster, sie war sofort tot, wie der Notarzt später feststellte. Ihr dunkelblauer Wagen rollte daraufhin rückwärts den Abhang hinunter und kam einer Mauer der evangelischen Kirche zu stehen, mit zersplitterter Seitenscheibe und der toten Heidi Hazell über dem Lenkrad.
Nicht der einzige IRA-Mord in Deutschland
Einen Tag später übernahm die IRA die Verantwortung für den Mordanschlag, bezeichnete den Tod von Heidi Hazell aber als Versehen, man habe sie für einen Armeeangehörigen gehalten, eigentlich habe ihr Mann das Opfer sein sollen. Soldaten wie Clive Anthony Hazell seien ein „legitimes Ziel in einem Krieg, der so lange andauern wird, bis auch der letzte britische Soldat Irland verlassen hat.“
Heidi Hazell war deshalb auch nicht das einzige Opfer der IRA in Deutschland, allerdings die einzige Deutsche. Allein im Jahr 1989 töteten Attentäter der IRA in Deutschland vier Menschen unter anderem den Corporal der Rhein-Armee Mick Islania und seine sechs Monate alte Tochter in Wildenrath bei Mönchengladbach. Im Jahr 1990 wurde Major Michael Dillon-Lee vor seiner Haustür in Dortmund erschossen.
Ermittlungen verlaufen ins Leere
Wie in diesen Fällen, ist auch der Fall Heidi Hazell bis heute ungeklärt. Obwohl BKA und britische Militärpolizei gleich umfangreiche Fahndungsmaßnahmen einleiteten – unter anderem wurde wegen der Mordserie im Herbst 1989 mit zahlreichen Kontrollstellen in ganz NRW nach den Attentätern gesucht – konnten die Mörder von Heidi Hazell nicht gefasst werden, die Bundesanwaltschaft stellte die Ermittlungen 1993 ein.
Melanie Anan macht dafür auch die aus ihrer Sicht mangelnde Kooperation der britischen Militärpolizei mit den deutschen Behörden verantwortlich. Die Briten hätten bestimmte Hinweise und Zeugenaussagen nicht an die deutschen Ermittler weiter gegeben und dadurch dafür gesorgt, dass der Mord an ihrer Tante nach wie vor ungesühnt sei. Viele dieser Zeugen habe sie mit ihren eigenen Recherchen jetzt aufgespürt. Melanie Anan hofft, dass die Mörder ihrer Tante doch noch vor Gericht landen und ihre Familie endlich Frieden findet.