Seit 70 Jahren: Rätselraten um den Mord an Bildhauer Ferdinand Konzelmann
Gaildorf am 9. Mai des Jahres 1945: Am Fuße des Kirgels wurde die teilweise verscharrte Leiche des legendären Bildhauers Ferdinand Konzelmann aufgefunden. Der Mordfall ist bis heute nicht geklärt.
KLAUS MICHAEL ... | 16.05.2015
Ferdinand Konzelmann mit einem seiner Kunstwerke. Der Tod des Bildhauers ist bis heute nicht geklärt. Auch im Stadtarchiv findet sich keinerlei Hinweis auf den Fall.
Viele Gaildorfer hätten ihn als "Spinner" und "Fremdling" beschimpft. Doch das habe ihn eher amüsiert als geärgert, wussten in der Nachkriegszeit Augenzeugen über den eigenwilligen, begabten Kunstbildhauer Ferdinand Konzelmann zu berichten. Der hatte (vermutlich) seit 1938 in einer armseligen Hütte im Gewann Löchle am Rande der heutigen Häusersbach-Siedlung gelebt und gearbeitet. Auf dem dortigen Grundstück wurde er am 9. Mai 1945, kurz vor seinem 64. Geburtstag, tot aufgefunden.
Der frühere Vorsitzende des Gaildorfer Historischen Vereins, Steffen Hinderer (), hatte zum 50. Todestag Konzelmanns im Rahmen einer viel beachteten Ausstellung Leben und Werk des Künstlers erstmals ausführlich dokumentiert. Nach umfangreichen Recherchen und der Befragung vieler Zeitzeugen musste er passen: Über Täter und Tatmotiv, so sein damaliges Fazit, werde es wohl keine Informationen mehr geben. Die Leiche Ferdinand Konzelmanns wurde an jenem 9. Mai gegen 18 Uhr von Angehörigen entdeckt. Unbekannte hatten ihm offensichtlich mit einem stumpfen Gegenstand den Schädel eingeschlagen und ihn danach verscharrt - bei lebendigem Leib, wie eine später angestellte Obduktion der Leiche ergeben habe. Er ist erstickt!
Manche Zeitgenossen, erfuhr Hinderer, hätten sich damals schnell ein Urteil gebildet: Konzelmanns Mörder seien in den Reihen der polnischen Zwangsarbeiter zu suchen. Für diese Anschuldigungen habe es jedoch keinerlei Anhaltspunkte gegeben. Auch ein Raubmord wurde eher ausgeschlossen, zumal der Künstler - ausgenommen seine Bienenstöcke, ein Fahrrad und eine goldene Taschenuhr - keine Reichtümer besessen hatte.
Gerätselt wird auch über den Todestag. Im Totenregister des Standesamts ist außer dem Datum, an dem Ferdinand Konzelmanns sterbliche Überreste gefunden wurden, nichts vermerkt. Er war offenbar seit dem 19. oder 20. April - als bei Gefechten zwischen deutschen und amerikanischen Truppen Teile der Gaildorfer Innenstadt zerstört wurden - vermisst worden.
In welchem Umfang und mit welcher Intensität in den Wirren der letzten Kriegstage in dem Mordfall ermittelt wurde, ist ebenfalls nicht überliefert. In den Beständen des Stadtarchivs findet sich nach Mitteilung von Stadtarchivarin Dr. Heike Krause nicht der kleinste Hinweis.
Nur dieser: Ab dem 27. April hatte die amerikanische Militärregierung in der Stadt das Sagen - und alle Hände voll zu tun, um Recht und Ordnung sicherzustellen. Das muss damals ein schwieriges Unterfangen gewesen sein: Mit Schreiben vom 1. Mai hatte First Lieutenant Michael B. Watson vom Backnanger US-Hauptquartier Bürgermeister Albert Herrmann ermächtigt, die Zahl der als Hilfspolizisten eingesetzten Gaildorfer Bürger von 12 auf insgesamt 24 zu verdoppeln und mit Knüppeln auszurüsten. Auch über deren Arbeit gibt es keine Aufzeichnungen.
Hoffnungen, doch einmal Einzelheiten über diesen mysteriösen Fall zu erfahren, konzentrieren sich nun auf überregionale Archive bzw. auf Zufallsfunde in Aktenbeständen von Ermittlungsbehörden. Fakt ist derzeit: Die Akte Konzelmann kann nicht geschlossen werden - weil nicht bekannt ist, ob es sie überhaupt (noch) gibt.
Zusatzinfo Kein Talent, seine Kunst zu vermarkten Ferdinand Konzelmann wurde am 24. Mai 1881 in Kleinsachsenheim als zweites von 18 Kindern des Schreiners Kaspar Konzelmann und der Anna Maria Traub geboren. Die Familie lebte ab 1890 in Unterrot. Auf Grund seiner besonderen künstlerischen Begabung durfte er die Kunstakademie in Stuttgart besuchen, brach das Studium aber bald wieder ab. Er war der Überzeugung, dass er dort nichts Wesentliches lernen konnte. Es folgten lange Wanderjahre, die ihn durch viele Städte Europas führten, bis er sich schließlich in Wiesbaden weiteren Kunststudien widmete. Nach dem Ersten Weltkrieg kam er nach Murrhardt, wo er 1922 heiratete. Die Ehe wurde nach wenigen Jahren geschieden. Er lebte danach noch bis etwa 1938 in Murrhardt und von da an in Gaildorf in seiner Hütte. Ferdinand Konzelmann verstand es nicht, sein großes Talent zu vermarkten. Es genügte ihm, wenn es immer gerade so zum Leben reichte. - Quelle: Hans König, Menschen aus dem Limpurger Land, Band 1, 1998