Der Tod eines Chefboten Aktualisiert: 09.03.09 - 11:23
Der Rauch quoll aus sämtlichen Ritzen der Wohnungstür im zweiten Stock des Hauses Sendlinger Straße 18. Eine Nachbarin schlug um 21.20 Uhr Alarm. Nur Minuten später brachen Feuerwehrmänner an jenem Abend des 23. März 1998 die Tür des brennenden Apartments auf. Einer arbeitete sich durch den Qualm in den kleinen Wohnraum vor und stolperte fast über den am Boden liegenden, korpulenten Mann, der keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gab. Noch im Flur begann der Notarzt mit der Reanimation. Doch hier konnte kein Arzt mehr helfen.
Der Notarzt war es auch, der beim genaueren Hinsehen stutzig wurde. Woher hatte der rußgeschwärzte Tote die schweren Gesichts- und Schädelverletzungen? Der Arzt sah sich um. Aber er fand nichts, was derartige Verletzungen hätte hervorrufen können. So wurde Benedikt Förderreuther (71) – ehemaliger Chefbote der Süddeutschen Zeitung und Hausmeister des von ihm bewohnten Anwesens – noch in der selben Stunde ein Fall für die Nachtbereitschaft der Mordkommission. Die Obduktion bestätigte den Verdacht: Benedikt Förderreuther war schon tot gewesen, bevor seine Wohnung in Flammen aufging.
Noch am Vormittag jenes Montags hatten Anwohner Benedikt Förderreuther vor dem Haus beim Schneeschaufeln gesehen. Er wohnte seit 20 Jahren an der Einkaufsmeile im Herzen der Stadt und besserte seine Rente mit dem Hausmeisterjob auf. In seiner kleinen, blitzsauberen Firmenwohnung hatte alles seinen festen Platz. Dass er homosexuell war, wussten hier alle. Benedikt Förderreuther hatte auch nie einen Hehl daraus gemacht.
So bestand sein Bekanntenkreis überwiegend aus jungen Männern. Der 71-Jährige war Stammgast im „Donisl“. Er suchte und fand seine Bekanntschaften auf öffentlichen Plätzen – speziell rings um den Viktualienmarkt, am Marienplatz, am Hauptbahnhof und häufig am Rindermarktbrunnen. Für einen nicht gerade reichen, etwas einsamen Mann im fortgeschrittenem Alter ist es nicht so einfach, eine feste Beziehung zu finden. Zuletzt hatte Förderreuther daher häufiger Kontakt zu mittellosen, verwahrlosten Strichjungen, die er zuweilen bei sich aufnahm und ihnen auch Arbeit beschaffte.
Manchmal bekamen die Nachbarn mit, dass sich Förderreuther mit seinen Freunden stritt. Dabei ging es stets ums Geld. Denn der 71-Jährige hielt sich nicht immer an die vereinbarten Preise – ein Mordmotiv?
An jenem kalten März-Tag 1998 wurde Förderreuther um 16.30 Uhr zum letzten Mal lebend im Treppenhaus gesehen. Er war in Begleitung eines gutaussehenden, slawisch wirkenden Mannes mit der Figur eines Knaben – ungefähr 20 Jahre alt, dunkle Augen, schwarze Haare, sehr gepflegt. Ob dieser Mann der Mörder, ein Mittäter, ein Mitwisser oder auch völlig unbeteiligt war – das konnte nie geklärt werden.
Als Todeszeitpunkt wird etwa 21 Uhr angenommen. Um diese Zeit hörten Nachbarn polternde Geräusche. Was für ein Drama sich in diesen Minuten in ihrer Mitte vollzog, das erfuhren sie erst später. Benedikt Förderreuther muss entsetzlich gelitten haben. Mindestens elfmal hatte sein Mörder ihm mit einem bis heute unbekannten Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Dabei brachen dem 71-Jährigen mehrere Zähne ab. Sein ganzer Körper war übersät von Wunden.
Doch an den Schlägen allein war der Rentner nicht gestorben. Am Ende hielten ihm die Täter – die Kripo geht von zwei Männern aus – Mund und Nase zu und ließen den Schwerverletzten langsam ersticken. Eine unnötig grausame, sadistische Art zu töten. Und auch Ausdruck tiefster Verachtung. Viele Stricher sind nicht homosexuell. Sie hassen die Art, wie sie ihr Geld verdienen – und ihre Freier auch.
Dabei ging es den Raubmördern offenbar nur ums Geld. Förderreuthers kleine Wohnung wurde komplett durchwühlt. Die Täter fanden seine EC-Karte und etwa 1000 Euro Bargeld. Bevor sie die Wohnung verließen, legten sie an mehreren Stellen Feuer – mit Erfolg: Die Wohnung brannte nahezu aus. Der Schaden wurde auf 30 000 Euro geschätzt.
Alle Spuren jedoch konnten die Flammen nicht vernichten. Zwei Bierdosen (Marke Kaiserkrone) auf der Arbeitsplatte in der Küche mit den DNA-Spuren zweier Unbekannter lassen den Schluss zu, dass Benedikt Förderreuther in den letzten Stunden seines Lebens zwei Gäste bewirtet hat – wahrscheinlich seine Mörder.