Kein einziger Hinweis Spurlos verschwunden - seit über einem Jahr Erstellt am 13. Dezember 2023 | 06:05 Lesezeit: 4 Min
Markus Lohninger Dieser Artikel ist älter als ein Jahr
Erika F, seit 30. Oktober 2022 vermisst
Waldviertlerin ist seit 30. Oktober 2022 abgängig. Was bedeutet das in der Praxis, und wie geht das Umfeld damit um?
Der Geburtstag im Sommer, der Tag des bis dato letzten Lebenszeichens im Herbst, jetzt die Adventwochen. Das sind die Zeiten, in denen ihr Fehlen besonders aufwühlt, Erinnerungen und Gedanken wieder hochkommen, Fragen noch ein weiteres Mal durchgedacht werden – trotz des Wissens, dass sie wohl nicht gelöst werden können.
Die demente, aber als körperlich rüstig beschriebene Litschauerin Erika F. ist seit mehr als einem Jahr abgängig:
Seit 30. Oktober 2022 wurde die damals 76-Jährige weder lebend gesichtet, noch ging auch nur ein einziger Hinweis auf ihren Aufenthaltsort ein.
Was man sonst nur im Fernsehen sieht, das ist für das gesamte frühere Umfeld der Abgängigen seit mehr als 13 Monaten Realität. Vieles davon ist eigentlich schon längst Vergangenheit.
Es gab Vermisstenanzeigen, hundertefach geteilt in Online-Portalen, verteilt im Waldviertel und an zentralen Öffi-Knoten in Wien, sogar auf Tschechisch im südböhmischen Grenzland, Kontakte mit Spitälern beiderseits der Grenze genauso wie mit dem Einsatzkommando Cobra.
Die ganze Bandbreite an Suchtrupps – inklusive auf Wasserleichen spezialisierter Suchhunde – hatte das Gebiet um ihren letzten Wohnort nahe des Herrensees mehrfach und weiträumig im Wasser, auf Land und mit Drohnen durchkämmt.
Die Vermisste - einst jahrelange, beliebte Wirtin in Eugenia bei Schrems - hatte in einer Wohnung unweit des Bootsverleihs gelebt. Zuletzt habe sich ein weiterer Tauchverein für eine Suche angeboten, sagt die Tochter: „Das wäre leider einfach sinnlos.“
Fragen über Fragen. Ein Ertrinken im See hielte die Tochter, sofern dem nicht etwa ein folgenschwerer Sturz vorangegangen wäre, generell für kaum möglich, „das Wasser war ihr Metier“.
Dass sie sich verirrt hatte? Genauso schwer vorstellbar, „sie blieb immer auf ihr bekannten Wegen, großteils im Umfeld der Wohnung“. Entführung? Gar Mord?
„Dafür hätte es keine Begründung gegeben, sie war auch nicht vermögend.“ Ins Ausland abgesetzt?
Unwahrscheinlich, zumal Reisepass, E-Card, Geldbörse oder Handy zuhause blieben. Selbstmord? Auf gar keinen Fall. „Das war nicht meine Mutter.“
Trotzdem müssen die Angehörigen irgendwie weiterkommen, einen Weg finden, die Angelegenheit zu verarbeiten und abschließen zu können, sagt die Tochter. Die Mutter, Tante, Oma und Uroma sei in Gedanken und Träumen präsent, aber ihr ungeklärtes Schicksal belastet.
Die administrativen Angelegenheiten sind inzwischen geklärt, spricht die Tochter von großem Entgegenkommen der Exekutive. Manches wurde eingefroren, manches gekündigt, die Wohnung wurde aufgelöst. Die Abmeldung des Handyvertrages sei das schwierigste gewesen.
Chance bei „praktisch null“. Die Chance dafür, dass ihre Mutter noch lebt, beziffert die Tochter mit „praktisch null“.
Selbst mit ganz schlimmen potenziellen Szenarien mussten sich die Angehörigen mittlerweile gedanklich auseinandersetzen. Theoretisch könnten sie trotz allem Erklärungen für ein Verschwinden sein, bei dem keine einzige Spur hinterlassen wurde.
Etwa das Szenario, wonach die Pensionistin alleine im Wald zu Sturz gekommen sein und in der Folge verstorben sein könnte: „Ein Jäger erzählte, dass ein Wildschwein einen Menschen mitsamt der Knochen auffressen kann.“ Persönliches wie Geldbörse oder Handy hatte sie zuhause gelassen, keinen Schmuck getragen – für Suchtrupps wäre es in einem solchen Fall also extrem schwer gewesen.
Tot ist die Waldviertlerin aber genauso wenig. „Ein Enkerl sagt, die Oma ist solange nicht tot, solange sie nicht tot gefunden wird.“
Juristisch gibt es für diese Frage freilich ein relativ klares Regelwerk, das sich vorläufig mit der Ansicht des Enkerls deckt, wie auf oesterreich.gv.at zu lesen ist: Vermisste gelten demnach so lange als lebend, bis „ihr Tod im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) eingetragen bzw. die gerichtliche Beweisführung des Todes oder die Todeserklärung erwirkt wurde“, heißt es hier.
Verschollene nach einem Flugzeugabsturz können demnach nach drei, nach einem Schiffsuntergang nach sechs und in sonstiger Lebensgefahr (etwa in einem Katastrophengebiet) nach zwölf Monaten für tot erklärt werden. Ansonsten ist eine Toterklärung erst nach dem Verstreichen von zehn Jahren möglich.
Die Erinnerung gemeinsam wahren. Nur etwa zehn von jährlich ungefähr 10.000 Abhängigkeits-Meldungen in Österreich bleiben dauerhaft ungelöst. Rat, wie mit dem Verlust eines geliebten Menschen ohne Bestattung oder Abschiednahme umgegangen werden könnte, ist daher für Angehörige nicht einfach zu bekommen. Ihre Idee: Sie möchten ein Zeremoniell finden, das ihnen die Möglichkeit gibt, der spurlos Verschwundenen gedenken und die Erinnerung an sie gemeinsam wahren zu können.
Zur Vermisstenmeldung bei „Österreich findet euch“
Das hat die NÖN dazu berichtet
Hinweise an den Polizeiposten Litschau: 059-1333-405100