SCHWEINFURT Ungelöste Kriminalfälle: Der geheimnisvolle Beifahrer
Marianne Hübsch: Der Tod einer Polizeiangestellten schafft es in die Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" - und er ist ungelöst bis heute.
Kripo-Mann Herbert Then im TV-Studio: „Frau Hübsch hat noch gelebt, als das Auto angezündet wurde“, sagte er in „Aktenzeichen XY ... ungelöst“.
Monate nach dem Flammentod von Marianne Hübsch rätselt die Kripo noch immer und sucht die breite Öffentlichkeit.
Im März 1987 wird die tote Polizeiangestellte ein Filmfall für Eduard Zimmermann. Dessen Fahndungs-Sendung „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ sehen zeitweise bis zu sieben Millionen Zuschauer. Die Schweinfurter Kripo hofft dadurch Zeugen zu finden, um den Fall der in ihrem Auto verbrannten Polizeiangestellten lösen zu können.
„Am Anfang sah es so aus, als könnte ein Selbstmord vorliegen“, berichtete der TV-Fahnder mit der üblichen bitterernsten Miene. „Im Lauf der Ermittlungen zeigte sich dann aber immer mehr, dass hier mit großer Wahrscheinlichkeit ein raffiniert getarnter Mord verübt worden ist.“
Um den Tod der 36-jährigen Ehefrau und Mutter zweier kleiner Söhne ranken sich viele mysteriöse Fakten: Am 9. Oktober 1986 gegen Abend wurde der Leitstelle in Schweinfurt ein brennender Wagen am Rande der B 303 bei Brebersdorf (Lkr. Schweinfurt) gemeldet. Bei den Löscharbeiten stellten Feuerwehrmänner rasch fest: In dem silbergrünen Opel Ascona mit Ansbacher Kennzeichen lag eine verbrannte Frauenleiche.
Die Obduktion ergab, dass es sich um die Ehefrau des Halters handelte, Marianne Hübsch, die als Schreibkraft bei der Polizei-Inspektion Feuchtwangen beschäftigt war. Ihr Ehemann war völlig ratlos. Ihm hatte seine Frau bei einem Telefonat am Mittag noch angekündigt, sie wolle von ihrem Haus in Feuchtwangen aus nach Dinkelsbühl fahren, um ihren zwei Kindern Kleidung und Schuhe zu kaufen.
„Frau Hübsch hat noch gelebt, als das Auto angezündet wurde.“ Oberkommissar Herbert Then in der Aktenzeichen-XY-Sendung
Die Stadt lag aber von ihrem Wohnort aus genau in der anderen Richtung, rund 100 Kilometer von Brebersdorf entfernt, wo nun der verkohlte Ascona mit dem markanten Kennzeichen AN-JJ 555 stand. Hatte es sich Marianne Hübsch anders überlegt – obwohl sie in Schweinfurt eigentlich keine näheren Bekannten hatte? Oder war die Einkaufsfahrt nur ein Vorwand gewesen? Darüber rätseln die Ermittler bis heute.
Die Rekonstruktion ergab, dass die Frau um 12 Uhr ihren Arbeitsplatz verlassen hatte. Eine Stunde später telefonierte sie mit ihrem Mann. Kurz darauf muss sie mit dem Wagen losgefahren sein. Dann verliert sich ihre Spur.
Wo sie in den darauf folgenden drei Stunden war, ist unbekannt. Gegen 17.30 Uhr bemerkte ein Unternehmer aus Brebersdorf in einem Waldstück etwa 150 Meter nördlich der Gemeinde – ganz nah an der Autobahnauffahrt Schweinfurt/Niederwerrn – einen Personenwagen. Schon wenig später muss der Ascona bereits lichterloh gebrannt haben, wie ein weiterer Zeuge beobachtete. Die alarmierte Feuerwehr aus Rüschenhausen löschte den Brand und entdeckte die Leiche darin.
In dem ausgebrannten Auto fand sich ein leerer Benzinkanister, der den Verdacht nährte, der Wagen sei nicht durch einen technischen Defekt in Brand geraten, sondern angezündet worden. Die Sachbearbeiter der Kripo sind sich auch ziemlich sicher, dass die 36-Jährige kurz vor der Explosion noch geatmet hat – ein Umstand, der ein Gewaltverbrechen nicht ausschließt.
Eine Obduktion der Leiche ergab keine Schuss-, Stich- oder Schädelverletzungen, sodass ein Suizid ebenso möglich schien wie ein Verbrechen. „Frau Hübsch hat noch gelebt, als das Auto angezündet wurde“, erklärte im Aktenzeichen-XY-Studio damals der Schweinfurter Oberkommissar Herbert Then den schaudernden Fernsehzuschauern. Und „möglicherweise spielt in dem Fall ein bisher unbekannter Mann eine Rolle“.
Der Mann, von dem jede Spur fehlt, war bereits zwei Wochen vor dem Tod von Marianne Hübsch mit ihr gesehen worden. Er soll etwa 40 Jahre alt gewesen sein, dunkle, nach hinten gekämmte Haare, lange Koteletten und einen dunklen Teint gehabt haben.
Ein Zeuge sah am Tattag, dem 9. Oktober 1986, zwischen 14.30 und 15 Uhr das Fahrzeug bei Waldhausen (Lkr. Ansbach) und ist sich sicher, dass zwei Personen im Wagen saßen. Zwischen 16 und 17 Uhr beobachtete ein Mann den Opel Ascona mit dem ungewöhnlichen Kennzeichen dann in Estenfeld (Lkr. Würzburg) auf der Bundesstraße 19. Eine halbe Stunde später soll der Wagen bereits in dem Waldstück nördlich davon nahe bei der Abfahrt Schweinfurt/Niederwerrn gebrannt haben.
Rätsel gab den Kriminaltechnikern besagter Benzinkanister auf, dessen verbrannte Reste in dem Wagen gefunden wurden. Der schwarze Fünf-Liter-Kanister der Firma Hünersdorf aus Ludwigsburg gehörte eigentlich nicht ins Auto.
Die Aktenzeichen-XY-Sendung wartete noch mit weiteren merkwürdigen Indizien auf. Zum einen erweckte Frau Hübsch in den Tagen vor ihrem Tod an ihrem Arbeitsplatz und auch privat den Eindruck, als beschäftige oder belaste sie etwas. „Sie ist in letzter Zeit nicht so bei der Sache“, sagt im Film ein Polizeibeamter. Dieser Eindruck soll sich nach der Heimkehr am Mittag verstärkt haben.
Der Postbote und ein Nachbarsjunge beobachteten nämlich: Sie habe da einen Brief mit handschriftlich geschriebener Adresse bekommen, der sie überraschte. „Vielleicht hat dieser Brief Frau Hübsch veranlasst, in Richtung Schweinfurt zu fahren“, mutmaßte Kripo-Mann Then im Fernsehstudio. Dieser Brief ist ebenso verschwunden wie ihre Wohnungsschlüssel vom Schlüsselbund. Ist das Schriftstück im Wagen mit verbrannt oder wollte es sich der Absender wieder aus der Wohnung holen?
Auch eine andere Spur brachte die Polizei nicht weiter: Sechs Wochen nach dem Brand berichtete die Polizei, dass mehrere Zeugen etwa 20 Minuten vor der Entdeckung des Brandes in der Nähe der Autobahn Würzburg-Fulda an der Ausfahrt Schweinfurt/Niederwerrn ein Pärchen beobachtet hätten. Gegen 19 Uhr sprachen die beiden Personen nach Polizeiangaben mit einem Bewohner der nahen Ortschaft Vasbühl (Lkr. Schweinfurt). Sie erzählten, sie hätten ihren Pkw wegen eines Motorschadens auf einem Rastplatz in der Nähe der Autobahn abgestellt und könnten ihn nun nicht mehr finden.
Gegen 19.30 Uhr ließen sich die Frau und der Mann mit einem Minicar von Vasbühl zu einem Pkw fahren, der in einer Parkbucht des Autobahnzubringers zwischen Schweinfurt und der Ausfahrt Werneck abgestellt war. Das Paar hatte eine Tasche mit Trageriemen und eine Plastiktüte der Firma Aldi bei sich.
Recherchen ergaben, dass die Frau, die oberfränkischen Dialekt sprach, angab, sie stamme aus dem Raum Bamberg/Coburg. Laut Polizei meldete sie sich mit einem Namen, der wie Broll oder Bröll klang. Die schlanke Frau soll etwa 1,75 Meter groß gewesen sein und ein volles Gesicht und blonde, glatte Haare gehabt haben, die ihr über die Schulter reichten.
Ihr Begleiter wurde als ein Mann südländischen Aussehens beschrieben, mit 1,85 Metern auffallend groß und sehr hager. Seine Haare reichten über die Ohren. Beide wurden auf ein Alter zwischen 25 und 30 Jahren geschätzt.
Das brachte die Polizei aber ebenso wenig weiter wie die Aktenzeichen-XY-Sendung. Am Abend gingen zwar etwa 70 Hinweise ein, die heiße Spur zur Lösung des Falles war aber nicht darunter. Der Filmfall kann aber inzwischen auf YouTube im Internet angeschaut werden; noch 26 Jahre später machten sich Zuschauer 2013 Gedanken darüber, warum Frau Hübsch nach Schweinfurt fuhr und was in dem Waldstück passierte.
Der damalige Oberkommissar Then ist heute Leiter des Kommissariats in Schweinfurt, das in Fällen gewaltsamer Tötung ermittelt. Er und seine Kollegen haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, einen Tipp zu bekommen, der ihnen hier weiterhilft.
Wer kann der Kripo hier mit Zeugenaussagen weiterhelfen? Hinweise bitte unter Tel. (0 97 21) 202-17 31.