Als Tötungsfantasien in Herne 2001 einen Unschuldigen das Leben kosteten
Stand: 12.05.2025, 17:01 Uhr
Es ist eine Bluttat, die selbst die zuständigen Richter schockierte. 2001 töteten zwei junge Männer einen anderen Mann - weil sie wissen wollten, wie es sich anfühlt, zu töten. Woher kommt so ein Motiv?
Von Hamzi Ismail
Kapitel: Kapitel1: Das perfekte Opfer für ihre Mordfantasien Kapitel2: Wut, Enttäuschung und Hass in der Kindheit Kapitel3: Aus Gewaltfantasien wird Mord Kapitel4: Gegenseitige Freundschaft ermutigt die Täter zum Mord 1. Das perfekte Opfer für ihre Mordfantasien Sie wollten einfach wissen, wie es ist, jemanden zu töten und sterben zu sehen. Das wird das Landgericht Bochum später über das Motiv zweier Freunde für ihren Mord an einem Zufallsopfer sagen.
Der 24-jährige Thomas C. und der 18-jährige Fabian N. lernen im Dezember 2001 in einer Kneipe in Herne den Lagerarbeiter Klaus K. kennen. Er ist stark angetrunken, lebt alleine, hat keine Familie. Der 57-Jährige erscheint ihnen als das perfekte Opfer für ihre Mordfantasien, die sie in den Wochen zuvor gemeinsam entwickelten.
Nach dem Kneipenbesuch lädt K. die zwei Freunde zu sich nach Hause ein. Dort wollen sie weiter trinken und Horrorfilme schauen. Zu Hause angekommen, wird der Mann Opfer einer grausamen Bluttat. Die beiden jungen Männer erdrosseln ihn mit einer Kordel, später stechen sie mit einem Messer über 30 Mal auf ihn ein. Im Anschluss stehlen sie etwas Geld, elektronische Geräte und belanglose Kleinigkeiten.
Die Bochumer Mordermittler kommen den beiden Tätern schnell auf die Spur. Zeugen hatten das Opfer mit ihnen am Vorabend in der Kneipe gesehen. Kurz nach ihrer Festnahme gestehen sie den Mord mit allen brutalen Details. Klaus K. sei ein Zufallsopfer gewesen. Sie hätten wissen wollen, wie es ist, einen Menschen zu töten. Der zuständige Ermittler wird später sagen, dass er in seiner 45-jährigen Berufszeit weder vorher noch danach so ein brutales und sinnloses Verbrechen gesehen hat. Mehr zum Fall gibt es auch im aktuellen Film von WDR Lokalzeit MordOrte:
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WDR-Autor Hamzi Ismail hat sich für "Lokalzeit MordOrte" näher mit dem Fall beschäftigt. Für Lokalzeit.de hat er mit der Kriminalpsychologin Lydia Benecke über das Motiv der Täter und ihre besondere Beziehung zueinander gesprochen.
2. Wut, Enttäuschung und Hass in der Kindheit Lokalzeit: Wie kam es laut Gerichtsurteil zu den Gewaltfantasien der beiden Freunde?
Lydia Benecke: Thomas C.s Eltern trennten sich früh, er wurde von seiner Mutter vernachlässigt, zeigte zunehmende Verhaltensauffälligkeiten wie Schulschwänzen und Stehlen. Mit zehn Jahren kam er in eine Pflegefamilie, aus der er mehrfach wegzulaufen versuchte. Offenbar fühlte er sich immer wieder von unterschiedlichen Menschen ungerecht behandelt und empfand Hass seiner Mutter gegenüber.
Portätaufnahme von Lydia Benecke lächelt Kriminalpsychologin Lydia Benecke
Im Gesamtbild erscheint es wahrscheinlich, dass er im Laufe seiner Entwicklung negative Gefühle wie Enttäuschung, Traurigkeit und Hilflosigkeit in Wut umwandelte. Diese Wut kann die Grundlage für die Entwicklung aggressiver Fantasien gewesen sein.
Seit seiner Jugend verbrachte Thomas C. viel Zeit mit Horrorfilmen und Computerspielen, die detailliert dargestellte Tötungen beinhalteten. Wahrscheinlich wählte Thomas C. diese Medien gezielt aus, da sie zu aggressiven Gefühlen und Gedanken passten, die er schon vorher entwickelt hatte.
Viele Jugendliche konsumieren entsprechende Medien, doch die allermeisten von ihnen entwickeln nie die Absicht, in der Realität Menschen zu töten. Thomas C. jedoch nutzte gezielt Medien, die zu seinen aggressiven Bedürfnissen passten und mit denen er sich möglichst intensiv in seine Gewaltvorstellungen hineinbegeben konnte.
Lokalzeit: Und wie entstanden die Gewaltfantasien bei seinem jüngeren Freund Fabian N.?
Benecke: Fabian N.s Entwicklung verlief anders. Laut Urteil war er weniger rücksichtslos, kaltblütig und aggressiv als Thomas C. Er zeigte mit knapp 18 Jahren noch ein kindlich-naives Verhalten, war unselbstständig und perspektivlos. Auch wenn beide betonten, eine Freundschaft auf Augenhöhe geführt zu haben, ist mein Gesamteindruck ein anderer.
Fabian N. war sechs Jahre jünger als Thomas C., von dessen Durchsetzungsfähigkeit beeindruckt und sah in ihm ein Vorbild. Thomas C. gab Ideen vor, Fabian N. ließ sich von diesen anstecken. Dies betraf auch Thomas C.s zunehmende Tötungsfantasien.
Fabian N. wollte vor seinem Freund wahrscheinlich nicht als Feigling dastehen, sodass er sich auf dessen Überlegungen, "wie man sich bei der Tötung eines Menschen wohl fühlt", einließ. Dies bestärkte fatalerweise wiederum Thomas C. bei der Weiterentwicklung seiner Fantasien. Die beiden schaukelten sich gegenseitig auf.
3. Aus Gewaltfantasien wird Mord Lokalzeit: Es heißt, die beiden Freunde wollten herausfinden, wie es ist, jemanden zu töten. Ging es dabei wirklich um reine Neugier?
Benecke: Auch hier muss man wieder zwischen beiden Tätern unterscheiden. Thomas C. erlebte als Kind und Jugendlicher offenbar viele Dinge, die ihn tief verletzten und enttäuschten. Wahrscheinlich führte dies im Laufe seiner Biografie zu einer immer stärker werdenden Wut, die sich in zunehmenden Tötungsfantasien manifestierte.
Vor Gericht sagte er: "Es war geil, zu sehen, wie ein Mensch stirbt." Aufgrund meiner Arbeitserfahrung mit ähnlichen Tätern gehe ich davon aus, dass ihm die tieferliegenden Motive hinter diesem positiven Empfinden beim Töten selbst nicht klar waren. Neugier halte ich für keine hinreichende Erklärung.
Aus psychologischer Sicht ist die Frage entscheidend, welche Bedürfnisse und Motive Thomas C. durch seine zunehmende Beschäftigung mit Tötungsfantasien und somit auch durch die Tat befriedigte. Angesichts der Tatausführung ist das Ausleben von lange aufgestauter Wut naheliegend.
Gleichzeitig impliziert das Töten eines Menschen auch eine extreme Form von Macht. Dies kann sich für jemanden, der sich im Laufe seiner frühen Biografie immer wieder als hilflos erlebte, außerordentlich positiv anfühlen. Dieses Machterleben kann eine Überkompensation früherer Hilflosigkeit sein. Solche Motive können durch eine zugrundeliegende Suche nach Stimulation durch extreme Erfahrungen noch ergänzt werden.
Der getötete Leon M., daneben ist eine Scheune zu sehen Paderborn | Verbrechen:
Streit zwischen besten Freunden endet tödlich Lokalzeit: Und bei Fabian N.?
Benecke: Fabian N. orientierte sich stark an Thomas C., wollte sich vor ihm beweisen und dessen Erwartungen erfüllen. Auf dieser Grundlage traf er die fatale Entscheidung, den von Thomas C. immer konkreter geäußerten Tötungsfantasien nicht zu widersprechen, sondern ihn sogar darin zu bestärken.
Er ließ sich von den Tötungsfantasien seines besten Freundes mitreißen, sodass die beiden zusammen eine immer konkretere Vorstellung von einem gemeinsamen Mord entwickelten.
4. Gegenseitige Freundschaft ermutigt die Täter zum Mord Lokalzeit: Inwiefern spielte die Beziehungsdynamik zwischen den beiden Freunden eine Rolle bei der Begehung der Tat?
Benecke: Vor Gericht wurde klar: Keiner der beiden wäre für sich allein in der Lage dazu gewesen, diese Tat zu begehen. Erst durch die enge Freundschaft zu Fabian N. fühlte sich Thomas C. dazu ermutigt, seine Fantasien zu konkretisieren und letztendlich in die Tat umzusetzen.
Fabian N. wiederum fühlte sich durch die Freundschaft stärker, mutiger und anderen überlegen, wobei er die Vorstellungen seines Freundes übernahm. Für beide stellte der gemeinsame Mord auch eine Art Festigung ihrer Freundschaft dar. Die extreme und verbotene Tat würde sie für immer verbinden.
Lokalzeit: Vor Gericht stand das Mordmerkmal "Mordlust" im Raum. Im juristischen Sinne bedeutet das, einfach ausgedrückt: Es gibt kein weiteres Motiv als die Tötung einer Person. Wie bewerten Sie solche Fälle aus psychologischer Sicht?
Benecke: Wenn ein Mensch tötet, weil die bloße Tötung für ihn im Vordergrund steht, sehe ich aus der psychologischen Perspektive immer genauer hin und gehe den Fragen nach: Was sind die zugrundeliegenden Bedürfnisse und Motive dahinter und woraus resultieren diese in der Biografie dieses Menschen? Wobei eine Erklärung natürlich niemals eine Entschuldigung ist.