Mord ohne Zeugen: Der Fall Heike K. aus Paderborn Ein Raubmord, jahrelange Ermittlungen und ein entscheidender Zufallsfund – wie die Polizei einen kaltblütigen Täter überführte.
Von Jule Prietzel 10.04.2025 | 10.04.2025, 07:32
Paderborn. Am 3. September 1997 wird die 29-jährige Heike K. (Name geändert) in den Kantinenräumen der Benteler-Werke in Paderborn ermordet. Der Täter raubt die Tageseinnahmen, tötet die junge Frau und setzt den Tatort anschließend in Brand, um die Spuren zu verwischen. Jahrelang bleibt der Fall ungelöst – bis ein anderer Fall die Ermittler auf eine Spur bringt. In „Ostwestfälle“, dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen, sprechen Birgitt Gottwald und der pensionierte Hauptkommissar Ralf Östermann über die Entwicklungen des Mordfalls. Östermann deckt auf, dass die Beamten nur zufällig auf den Täter gekommen sind, und es stellt sich heraus, dass der Täter nicht zum ersten Mal jemanden ermordet hat.
Heike K. war die Tochter der Kantinenbetreiber. Mit 11 Messerstichen wird sie getötet, von ihrem Körper ist kaum noch etwas übrig, als die Polizei ihre Leiche findet. 90 Prozent des Körpers sind verbrannt. „Die Tat war insgesamt sehr brutal und sicherlich auch sehr blutig“, sagt Östermann. Die Tatwaffe wurde nie gefunden, dafür aber etwas anderes. Während der Tatortaufnahme wird ein Elektroschockgerät entdeckt. Von den Betreibern der Firma kann bestätigt werden, dass das Gerät nicht dorthin gehörte. Das Gerät ist der einzige Hinweis.
Nachdem der Täter Heike K. erstochen hat, setzt er das Gebäude mit Desinfektionsmitteln als Brandbeschleuniger in Brand. Der Kreis der Verdächtigen ist groß, Lieferanten und Mitarbeitende haben alle Zugang zu den Räumlichkeiten. Es gibt keine Zeugen. „Unsere Ermittlungen sind da leider im Sande verlaufen, sodass wir ohne Täterverdacht dastanden“, sagt Östermann im Podcast. Die Ermittler wenden sich an die Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“, um überregional mögliche Zeugen zu finden. Für Hinweise, die zum Ergreifen des Täters führen wird eine Belohnung von 25.000 D-Mark ausgesetzt. Die wenigen Anrufe bringen keine neuen Erkenntnisse, trotz der fünf Millionen Zuschauern und die Ermittlungen stagnieren.
Mord ohne Zeugen - der Fall im Überblick:
Heike K. wird in den Kantinenräumen der Benteler-Werke in Paderborn ermordet aufgefunden. Sie wurde mit 11 Messerstichen getötet. Die Tatwaffe bleibt verschollen, doch ein am Tatort gefundenes Elektroschockgerät stellt sich als wichtiger Hinweis heraus. Trotz intensiver Ermittlungen und einem Aufruf in der Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ mit einer ausgesetzten Belohnung, kommen die Ermittlungen ins Stocken. Es gibt keine Zeugen. Ein Jahr nach dem Mord bringt ein Diebstahl in den Benteler-Werken die Ermittler auf eine neue Spur. Bei einer Hausdurchsuchung eines Tatverdächtigen wird die Verpackung eines Elektroschockgeräts gefunden, das mit dem am Tatort gefundenen Gerät in Verbindung gebracht wird. Der verdächtige Klaus M., ein angesehenes Mitglied des Betriebsrats, wird nicht nur mit dem Mord an Heike K. in Verbindung gebracht, sondern auch mit dem Mord an Elke H. und einem früheren Mord an seiner Pflegemutter. Östermann erinnert sich an Klaus M. als teilnahmslos und desinteressiert während des Prozesses. Klaus M. wird zu lebenslanger Haft verurteilt, mit einer zusätzlichen Sicherheitsverwarnung. Er stirbt im Justizvollzugskrankenhaus in Freudenberg.
Ein gutes Jahr später kommt dann der Kommissar Zufall zu Hilfe. „Sehr gut mitdenkende Paderborner Kriminalbeamte, die natürlich über den Fall Heike K. Bescheid wussten, haben uns eine neue Spur geliefert“, sagt Östermann. Bei den Benteler Werken werden vermehrt Computer-Teile gestohlen, weshalb es zu einem Durchsuchungsbeschluss in der Wohnung von Klaus M. (Name geändert) kommt. Dabei wird sowohl die Verpackung als auch der Kaufbeleg eines Elektroschockgeräts gefunden. Der Verdächtige kann das Gerät jedoch nicht vorweisen. Daraufhin kommen die Ermittlungen wieder in Schwung.
„Schwierig war für uns, dass es sich bei dem Verdächtigen um ein Mitglied vom Betriebsrat handelte, außerdem war er Schwerbehindertenbeauftragter und Sanitäter“, erinnert sich Östermann. „Er war eine durchaus angesehene Person“, ergänzt Moderatorin Birgitt Gottwald. Es sind Zweifel aufgekommen, ob er der Täter ist. Doch dann wird, bevor der Mord an Heike K. aufgedeckt werden kann, ein anderer Mord aufgeklärt, der schon Jahre zurückliegt. Klaus M. hat schon zwei Menschen auf dem Gewissen. Anhand einer DNA-Probe wird ihm der Mord an der 32-jährigen Elke H. (Name geändert) aus Lippstadt nachgewiesen. Der Täter hatte ihr am 6. April 1993, also vier Jahre zuvor, einen Stich in den Hals versetzt und sie dann mit einem Elektrokabel erdrosselt.
DNA-Analyse deckt weiteren Mord des Täters auf
Er soll außerdem 1955 als 15-jähriger Jugendlicher seine Pflegemutter die Kellertreppe heruntergestoßen und dann erdrosselt haben. Als dann noch sein Alibi zerplatzt, ist die Lage nahezu eindeutig. Seine Frau verrät, dass er am Tag des Mordes an Heike K. schon um 6 Uhr das Haus verlassen hat. Klaus M. hat an dem Tag ein Seminar im Ruhrgebiet, woran er auch teilnimmt, was allerdings erst um 10 Uhr losgeht. Er hat also genug Zeit, vorher den Mord zu begehen.
Außerdem ist das Desinfektionsmittel, mit dem der Brand gestiftet wurde, dasselbe mit dem Klaus M. in der Firma sauber gemacht hat, er kannte das Opfer und wusste um die Tatsache, dass Heike K. ihre Eltern während deren Urlaubs vertreten. Diese Fakten zusammen mit dem nicht vorweisbaren Elektroschockgerät, dem mangelnden Alibi und der Vorstrafe brachten den Verdächtigen 1999 vor Gericht.
„Der Angeklagte hat bis zuletzt alles abgestritten“, erinnert sich Östermann. „Am Ende hat er nicht mal mehr mit den Kollegen von der Mordkommission gesprochen. Ich habe Klaus M. als teilnahmslos in Erinnerung, so als ob ihn das alles gar nicht interessiert.“ Es ist ein reiner Indizienprozess. Die Schwurgerichtskammer Paderborn ist von der Täterschaft und Schuld überzeugt. Das Urteil: Für den Mord an Heike K. bekommt der Täter lebenslängliche Haft, für den Totschlag an Elke H. sieben Jahre Haft. Daraus wird eine Gesamtfreiheitsstrafe gebildet und der Klaus M. bekommt eine lebenslängliche Haftstrafe, außerdem wird gegen ihn eine Sicherheitsverwarnung ausgesprochen. Der 61-Jährige ist in dem Justizvollzugskrankenhaus in Freudenberg verstorben.
Mord in den Benteler-Werken: Der Fall Heike K. Ein Raubmord, jahrelange Ermittlungen und ein entscheidender Zufallsfund – wie die Polizei einen kaltblütigen Täter überführte.
Am 3. September 1997 wird die 29-jährige Heike K. in den Kantinenräumen der Benteler-Werke Paderborn ermordet. Der Täter raubt die Tageseinnahmen, tötet die junge Frau und setzt den Tatort in Brand. Jahrelang bleibt der Fall ungelöst – bis ein anderer Diebstahl die Ermittler auf eine Spur bringt. Hauptkommissar a. D. Ralf Östermann gibt Einblicke in die Ermittlungen und erklärt, wie ein DNA-Abgleich den Mörder überführte.