Manchmal denkt Peter Doolan, es ist alles nur ein böser Traum. Gleich wird er erwachen und alles ist wieder gut. Doch aus diesem Albtraum gibt es kein Erwachen. Und es wird auch nie wieder gut. Der Australier trauert seit nunmehr sechs Jahren um seine Münchner Liebe Sabine Grüneklee (32). Die Siemens-Mitarbeiterin wurde im Oktober 2005 in einem Waldgebiet nahe der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu ermordet. Der Täter – ein Serienmörder – ist bis heute nicht gefasst.
Der damals zuständige Münchner Staatsanwalt Peter Boie – heute Direktor des Erdinger Amtsgerichts – ist zusammen mit einem Filmteam noch einmal nach Nepal aufgebrochen. Mit seiner Hilfe entstand eine bewegende Dokumentation über die schwierige Spurensuche in einer fremden Welt und das Leid der Hinterbliebenen. Sie wird am Montag um 21.15 Uhr im Rahmen der RTL2-Dokumentarreihe Tatort Ausland – Mörderische Reise ausgestrahlt.
Sabine Grüneklee arbeitete als Personalsachbearbeiterin bei Siemens in München, bricht im Juli 2005 zu einer Weltreise auf. Sie startet in Indien und landet im Oktober in Kathmandu. Dort will sich die sportliche Trekkerin mit ihrem neuen Freund Peter treffen und mit ihm zusammen zum Basislager des Mount Everest aufbrechen. Peter landet am Abend des 18. Oktober in Kathmandu. Doch die sonst so zuverlässige Sabine ist nicht am Flughafen. Mit wachsender Besorgnis macht sich Peter auf die Suche, findet schließich Sabines Hotel „Blue Horizon“ im Stadteil Thamel. Dort erfährt er, dass Sabine seit Tagen verschwunden ist. Ihre Sachen liegen unberührt in ihrem Zimmer. Alles sieht so aus, als käme sie gleich zurück.
Überwältigt von schlimmster Vorahnung sinkt Peter aufs Bett. In den Straßen Kathmandus nämlich hat er ein Fahndungsplakat entdeckt. Es zeigt Celine Henry (33), eine Französin – genau derselbe Typ wie Sabine. Zierlich, hübsch, alleinreisend. Sie verschwand erst Anfang September 2005…
Spezialisten-Suchtrupp aus München im Einsatz Der nepalesische Polizeiapparat kommt schleppend in Gang. Dafür macht sich von München aus ein Spezialisten-Suchtrupp auf den Weg. Peter Boie mit Kollegen von der Münchner Mordkommission, einem Rechtsmediziner, Kriminaltechnikern, zwei Leichensuchhunden mit ihren Führern. Auch Sabines Schwester Susanne fliegt nach Kathmandu. Die Spur führt zum mehrere Quadratkilometer großen „Nagarjun Reserved Forest“ – ein umzäuntes und vom Militär bewachtes Waldgebiet um die Sommerresidenz des Königs und einen sehr beliebten Buddha-Tempel. Wer hier wandern will, muss sich am Tor ein- und wieder austragen. Auf der Liste steht Sabines Name. Am 15. Oktober 2005 um 10.20 Uhr betrat sie den Park. Aber sie kam nicht mehr heraus…
Die deutschen und nepalesischen Ermittler suchen Seite an Seite, tagelang. Sie entdecken Sabines Haarspange und blutgetränkte Kleidung – einen BH, eine Jacke. Und ihren zerrissenen Pass. Sabine selbst jedoch finden sie nicht. Menschen und Hunde haben Probleme in der großen Höhe und der extremen Trockenheit. Nach einer schweren Woche muss auch Susanne wieder abreisen. Es geht ihr schlecht dabei: „Es war, als ob man die Schwester im Stich lässt, weil man sie nicht mitnimmt.“
Dabei waren die Suchtrupps im unwegsamen Gelände bereits bis auf 100 Meter an den Leichnam herangekommen. Das jedoch erweist sich erst im Februar 2006. Da nämlich schickt die nepalesische Polizei der Familie formlos und ohne Vorwarnung per E-Mail schockierende Fotos einer Leiche. Holzsammlerinnen haben sie gefunden. Es ist zweifelsfrei Sabine. Susanne: „An den drei Ringen an ihren Fingern haben wir sie sofort erkannt.“.
In der Münchner Rechtsmedizin werden die sterblichen Überreste obduziert. Sabine Grüneklee hat um ihr Leben gekämpft, wurde am Ende mit einem nicht mehr identifizierbaren Gegenstand erschlagen, offenbar auch sexuell missbraucht und ihrer Reiseschecks beraubt. Vermutlich ist die Französin Celine Opfer desselben Mörders geworden. Denn auch sie war im Park gewesen und nicht mehr zurückgekehrt. Die Familien der beiden Frauen gehen durch die Hölle: „Man versucht zu überleben. Man zwingt sich zum Essen, zum Weiterleben. Es ist sehr schwer“, beschreibt Celines Schwester ihre Situation.
Mörder wird wohl nie gefasst Die Theorie vom Serientäter erhärtet sich, als sich aus Berlin die Ärztin Nadine Müller (32) meldet. Sie war im Frühjahr 2005 im Reservat und am Tempel gewesen. Allein, genau wie Celine und Sabine. Auf dem Rückweg durch den Wald sieht sie einen Mann in einem gelben T-Shirt am Wegesrand sitzen. Plötzlich steht er auf, verfolgt sie, reißt sie zu Boden: „Der war wie ein Tier, er biss mich in die Oberlippe,“ schildert die junge Ärztin ihr Martyrium. Im abschüssigen Gelände rutscht er aber ab und muss die benommene Frau loslassen. In Todesangst rast Nadine den Bergpfad hinab – und kann entkommen. Sie ist heute glückliche Mutter, denkt noch oft an Celine und Sabine: „Ich habe irgendwie das Gefühl, ich lebe mein Leben für die beiden mit.“
Dass der Mörder jemals gefasst wird, ist eher unwahrscheinlich. „Es fehlt halt in Nepal an Datenbanken, an Technik und Erfahrung“, sagt Peter Boie. Die Münchner Mordkommission wird auch diesen ungeklärten Fall niemals aufgeben. Vielleicht hilft eines Tages ein Zufall, wird der Täter doch noch gefasst. Das wäre der größte Wunsch der Angehörigen. Denn erst dann können sie eines Tages vielleicht wieder Ruhe finden.