Leiche ohne Kopf und andere Mordfälle: Ermittler werden in Hamm wieder tätig Stand:21.01.2024, 08:30 Uhr
Von: Frank Lahme
Kommentare
Drucken
Teilen
Vier „Cold Cases“ aus Hamm werden von Spezialermittlern neu aufgerollt - zum Teil haben es die Experten mit schlimmen Umständen zutun.
Hamm – Es gibt sie auch in Hamm: ungeklärte Mordfälle, so genannte „Cold Cases“. Vier dieser teils mehr als 40 Jahre zurückliegenden Fälle werden nun neu aufgerollt und möglicherweise auch aufgeklärt werden. Die am Freitag in Dortmund vorgestellte Ermittlungsgruppe (EG) „Cold Case“ wird sich der Sache annehmen und dabei abgesehen von modernsten Ermittlungstechniken auch auf die Erfahrung von bereits pensionierten und jetzt reaktivierten Kriminalbeamten („Senior Experts“) zurückgreifen.
Staatsanwältin sieht Ermittlungsansätze Eine Vorprüfung der bis heute ungeklärten Hammer Verbrechen hat bereits stattgefunden. Ergebnis: „Wir gehen davon aus, dass es Ermittlungsansätze gibt“, sagte Staatsanwältin Gülkiz Yazir am Montag gegenüber dem WA. Konkret eingestiegen ist die EG noch nicht in die Hammer Fälle. Zunächst werden vier andere Cold Cases, die sich in Dortmund, Unna, Arnsberg und Bergkamen zutrugen, bearbeitet.
Cold Case: 42 Fälle auf der Liste Auf Kurz oder Lang werden sich die Ermittler aber auch die hiesigen Hammer Verbrechen vorknöpfen. „Wir haben insgesamt 42 Cold Cases auf unserer Liste. Es ergibt wenig Sinn, alle gleichzeitig abzuarbeiten“, sagte Staatsanwältin Gülkiz Yazir zur Vorgehensweise der Dortmunder Ermittlungsgruppe.
1981: Tödliche Schüsse in Bockum-Hövel Der älteste Fall Hammer „Cold Case“ trug sich am 7. April 1981 in Bockum-Hövel zu. Um 2.15 Uhr wurde da der 33-jährige Dragoljub Kontic auf offener Straße erschossen. Er war Geschäftsführer einer Diskothek in Gelsenkirchen, fuhr einen weißen Porsche und hörte auf den Rufnamen „Mike“. Wie der WA am nächsten Tag berichtete, war Kontic, der Jugoslawe war, in der Tatnacht gerade mit seiner deutschen Freundin an seiner Wohnanschrift an der Ludwig-van-Beethoven-Straße, wo er seit Jahren wohnte, angekommen und aus seinem Wagen ausgestiegen.
Ein heute gewiss 60 oder 70 Jahre alter Mann kam aus einem Gebüsch hervor und eröffnete das Feuer. Dravic verschanzte sich mit seiner Begleiterin zunächst noch hinter einem Wagen. Es gab einen Wortwechsel in jugoslawischer Sprache, Hilferufe, weitere Schüsse. Mehrere Nachbarn wurden davon wach und öffneten ihre Fenster.
Ein junger Mann versuchte den beiden zu Hilfe zu kommen, aber da war es schon zu spät. Dragovic wurde letztlich von drei Schüssen tödlich getroffen. Seine Freundin blieb offenbar unversehrt. Bei der Tatwaffe soll es sich um einen Revolver mit dem Kaliber 45 mm gehandelt haben. Der Mörder wurde nie gefunden.
1981: Die Leiche ohne Kopf im Hammer Osten Auch der zweite Hammer „Cold Case“ trug sich im Jahr 1981 zu. Am 10. November wurde da in einer kleinen Wohnung über der Gaststätte „Zur alten Kanone“ an der Ostenallee die enthauptete Leiche der 76-jährigen Elisabeth Becker gefunden. Angehörige hatten sich Sorgen gemacht, als sie die Seniorin nicht angetroffen hatten und die Polizei verständigt.
Als die Beamten mit dem Schlüsseldienst die Wohnungstür öffneten, machten sie die grausige Entdeckung. Die Ermordete war unbekleidet und in eine Decke gehüllt. Es gab keine Hinweise auf einen Raubmord oder ein Sexualdelikt. Die Tat trug sich nach heutigen Erkenntnissen etwa eine Woche früher zu. Der Mörder wurde nie ermittelt, auch der Kopf der Opfers nie gefunden.
1995: Hinrichtung an der Fährstraße Am 28. Oktober 1995 entdeckte eine Autofahrerin gegen 19 Uhr den leblosen Körper von Wislaw Marian Ch. auf dem Fahrradweg zwischen Bootshaus und Dolberger Straße. Der 32-jährige Pole war von zwei Kopfschüssen getroffen, lebte aber noch. Die Polizeiermittler sprachen damals von einer Art Hinrichtung. Der Fall erregte relativ wenig öffentliche Aufmerksamkeit.
Wislaw Marian Ch. überstand nicht nur die nächsten Tage im Krankenhaus, sondern kam insgesamt mit dem Leben davon. Der aus Polen stammende Mann war offenbar nie in Hamm gemeldet gewesen und verschwand nach seiner Genesung auch wieder aus Deutschland. Ob er heute noch lebt, sei ungewiss, heißt es von der Polizei. Dennoch wollen sich die Cold-Case-Ermittler des Falls noch einmal annehmen, weil es offenbar eine Chance gibt, den oder die vermeintlichen Todesschützen ausfindig zu machen. Mordtaten, auch Versuche, verjähren im deutschen Strafrecht nie.
Juni 2009: Der Mordfall „Monika“ Der jüngste Fall auf der Liste der EG „Cold Case“ ist der Prostituierten Mordfall „Monika“. In der Nacht vom 5. auf den 6. Juno 2009 wurde die 32-jährige Ungarin, die sich „Monika“ nannte und auf dem Straßenstrich an der Heessener Straße tätig war, mutmaßlich von einem Freier erdrosselt.
Ihr Leichnam wurde erst zwei Wochen später von Spaziergängern, die mit einem Hund unterwegs waren, in einem Gebüsch in der Nähe des Sachsenwegs gefunden. Der Mordfall wurde unter anderem bei „Aktenzeichen XY“ nacherzählt – eine heiße Spur gab es nie.