Der Polizist Markus Jobst hätte auf den Räuber schießen können. Er tat es nicht – und wurde selbst erschossen, mit 21 Jahren, am U-Bahnsteig Bonner Platz. Heute jährt sich sein Tod zum 20. Mal. Seither wurde in München kein Polizist mehr getötet.
Markus Jobst wäre heute 41 Jahre alt. Hätte eine Polizistenkarriere gemacht. Hätte er eine Frau, Kinder? Wenn sie sich das vorstelle, sagte seine Mutter einmal, werde sie ganz traurig. Mit 21 Jahren starb ihr einziger Sohn, ein Polizeimeister, bei einem Einsatz in München – heute vor 20 Jahren. Ein Datum, zu dem es nur ein Gutes zu berichten gibt: Seither ist in der Landeshauptstadt kein Polizist mehr getötet worden.
22. Januar 1995, Sonntagabend. Die Straßen sind leer, die Münchner sitzen vorm „Tatort“. Um 20.30 Uhr geht die Meldung ein: Ein Bewaffneter hat die Aral-Tankstelle an der Ungererstraße überfallen. Jobst und seine 24-jährige Kollegin Margit Haber werden zum Bonner Platz geschickt. Am U-Bahnsteig sieht die Polizeimeisterin hinter einer Säule einen Verdächtigen. Als sich die Beamten nähern, schießt der 22-jährige Boro Matic sofort. Er trifft Haber ins Bein, lebensgefährlich, sie bricht ohnmächtig zusammen. Passanten leisten ihr Erste Hilfe.
Matic flieht, Jobst verfolgt ihn auf die Treppe. Jetzt könnte er schießen, in Matic’ Rücken, er könnte den Räuber stoppen, es wäre Notwehr. Doch er zögert. Matic zögert nicht. Er dreht sich um, zielt und trifft den Beamten zweimal. Eine Kugel geht ins Knie. Eine rast durch den linken Oberarm in den Brustkorb und zerfetzt die Lunge. In der Klinik stirbt Jobst an inneren Blutungen.
Er stammte aus Holzheim am Forst, nördlich von Regensburg. Sein Vater war Facharbeiter bei der Maxhütte, seine Mutter Vorarbeiterin bei Siemens. Mit 17 Jahren entschied sich der Bub, Polizist zu werden, und machte in München seine Ausbildung. Seit März 1994 gehörte er zu einer Einsatzhundertschaft des Polizeipräsidiums. „Er war ein zugänglicher junger Mann“, sagte der Holzheimer Bürgermeister Ernst Franek nach Jobsts Tod, „sehr beliebt und engagiert.“ Markus war bei der Freiwilligen Feuerwehr, spielte Fußball, angelte gern. In Holzheim liegt nun sein Grab, zu dem seine Mutter täglich geht. Seine Schwester Tanja, die damals 14 war und schwer litt, ist später Arzthelferin geworden.
Nach der Bluttat floh Matic vom Tatort. Fünf Tage später wurde der Bosnier in Nürnberg gefasst und 1996 zu lebenslanger Haft verurteilt. Seitdem sitzt er in der JVA Straubing. „Sie haben auf hinterhältige und gemeine Art ausgenutzt, dass der Beamte sie geschont hat“, sagte Richter Jürgen Hanreich bei der Urteilsbegründung, „dass er Skrupel hatte, Sie von hinten zu erschießen. Dieses Recht hätte er gehabt.“ Am Fall Matic entzündeten sich später politische Diskussionen. Der 22-Jährige, der seit seiner Kindheit in Deutschland lebte, hatte wegen Raubes eine Jugendhaftstrafe abgesessen. Später entzog er sich zweimal seiner Abschiebung.
Auch für den heutigen Polizeisprecher Wolfgang Wenger, der Jobsts Familie damals psychologisch betreute, hat sich die Welt seit der Tat verändert. „Es hat gezeigt, dass es keine Gewähr gibt, am Leben zu bleiben“, sagt er heute. Zwar würden Aus- und Fortbildung sowie Einsatztraining ständig verbessert. Zudem trügen heute die meisten Polizisten bei heiklen Einsätzen Schutzwesten, das Material sei leichter geworden. Aber diese hätte Jobst nicht geholfen, „weil die Kugel über den Oberarm eindrang“.
Margit Haber arbeitete mehrere Jahre weiter im Polizeidienst, heute ist sie pensioniert. Laut ihrer Facebook-Seite leidet sie noch immer unter den Folgen des Verbrechens.
Jobst war seit 1972 der erste ermordete Beamte des Polizeipräsidiums. Damals war Anton Fliegerbauer auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck von den Olympia-Geiselnehmern erschossen worden. In Bayern wurden seit 1945 63 Polizisten getötet. Dazu, dass es in München seit 1995 keinen Polizistenmord mehr gab, sagt Wenger: „Gottseidank. Wir sind eine Gefahrengemeinschaft. Jeder kommt mit Gewalt in Berührung.“ Was Jobst passiert sei, „haben wir im Kopf und im Herzen“. In der Dienststelle an der Freiligrathstraße erinnert eine Gedenktafel an Jobst. Und jedes Jahr zum Todestag fahren Kollegen nach Holzheim ans Grab. Heute findet dort ein Gedenkgottesdienst statt.
Vor 20 Jahren: Das Attentat vom Bonner Platz Aktualisiert: 22.01.2015 - 07:48
München - An der Gedenkgalerie aller 63 im Dienst getöteten bayerischen Polizisten im Münchner Innenministerium werden heute viele an ihn denken.
Und in den Herzen seiner Kollegen und derer, die ihn lieben, ist und bleibt er sowieso: Heute vor 20 Jahren – an jenem 22. Januar 1995 um 20.30 Uhr – wurde der Münchner Polizist Markus Jobst (†?21) im U-Bahnhof Bonner Platz in Schwabing von dem flüchtenden Tankstellenräuber Boro M. (damals 22 Jahre alt) erschossen.
Der Beamte wurde in seiner Oberpfälzer Heimatgemeinde in Holzheim am Forst (Landkreis Regensburg) beigesetzt. Dort treffen sich heute seine Münchner Kollegen und seine Familie für einen Gedenkgottesdienst an dem Ermordeten, der so stolz darauf gewesen war, ein Polizist zu sein.
Als der kleine Markus noch gar nicht richtig laufen konnte – da wollte er schon Polizist werden. Und seine Familie war so stolz auf ihn. An jenem kalten Januar-Sonntag wollte er eigentlich mit seiner jüngeren Schwester Tanja (15) zum Skilaufen gehen. Doch dann sprang er doch für einen Kollegen ein. Abends wurden Markus Jobst und seine Kollegin Margit H. mit eingebunden in die Fahndung nach dem flüchtigen Räuber. Um 20.30 Uhr trafen die beiden Beamten im U-Bahnhof auf den Täter. Der schoss sofort. Margit H. sank getroffen zu Boden. Markus Jobst hätte dem fliehenden Räuber in den Rücken schießen können. Er hätte es in dieser Notwehr-Situation sogar tun müssen. Doch er hatte Skrupel – der Mörder aber nicht: Zwei Schüsse trafen den jungen Polizisten ins Knie und in die Lunge. Die Ärzte konnten ihn nicht mehr retten. Sein Mörder wurde fünf Tage später in Nürnberg gefasst und sitzt in Straubing in Haft.
„Meine Eltern und ich – wir sind damals innerlich zusammengebrochen“, berichtete Markus’ Schwester Jahre später. Der Vater ist 2011 verstorben. Nun halten Mutter Christa Jobst und Schwester Tanja die liebevollen Erinnerungen wach: „In unseren Herzen ist Markus bei uns, zu jeder Sekunde des Tages.“
München - Das schreckliche Verbrechen ist 20 Jahre her. Ein junger Münchner Polizist wurde im Einsatz getötet. Aus Anlass des Todestages gedachten jetzt Angehörige, Freunde und Kollegen bei einem Gottesdienst des erschossenen Opfers.
Am Donnerstag, 22.01.2015, jährte sich der Todestag des von einem Tankstellenräuber am Bonner Platz in München erschossenen Kollegen Markus Jobst zum zwanzigsten Mal.
Der damals 21-jährige Polizeimeister war im Rahmen der Sofortfahndung von dem Gewaltverbrecher am U-Bahnhof kaltblütig getötet worden. Der Polizistenmörder flüchtete zunächst unerkannt, konnte aber fünf Tage später in Nürnberg festgenommen werden. Er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt und Sitzt derzeit noch in der JVA Straubing. Der junge Polizeimeister ist das letzte Opfer eines derartigen Verbrechens im Präsidiumsbereichs München.
Markus Jobst wurde in seiner Heimatgemeinde in Holzheim am Forst beigesetzt. Dort fand am Donnerstag, 22. Januar, ein Gedenkgottesdienst für ihn statt. Es kamen knapp 200 Gäste in die Pfarrkirche St. Ägidius. Unter Ihnen waren neben der Familie des getöteten Kollegen der Münchner Polizeipräsident
Hubertus Andrä und der Polizeipräsident der Oberpfalz, Rudolf Kraus, sowie der Inspekteur der Bayerischen Polizei, Thomas Hampel. Auch die damaligen Kollegen aus dem Zug der Einsatzhundertschaft und seine Freunde erschienen sehr zahlreich.
Den Gottesdienst gestalteten der Ortspfarrer Andreas Giehrl und der Polizeiseelsorger Monsignore Andreas Simbeck.
AUDIO Im Podcast: Kaltblütiger Mord im Dienst Polizeimeister Markus Jobst aus Holzheim am Forst starb durch die Hand eines Verbrechers – Kollegen in München erinnern sich. Von André Baumgarten 21. Januar 2020 05:30 Uhr
HOLZHEIM AM FORST.Mit einer Kollegin kontrolliert der noch ganz junge Polizeimeister Markus Jobst nach einem Raubüberfall die U-Bahn-Station „Bonner Platz“ in München-Schwabing. Der 21-Jährige ist erst wenige Monate bei der Einsatzhundertschaft in der bayerischen Landeshauptstadt tätig – und trifft am Abend des 22. Januar 1995 auf seinen Mörder. Boro M. schießt sofort, als die Beamten ihn auf dem völlig leeren Bahnsteig ansprechen. Erst auf Margit H., die von einer Kugel getroffen zusammensackt, dann auf den 21-jährigen Polizisten aus Holzheim am Forst im Landkreis Regensburg. Für ihn kommt trotz der Reanimation durch einen nacheilenden Kollegen jede Hilfe zu spät.
Thomas Paulus war damals 29 Jahre und einer der ersten, die am Tatort eintrafen. Der Augenzeuge kämpfte vor genau 25 Jahren mehr als eine Stunde lang um das so junge Leben seines Kollegen – und bis heute auch mit den Erinnerungen an diese Nacht. Mit Paulus und zwei weiteren, mittlerweile pensionierten Münchener Polizeibeamten rekonstruieren wir den tragischen Tod von Markus Jobst. Auch die Kriminaloberräte Peter Reichl und Wolfgang Wenger lassen die Ereignisse dieser Januarnacht bis heute nicht los. Nicht zuletzt, weil Wenger die Familie des Polizeimeisters aus Holzheim am Forst bis heute betreut und seitdem jedes Jahr das Grab besucht.
Wenngleich Polizistenmorde selten sind, ist der Fall aktueller denn je – nicht erst, seit das Video eines brutalen Angriffs auf einen Polizisten in der Silvesternacht in Leipzig durch die Medien geht. Das Bundeskriminalamt verzeichnet in seiner Statistik 38.109 Gewalttaten gegen Polizistinnen oder Polizisten in ganz Deutschland aus. Die Zahlen für 2019 werden erst im Frühjahr 2020 vorgestellt. So gravierende Auswirkungen wie für den Holzheimer hat das aber nur sehr selten – laut Bundeslagebild des BKA waren nur 15 Fälle versuchter Mord und 35 versuchter Totschlag. Bei Markus Jobst war es kaltblütiger Mord – der junge Mann starb durch die Kugel des flüchtigen Tankstellenräubers!