Kreis Gütersloh Steckt der NSU hinter Todesschuss auf Fefzi Ufuk im Kreis Gütersloh? Tatort GT (6): Der 68-jährige Türke stirbt auf einem Parkplatz. Blutüberströmt liegt er plötzlich da - und niemand weiß, wer dahinter steckt. Doch dann wird der Fall mit einer Todesliste des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Verbindung gebracht.
Wolfgang Wotke 11.01.2021 um 20:10 Uhr
Kreis Gütersloh. Alle Religionen – egal ob himmlisch oder nicht – haben einen Ort für ihre Gottesdienste oder Rituale. Der Ort der Muslime dafür sind die Moscheen. Das Wort „Moschee" bedeutet, die verstreuten Menschen zusammen zu bringen, voneinander getrennte zu vereinen.
Der 68-jährige Fefzi Ufuk ist gerade in Rheda-Wiedenbrück zu Besuch. Auch für ihn ist das tägliche Gebet wichtig. Also geht er zum türkischen Kulturverein. Es soll sein letztes Gebet werden. 25 Stunden später ist er tot. Erschossen. Der mysteriöse Fall liegt mehr als 14 Jahre zurück und ist ungeklärt. Das Verbrechen gibt bis heute viele Rätsel auf.
Blutüberströmt liegt er auf dem Parkplatz Der 1. März 2006, ein Mittwoch, gehört noch zu den kalten Tagen jenes Monats. Die Temperatur pendelt sich am späten Nachmittag um die fünf Grad Celisus ein. Fefzi Ufuk ist in Eile, denn er will nicht das Abendgebet verpassen. Er wirft seinen dicken Mantel um und fährt los. So parkt er um 18.11 Uhr seinen weißen Mercedes mit Soester Kennzeichen direkt vor dem Haupteingang der türkischen Moschee an der Holzstraße.
Gegen 18.30 Uhr verlässt er das Gotteshaus durch den Vordereingang und geht zu seinem Auto. Minuten später findet ihn der Vorbeter blutüberströmt und schwer verletzt liegend auf dem Parkplatz. Er wird in ein Krankenhaus eingeliefert, wo die Ärzte überraschend eine schwere Kopfverletzung diagnostizieren. Am nächsten Tag stirbt Fefzi Ufuk. Erst die Obduktion ergibt, dass der Rentner von hinten mit einem Durchschuss in den Hinterkopf getötet worden ist. Eine Mordkommission übernimmt.
Er gibt keine Zeugen und kaum Spuren Doch die steht vor einer schweren Aufgabe: Es gibt keinen einzigen Zeugen, kein Motiv, wenige Hinweise, kaum Spuren, somit auch keinen Verdächtigen. Am Tatort wird nur eine einzige Patronenhülse gefunden, mit der später durch Spezialisten des Landeskriminalamtes Düsseldorf die Tatwaffe und das Kaliber bestimmt werden können. Es handelt sich um eine Pistole des Modells 9mm Makarov, die in der Sowjetunion entwickelt worden ist.
Diese selbstladende Waffe wird bis heute produziert und ist auch von der NVA in der DDR verwendet worden. Niemand hat vor dem türkischen Kulturverein etwas gesehen oder gehört. Die Frage stellt sich: Hat der Mörder seinem Opfer aufgelauert und einen Schalldämpfer benutzt? Ein Projektil wird nicht entdeckt. Dabei ist der Bereich der Moschee gut zu überblicken, nicht weitläufig.
Für ein paar Wochen hatte er bei seiner Tochter gewohnt Das Gelände liegt in einem Wohngebiet mit dichter Bebauung. Hätte die Spurensicherung das Projektil gefunden, könnte der genaue Ablauf der heimtückischen Tat rekonstruiert werden.
Schon seit einigen Jahren hat Fefzi Ufuk nicht mehr in Deutschland gelebt. Er hat sich Anfang der 2000er Jahre in Izmir in der Türkei zur Ruhe gesetzt. Erst im Frühjahr 2006 ist er nach Rheda-Wiedenbrück zurückgekehrt und hat für einige Wochen bei seiner Tochter gewohnt. Dort will er sich noch einmal von deutschen Ärzten durchchecken lassen, weil er hier immer noch krankenversichert ist. Danach hat er vor, wieder in die Türkei zu fliegen.
Sohn: "Ich weiß nicht, warum man ihn erschossen hat?" Ufuk ist nicht mehr vor Ort verwurzelt und kennt nur noch wenige Landsleute. Ermittlungen der Polizei ergeben, dass weder er noch seine Angehörigen Mitglieder des Moschee-Vereins in Rheda-Wiedenbrück sind. Eine Beziehungstat oder ein Mord aus religiösen Gründen innerhalb der Moscheegemeinschaft schließt die Kripo aus.
Anhand der Fakten sei das eher unwahrscheinlich. Gegenüber der Presse äußert sich einer seiner Söhne hinsichtlich einer möglichen Verwechslung kurz nach dem Mordanschlag: „Der Parkplatz ist abends hell erleuchtet. Mein Vater hat keine Feinde. Ich weiß nicht, warum man ihn erschossen hat?"
Dann wird der Fall plötzlich mit dem NSU in Verbindung gebracht Wochenlang, monatelang, ja sogar jahrelang kommen die Fahnder in diesem Fall keinen Schritt weiter. Dann, im Juni 2018, greift eine ZDF-Dokumentation den Mordfall neu auf und bringt ihn mit den Gräueltaten des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Verbindung. Der Film von den Autoren Rainer Fromm und Ron Boese („ZDFzoom") berichtet über eine geheimnisvolle Liste, auf der mehr als 10.000 Namen vermerkt sind und die im Brandschutt der Wohnung von Beate Zschäpe entdeckt worden war.
Diese Sammlung wird später in den Ermittlungsakten als „Todesliste der NSU" erwähnt. Darauf soll auch die Anschrift des Kulturvereins in Rheda-Wiedenbrück an der Holzstraße stehen. Fromm und Boese fragen: Was hat es mit dieser Todesliste auf sich? Wer hat sie erstellt? Und: kann der Mord an Fefzi Ufuk ebenfalls vom NSU begangen worden sein? Nicht nur Experten, sondern auch die beiden Filmemacher sind überzeugt: „Diese Organisation hat weitaus mehr Attentate geplant und auch mehr Helfer gehabt."
Pistole und Munition passen nicht zusammen Die damalige Bielefelder Mordkommission, so stellt es die Filmdoku dar, habe zwar einen Ermittlungsansatz zur NSU-Todesliste erkannt, sie jedoch schnell wieder verworfen. Die Ermittler haben als Grund für das Kapitalverbrechen eher einen „. . .für türkische Verhältnisse äußerst unsteten Lebenswandel des Opfers. . ." (Zitat aus den Ermittlungsakten) gesehen. Doch ein Mord aus Eifersucht oder religiösen Gründen? Wohl nicht. Auf eine „Mauer des Schweigens" seien Rainer Fromm und Ron Boese während ihrer Recherchen gestoßen, denn die Ermittlungsbehörden wollten sich dazu öffentlich nicht äußern.
Schließlich habe die Staatsanwaltschaft schriftlich mitgeteilt, dass die bei der Tat verwendete Munition nicht mit den NSU-Waffensystemen übereinstimme. Die Pistole als auch die Munition passten nicht zusammen. So sei Ufuk mit einem Projektil im Kaliber „9mm Browning kurz" erschossen worden, allerdings sei die Kugel mit größerem Kaliber „9mm Makarov" verschossen worden. Das sei anhand der Hülse nachweisbar.
Vertane Chance, anhand von Todesliste weiteren Mord der NSU aufzuklären? Bei der Durchsicht der NSU-Asservate, so erklärt es der Film, sei man auf eine Pistole gestoßen, einer Ceska 82, 9mm Makarov, geladen mit der eigentlich nicht passenden Munition „Browning kurz". Das bedeute: In den Asservaten der NSU finde sich genau die Kombination aus Waffe und falscher Munition wieder, die auch beim Ufuk-Mord möglicherweise verwendet worden sei. Ein durchgeführtes Experiment belegt, dass die Waffe auch mit falscher Munition schießt. Fazit: „Vielleicht eine vertane Chance, anhand dieser Todesliste einen weiteren Mord der NSU aufzuklären."
Der 68-jährige Fefzi Ufuk wird 2006 getötet, zu einer Zeit, in der der NSU noch mordend durch Deutschland gezogen ist. Die Todesliste bleibt weiter ein Geheimnis in der Terrorismusakte. Und auch der Mordfall Ufuk wird wohl nie aufgeklärt.
Rheda-Wiedenbrück (ae) - Im Zusammenhang mit der Döner-Mordserie beschäftigt sich die Staatsanwaltschaft Bielefeld routinemäßig mit einem unaufgeklärten Mordfall aus Rheda-Wiedenbrück. Sie überprüft, ob Rechtsterroristen am 1. März 2006 den damals 68-jährigen Türken Fevzi Ufuk ermordet haben.
15.11.2011 | 10:10 Uhr
„Als Normalität“, bezeichnete diese Vorgehensweise der Bielefelder Staatsanwalt Christoph Mackel. Entgegen anderslautender Medienberichte sehe die Staatsanwaltschaft bislang keine Parallelen zwischen dem Gewaltverbrechen in Rheda-Wiedenbrück und der Döner-Mordserie, sagte Mackel.
Es handle sich um grundverschiedene Tat- und Opfermuster, konstatierte der Jurist. Eine solche Überprüfung sei bei unaufgeklärten Verbrechen Alltagsgeschäft.
Ufuk war 2006 schwer verletzt vor einer Moschee des türkischen Kulturvereins im Stadtteil Rheda gefunden worden. 30 Stunden später war er gestorben. Er war mit einem gezielten Kopfschuss regelrecht hingerichtet worden.
Die sogenannten Döner-Morde an acht türkischstämmigen Männern und an einem Griechen in den Jahren 2000 bis 2006 gehen mutmaßlich auf das Konto der rechtsextremistischen Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU).